3. Februar 2003

Geschichten rund um den Handball in Siebenbürgen (XXI)

Weltbester Rechtsaußen der 60er Jahre / Er ist Weltmeister geworden, hat WM-Bronze und den Europapokal der Meister gewonnen. Dazu kommen sechs Landesmeistertitel mit Steaua Bukarest. Der in Mercydorf am 11. September 1939 geborene Josef Jakob hat sich 45 Jahre lang dem Handball gewidmet, als Spieler und als Trainer.
Heute ist der weltbeste Rechtsaußen von Mitte der sechziger Jahre im vorzeitigen Ruhestand. Mit der nötigen Distanz sieht er sich hin und wieder noch ein Handballspiel an. Der Weg zum weltbesten Rechtsaußen der Welt hat Fleiß und viel Schweiß gekostet. Als Schüler der sechsten Klasse darf Jakob einmal in der Mercydorfer Großfeldhandballmannschaft gegen die Orzydorfer als Rechtsaußen spielen. Nach der Volksschule im Heimatort besucht er zwei Jahre lang die Pädagogische Schule in der Temeswarer Josefstadt. Er bricht die Lehrerausbildung ab. Alexander Hof-Codreanu holt ihn 1955 zu Electromotor Temeswar in die Regionalliga. Doch nach einem Jahr kommt das Aus für die Handballmannschaft. Der Fußball hat Vorrang bei Electromotor. Der Trainer wechselt mit der gesamten Mannschaft zu Progresul Temeswar. 1957 wechselt Jakob zu Tehnometal Temeswar in die erste Liga und wird in die Jugendnationalmannschaft berufen. Nach einem längeren Trainingslager in Schäßburg und Bukarest bestreitet die Jugendauswahl zwei Spiele in Polen auf dem Großfeld. Zusammen mit Jakob stehen weitere Deutsche in der Jugendnationalmannschaft: Dieter Jochmann aus Reschitza, Horst Niemesch und Helmut Zikeli aus Hermannstadt, Dieter Martini aus Kronstadt und Peter Tasch aus Jahrmarkt. Beide Spiele werden gewonnen, erinnert sich Jakob, das eine 15:14, das zweite 17:15.

Josef Jakob im Angriff. Das Bild stammt vom 27. Oktober 1957 und zeigt eine Szene aus dem Spiel Tehnometal Temeswar gegen CCA Bukarest.
Josef Jakob im Angriff. Das Bild stammt vom 27. Oktober 1957 und zeigt eine Szene aus dem Spiel Tehnometal Temeswar gegen CCA Bukarest.

Von der Polenreise zurück, steigt er zusammen mit Tasch in Bukarest in den Schlafwagen. Adam Fischer holt die beiden morgens mit dem Fahrrad am Bahnhof in Temeswar ab, denn am Nachmittag steht das Derby gegen Stiinta auf dem Programm. Die erste Überraschung am Nachmittag: Die Stadionwärter lassen Jakob nicht ein, keiner kennt ihn. Für die zweite Überraschung sorgt Fischer. Er stellt mit Jakob, Tasch und Dian drei junge Spieler auf und gewinnt die Begegnung 15:14. Jakob erzielt fünf und Tasch drei Tore.

Bei Tehnometal spielt Jakob noch drei Jahre lang auf dem Großfeld Handball. Ab 1960 wird auf dem Kleinfeld gespielt. In der Saison 1961/62 wird die Kleinfeldmeisterschaft in zwei Staffeln zu je acht Mannschaften ausgetragen. Der West-Staffel gehören an: Stiinta und Tehnometal Temeswar, Tg. Mures, Petrosani, Dinamo Kronstadt, Vointa Hermannstadt, Oradea und Schäßburg. Die Meisterschaft endet mit einer Endrunde, für die sich die jeweils beiden Besten jeder Staffel qualifizieren. Die vier Teams treffen sich in zwei Städten zu ebenso vielen Endrunden. Tehnometal belegt zweimal den dritten Platz. Meister wird jedes Mal Dinamo Bukarest. 1962 findet der erste Annäherungsversuch der Bukarester Steaua an Jakob statt. Der Armeeklub bittet den Rechtsaußen, in der Mannschaft bei der Spartakiade der Armeeklubs mitzumachen. Im selben Jahr wird Jakob zum ersten Mal zur Nationalmannschaft eingeladen. Zwei Spiele gegen Dänemark stehen auf dem Programm. Danach geht es nach Jugoslawien. Jakob darf mit dem Zug nur bis ins Banat mitfahren, in Temeswar muss er aussteigen.

