21. August 2005

Oskar Kraemer: "Von jenen Menschen einer ... "

Dies ist der Titel eines Büchleins mit nachgelassenen Gedichten und Prosatexten Oskar Kraemers, das das Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD vor 30 Jahren herausgegeben hat. Vor 20 Jahren würdigte in einem Festvortrag im Heimathaus Siebenbürgen auf Schloss Horneck Alfred Coulin die Persönlichkeit. Nicht ohne Grund an diesem Ort, war es doch Oskar Kraemer, auf dessen Initiative und mit dessen Engagement dieses großartige Werk, eine Heimstatt für betagte Landsleute und die Bewahrung und Pflege unseres siebenbürgisch-sächsischen Kulturgutes mit wissenschaftlicher Bibliothek und Museum zurückzuführen ist. Wir entnehmen der Laudatio Alfred Coulins folgende Ausschnitte.
Geboren wurde Oskar Kraemer am 21. August 1885 in Hermannstadt, wo er auch seine Jugend verlebte. Nach dem Abitur arbeitete er zunächst auf einer Bank, was aber seinem Naturell widersprach. Seine Studienorte waren Berlin, Wien und Straßburg, es war ihm aber nicht vergönnt, sich einfach dem Studium hinzugeben, dazu fehlten die Mittel, immer wieder musste er das nötige Geld verdienen, mit wechselvollen Beschäftigungen, die dazu beitrugen seinen Charakter zu festigen und seinen Blick zu weiten, ehe er nach Hermannstadt zurückkehrte.

Oskar Kraemer.
Oskar Kraemer.
Hier schloss er sich Rudolf Brandsch und dem Hermannstädter Bürgerabend an, jener Gruppe, die bestrebt war, die innere und äußere Enge der sächsischen Politik zu überwinden. Er trat als Journalist in die Redaktion der Deutschen Tagespost ein und wurde nach Ausbruch des 1. Weltkrieges deren Chefredakteur. Als 1925 die Tagespost mit dem Siebenbürgisch-Deutschen Tagblatt zusammengelegt wurde, ging Kraemer als Korrespondent der deutschen Zeitungen Rumäniens nach Bukarest, von wo er mit Artikeln, Berichten und Meldungen die Blätter in Hermannstadt und Kronstadt, in Temeswar und Czernowitz versorgte. Später übernahm er die Chefredaktion des Bukarester Tageblatts und der Bukarester Post. Beide waren Organe vor allem für die nicht geringe Zahl der Deutschen in der rumänischen Hauptstadt. Diese setzten sich aus Siebenbürger Sachsen und "Reichsdeutschen" zusammen, wozu noch einige Banater sowie Österreicher und Schweizer kamen. Das führte zu manchen Spannungen, sowohl gegenüber den Lesern aus diesen verschiedenen Gruppen als auch gegenüber den offiziellen deutschen Stellen, der deutschen Parlamentspartei mit Dr. Hans Otto Roth auf der einen Seite und der deutschen Gesandtschaft mit Fabritius auf der anderen Seite.

Diese Balance zu halten gelang jahrelang, wurde aber nach 1933 nach dem Aufstieg Hitlers und der Machtergreifung der Nationalsozialisten und ihrer wachsenden Anhängerschaft bei den Deutschen Rumäniens immer schwieriger, nicht zuletzt deshalb, weil Oskar Kraemer mit dem Nationalsozialismus nicht sympathisierte. Schließlich musste er aufgeben.

Er schloss sich der Umsiedlung der Bessarabien- und Dobrudscha-Deutschen an, zog nach Berlin. Noch vor der Einschließung durch die Rote Armee konnte er die Reichshauptstadt verlassen und gelangte über Altdorf und Konstanz, auch dort journalistisch tätig, als 65-Jähriger nach Esslingen.

Er wurde Geschäftsführer der Landsmannschaft und des Hilfskomitees in Baden-Württemberg und dann Vorsitzender beider Organisationen. In diesem Rahmen gelang es ihm dann, durch Gründung des Hilfsvereins "Johannes Honterus" 1961 die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Einrichtung des Heimathauses Siebenbürgen angegangen und auch dessen Verwirklichung durchgekämpft wurde.

Am 19. Mai 1970 erlosch sein Leben, er wurde in Gundelsheim beigesetzt.

Was war das für ein Mann, der eher von zierlicher Gestalt war?

Er fand, wie er sagt, nur selten den Weg zu sich, er wusste um die Schwierigkeit der Selbsterkenntnis. Unter den Sprüchen des Altertums, die er zu erfassen und zu befolgen für nötig befand, gehörte die Inschrift des Apollo-Tempels in Delphi "Erkenne dich selbst"; darum hat er sich ein Leben lang bemüht.

Dabei blickte er nicht nur nach innen, sondern sehr aufmerksam und genau auch nach außen, studierte seine Umgebung und deutete sie. Wir brauchen nur sorgfältig seine Erzählungen zu lesen, um zu erkennen, wie zuverlässig und einprägsam Menschen und Dinge geschildert werden, wobei manche Gestalt aus unserem sächsischen Leben lebendig wird.

Der Humor fehlte natürlich nicht, und ich erinnere mich an manche seiner Bemerkungen, die mit ihrer Treffsicherheit ein befreiendes Lachen oder jenes verständnisvolle Lächeln hervorzauberten, das menschlichem Zusammensein die beglückende Wärme verleiht.
Zu seiner Generation gehören aus unserem engeren Bereich Bischof Friedrich Müller, dann die Philosophen Nikolai Hartmann, Karl Jaspers, Martin Heidegger, die Dichter Hugo von Hofmannsthal, Franz Kafka, Thomas Mann, Hermann Hesse, Wilhelm Raabe, die Maler Oskar Kokoschka und Emil Nolde - dies rundet das Bild seiner geistigen Haltung ab.

Was geschah, was erlebte er nicht alles in diesem Jahrhundert! Zwei Weltkriege, völlige Veränderung der politischen und wirtschaftlichen Lage in der Welt, tief greifenden Wandel der Sitte und der Kultur, was sich auch bis in unsere siebenbürgische Heimat auswirkte. Dies alles hat ihn sehr bewegt und auch das schwere persönliche Schicksal mit dem Verlust beider Söhne. Er stand das durch und behielt seinen geraden Weg bei in der Gewissheit des Glaubens, wofür wir Belege in seinen Schriften haben, "und manchmal schon hat mich ein göttlich Wort gefunden", das ist echt lutherisch.

Alfred Coulin

Oskar Kraemer

Zum Abschied

Jungsein, wenn es die Zeit ist.
Tanzen und Springen, wenn es Zeit ist.
Lachen, wenn es Zeit ist.
Spielen, wenn es Zeit ist.
Reden zur rechten Zeit.
Schweigen, wenn es die Zeit ist.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 13 vom 10. August 2005, Seite 5)

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