28. Mai 2005

Deportation dokumentiert und künstlerisch dargestellt

Das lateinische Wort deportare bedeutet u.a. „wegbringen“, „fortschaffen“. Im Kontext der kriegsbezogenen Deportation wie jener der Südostdeutschen in die Sowjetunion vor 60 Jahren spricht man von Verschleppung. „Seit dieser Zeit steht das Wort Deportation auch für uns für jenes Furchtbare, das mit Machtmissbrauch und Rache, mit Entwürdigung und Menschenverachtung zu tun hat, politisch aber ein krasser Verstoß gegen die Haager Konvention und Menschenrechtsverletzung bedeutet“, erklärte Dr. Walther Konschitzky am Pfingstsamstag in seiner Einführung zur Dokumentationsausstellung „Vor 60 Jahren. Deportation der Südostdeutschen in die Sowjetunion“.
Diesem zeithistorisch nach wie vor hoch brisanten Thema waren beim diesjährigen Heimattag der Siebenbürger Sachsen gleich zwei Ausstellungen im Evangelischen Gemeindehaus St. Paul in Dinkelsbühl gewidmet. In sinnvoller Ergänzung zur Dokumentationsausstellung im zweiten Stock (zum Thema präsentierte dort auch der siebenbürgische Regisseur Günter Czernetzky drei Dokumentarfilme) zeigte eine zweite Ausstellung im Refektorium die Deportation als Motiv künstlerischer Auseinandersetzung. In die Kunstausstellung Deportation – GULag führte Bundeskulturreferent Hans-Werner Schuster ebenfalls am Pfingstsamstag ein.

Walter Konschitzky führte in die Dokumentationsausstellung in Dinkelsbühl ein. Foto: Hans-Werner Schuster
Walter Konschitzky führte in die Dokumentationsausstellung in Dinkelsbühl ein. Foto: Hans-Werner Schuster
Vor zehn Jahren konzipierten Walther Konschitzky, Bundeskulturreferent der Landsmannschaft der Banater Schwaben, und Hans-Werner Schuster gemeinsam die Dokumentationsausstellung als Wanderausstellung, die zuletzt im Rahmen der Zentralen Ulmer Gedenkveranstaltung am 14./15. Januar diesen Jahres in der Donauhalle zu sehen war. Über die Jahre ist der Bestand im Licht der zeitgeschichtlichen Forschung ergänzt und mit Materialien und Texten substanziell erweitert worden. Die Tafelausstellung ist vorzüglich geeignet, anhand konkreter individueller Beispiele, eingebettet in den zeithistorischen Kontext, Ablauf und Auswirkungen der Deportation einer breiten Öffentlichkeit zu veranschaulichen.

Das Spektrum des Ausstellungsbestandes umfasst neben Bildberichten von Berufs- wie von Laienkünstlern auch Bilder von Objekten und Fotografien aus der Zeit, vielfältige Dokumente und Kartenmaterial bis hin zu Tagebuchaufzeichnungen. „Hinter jedem dieser Bilder steht Leben, Erlebtes und Erlittenes in Ausnahmesituationen, Arbeit unter Zwang, Hinvegetieren im Abseits“, betonte Konschitzky, der freilich einräumte: „In welchem Umfang man eine solche Ausstellung auch konzipieren und gestalten mag, sie kann nur bruchstückhaft darüber Auskunft geben, was damals geschah. Sie ist aber fortschreibbar.“ Und sie soll demnächst dupliziert werden, um als Wanderausstellung, idealer Weise von Kreisgruppen anforderbar, eine noch größere Reichweite erlangen zu können.

Auf der Suche nach den Deportationslagern: Viele interessierte Besucher zog es beim Heimattag in die informativ wie anschaulich gestaltete Dokumentationsausstellung. Foto: Josef Balazs
Auf der Suche nach den Deportationslagern: Viele interessierte Besucher zog es beim Heimattag in die informativ wie anschaulich gestaltete Dokumentationsausstellung. Foto: Josef Balazs
In der parallel laufenden Kunstausstellung wurden Werke von Friedrich von Bömches, Marianne Riemer (verheiratete Hüttel) und Adolf Kroner präsentiert. Hauptumfänglich handelte es sich um Arbeiten von Bömches mit bezeichnenden Titeln wie: „Aushebung“ (2000), „Ins Ungewisse“ (1999), „Weg zum Lager“ (1994), „Warum?“ (1994), „Das Unglück“ (1993), „Hinter Stacheldraht“ (1994), „Der Hunger“ (1994), „Der Totentanz“ (1994), „Das Haus der einsamen Mütter“ (2000), „Trost“ (1994). In seiner Einführung charakterisierte Hans-Werner Schuster die ausgestellten 40 Werke und ihre Künstler. Friedrich Bömches (1916 in Kronstadt geboren) war mit 30 Arbeiten vertreten, Marianne Riemer (1925 in Kronstadt geboren) mit sechs und Adolf Kroner (1938 in Schäßburg geboren) mit vier. In zwei Vitrinen wurden darüber hinaus von Riemer stammende Skizzen und Aquarelle gezeigt. Wie Schuster einräumte, erhob die mit Unterstützung des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim zusammengestellte Ausstellung keineswegs den Anspruch, repräsentativ zu sein. Dazu fehlten - ganz abgesehen von den Banater Künstlern Viktor und Julius Stürmer - Namen wie Heinrich Schunn oder Annemarie Suckow von Heydendorff.

Die Bömches-Bilder dominierten nach Format und Anzahl. Mit dem 89-jährigen Künstler konnte, nach den Worten Schusters, für diese Kunstausstellung „ein Solitär“ gefunden werden. Bömches‘ bis ins hohe Alter unausgesetzt fortwirkende Schaffenskraft habe ein Oeuvre hervorgebracht, dessen Menschenbild gespeist sei aus der „apokalyptischen Erfahrung des Zweiten Weltkriegs sowie der Zeit der Deportation in die Sowjetunion“: Angst, Einsamkeit, Leiden und das Drama der Gewalt determinieren die menschliche Existenz in ihrem „Ausgeliefertsein an die Welt“.

In der Kunstausstellung im Refektorium waren 30 Arbeiten des „Solitärs“ Friedrich von Bömches zu sehen. Foto: Josef Balazs
In der Kunstausstellung im Refektorium waren 30 Arbeiten des „Solitärs“ Friedrich von Bömches zu sehen. Foto: Josef Balazs

Der Stellenwert der ausgestellten Arbeiten Marianne Riemers korreliert mit der Tatsache, dass diese in der Deportation entstanden sind. Konkret und unmittelbar offenbart sich dem Betrachter der Alltag im Lager (Almasna) in all seinen Facetten. Die vier Tuschzeichnungen von Adolf Kroner, allesamt aus dem Jahr 1995, machen „mit plakativem Gestus das Ereignis und seine Wirkung auf die Betroffenen augenfällig“, so Schuster. Insgesamt beeindruckte die Kunstausstellung im Evangelischen Gemeindehaus St. Paul nicht allein durch Auswahl und Präsentation. Angesichts der im Refektorium vorherrschenden beengten räumlichen Möglichkeiten waren die Exponate überdies geschickt gehängt.

Christian Schoger


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