Bisher hat Jakob den Lockrufen des Armeeklubs widerstanden. Doch eines Tages nimmt seine Mutter in Mercydorf die Einberufung zur Armee aus dem Briefkasten. Sie verständigt den Sohn in Temeswar. Und der sagt: „Ins Kommissariat gehe ich nicht, denn dort lässt man mich nicht mehr heraus.“ Jakob lässt sich trotzdem überreden hinzugehen. Was er vermutet hatte, tritt aber ein. Ein Offizier drückt ihm einen Fahrschein in die Hand. Sein Ziel: der Zentrale Armeesportklub in Bukarest. Bereits am Abend trifft er in Bukarest ein, wird vom Bahnhof abgeholt. Mit einer Sporttasche in der Hand kommt er in der Kaserne an, wird als Soldat eingekleidet und als solcher vorgestellt. "Ich habe mich immer gewehrt, zu Steaua zu gehen, doch im Nachhinein muss ich sagen, ich habe es nicht bereut." Drei Monate später ist Jakob Unteroffizier.

Als Jakob zu Steaua stößt, ist Hans-Günther Schmidt bereits beim Armeeklub. Fast gleichzeitig mit Jakob wird der Volleyballer Gheorghe Gruia zur Handballmannschaft geholt. Die drei neuen Spieler verhelfen der Mannschaft sofort zum ersten Meistertitel auf dem Kleinfeld. Wir schreiben das Jahr 1963. Trainer des Armeesportklubs ist Johnny Kunst. Er schickt sich an, die jahrelange Dominanz des Lokalrivalen Dinamo auf dem Kleinfeld zu brechen.

1963 hat Jakob einen Kurzeinsatz in der Nationalmannschaft. Noch im selben Jahr wird Johnny Kunst Nationaltrainer. Im November 1963 werden die Nationalspieler in ein fünfmonatiges Trainingslager berufen. Es wird nicht mehr aufgelöst bis zur Eröffnung der Weltmeisterschaft Anfang März 1964. Im November kommt die Hiobsbotschaft nach einer Tournee der Studentenauswahl durch Deutschland: Hans-Günther Schmidt hat sich abgesetzt. Doch auch ohne ihn wird Rumänien seinen Weltmeistertitel in der Tschechoslowakei verteidigen. Jakob erinnert sich noch an die wichtigsten Spiele des Turniers: an das 16:15 über die Tschechoslowakei und an das 25:22 im Finale gegen Schweden. Jakob gehört mit seinen gefürchteten Tempogegenstößen, seinem Können und vorbildlichen Einsatz zu den Garanten dieses Erfolgs. Er ist zu dieser Zeit der weltbeste Rechtsaußen, sagt Hans-Günther Schmidt. Doch Josef Jakob will davon nichts hören. Er selbst könne das nicht beurteilen. Er gibt lieber das Kompliment weiter: „Unser Torwart war eine Bank, man konnte blind zum Gegenangriff starten und wusste, dass der von Mischi Redl geworfene Ball einen bestimmt erreicht.“Redl wurde übrigens zum weltbesten Torwart während des Turniers gewählt.

Doch nach der Weltmeisterschaft die nächste Hiobsbotschaft für Steaua. Gheorghe Gruia ist an Gelbsucht erkrankt. Steaua steht ohne Rückraum da. Von 1964 bis 1966 wird der Armeeklub nur Vizemeister. Gruia wird wieder gesund, und Steaua verstärkt sich mit vier neuen Spielern. Von Stiinta Temeswar kommt Dieter Christenau, ferner werden verpflichtet Ion Marinescu, Gheorghe Goran und Ion Popescu. Das bringt Steaua den nächsten Titel ein. Der Armeesportklub gewinnt in dieser Meisterschaft beide Spiele gegen Dinamo.

Es folgt die Weltmeisterschaft in Schweden. Rumänien wird Dritter durch ein 21:19 gegen die Russen im Spiel um Platz drei. Verdienter Weltmeister, so Jakob, wird die Tschechoslowakei. 1968 gewinnt Jakob mit Steaua den Europapokal der Landesmeister durch ein 13:11 im Finale von Frankfurt am Main gegen Dukla Prag. Im selben Jahr wird Jakob zusammen mit dem Bukarester Rückraumspieler Gruia in die Weltauswahl berufen. Die nächsten Jahre sind wieder von Erfolg gekrönt. Der Armeesportklub wird von 1968 bis 1971 viermal hintereinander Meister. 1971 hört Jakob auf, eine neue Generation von Handballern ist herangewachsen. Die alten Hasen dürfen ins westliche Ausland reisen, als Belohnung und als Ansporn für den Nachwuchs. In 45 Länderspielen hat er 121 Tore geworfen. Seine Spezialität waren neben den unnachahmlichen Gegenstößen die Pässe quer durch den Wurfkreis von einem Flügel auf den anderen oder auf den heranstürmenden Spieler am Kreis.

Jakob geht 1971 nach Wuppertal und wird Spielertrainer des Langenfelder Turnvereins. Er trainiert den Regionalligisten vier Jahre lang und wechselt danach zum Landesligisten HTV Remscheid. Nach zwei Jahren wechselt er zum Lokalrivalen RTV Remscheid, der ebenfalls in der Landesliga spielt.

1979 zieht es Jakob in den Süden. Es folgen 20 Jahre in Esslingen. Er übernimmt den Oberligisten Turnerschaft Esslingen und wird nach einem Jahr entlassen. Anschließend ist er beim Oberligisten Scharnhausen im Alter von 41 Jahren Spielertrainer. Mit ihm steigt er in die Regionalliga auf. Doch mitten in der kommenden Saison wird er entlassen, weil die Mannschaft nur 9:9 Punkte hat. Von 1982 bis 1985 trainiert Jakob die Wernauer Sportfreunde in der Bezirksliga. 1985 ist Jakob in der Bezirksliga bei Neuhausen-Fildern. Er führt die Mannschaft bis in die Verbandsliga und hört nach sechs Jahren bei dem Klub auf. Danach übernimmt er die Mannschaft von Bernhausen. Dort hört er nach einem halben Jahr auf. In der Saison 1992/93 betreut Jakob den RSK Esslingen. Danach geht er zurück zu Neuhausen und übernimmt die zweite Mannschaft, die ebenfalls in der Bezirksliga spielt. Mit ihr wird er zweimal aufsteigen. In der Saison 1996/97 legt Jakob eine freiwillige Pause ein. 1997 übernimmt er den Kreisligisten Denkendorf. Mit ihm steigt er auf bis in die Landesliga. 1999 ist mit 60 endgültig Schluss. Jakob ist nun ab und an als Zuschauer in Sporthallen zu finden. Denn das Trainergeschäft war nicht einfach. Morgens machte er seine Arbeit als Metallschleifer und nachmittags war er Trainer. Heute lebt er im zu Ludwigshafen gehörenden Bodmann.

Den Entschluss, nicht mehr nach Rumänien zurückzukehren, fasst Jakob 1972. Seither hat er nie mehr rumänischen Boden betreten. Anfangs war das auch nicht möglich, denn als Deserteur war er in Abwesenheit zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Johann Steiner


(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 16 vom 15. November 2002, Seite 10)

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