19. Dezember 2005

Willi Zeidners "Palukes-Geschichten" - vielseitiges Siebenbürgenbild

Die ansprechenden und mit reichlich Siebenbürgischem gespickten Erzählungen versetzen den Leser in das Burzenland, hauptsächlich nach Kronstadt und Rosenau, wo Willi Zeidner seine Wurzeln weiß. Neben zahlreichen autobiographischen Begebenheiten gewähren sie Einblicke in Zeiten, als das Leben noch in normalen Bahnen verlief und die sächsische Gemeinschaft ihre Ordnung hatte, versuchen aber auch das eine oder andere Ereignis der letzten 60 Jahre aufzuarbeiten.
Damit auch der Nichtsiebenbürger dem Autor folgen kann, wird der Leser einleitend mit dem Palukes und der Namensfindung für diesen Kukuruzbrei vertraut gemacht: Die beiden Apostel Paulus und Lukas waren in göttlicher Mission unterwegs und als sie abends von der sächsischen Gastfreundschaft Gebrauch machten und in Reps unter der Burg einkehrten, bekamen sie den Maisbrei mit Milch vorgesetzt. Da er vortrefflich mundete und bis dato noch keine Bezeichnung gefunden hatte, wurde er nach den Namen der beiden Apostel genannt. Das Erklärende zieht sich übrigens wie ein roter Faden durch viele Erzählungen, der Autor baut Fakten vortrefflich ein, um die Zusammenhänge auch für unkundige Leser zu erläutern.

Die ersten Erzählungen stellen die Kindheit und das Erwachsenwerden von Willi Zeidner in den Vordergrund. Es ist eine unbeschwerte Kindheit in den Zwischenkriegsjahren und der Autor weiß von vielen Begebenheiten zu berichten: sei es die dicke Freundschaft zwischen dem Dreikäsehoch und dem ausgewachsenen Labrador von nebenan, der Schabernack, den die größeren Jungen mit dem Willi-Wali trieben, oder das Risiko, beim Kartenspielen während des Zeichenunterrichts nicht Farbe zu bekennen.

Die Änderungen der politischen Rahmenbedingungen bringen tiefgreifende Verschiebungen in der Gesellschaftsordnung mit sich. Zunächst einmal wird dadurch eine neue Berufsgruppe geschaffen (der Autor nennt sie Haftelmacher), die als Aufgabe hatte, über alle und jeden alles in Erfahrung zu bringen. Dass diese Parteigenossen vortrefflich zu manipulieren verstanden und selbst in den engsten Beziehungen Zwietracht säen konnten, weiß Willi Zeidner aus eigener Erfahrung zu berichten.

Der schmerzhafte Übergang von der Privatwirtschaft mittels Enteignung zum Sozialismus wird an dem Beispiel der beiden erfolgreichen Handwerker Laden-Itz und Dauben-Karli deutlich, deren Werkstätten und teure Maschinen zwar enteignet werden, die aber die Ratenzahlung für die aufgenommenen Kredite weiterhin begleichen müssen. Auch der lange Johann der VI. aus Rosenau muss tatenlos zusehen, wie sich zunächst die rumänische Familie, später dann eine ganze Zigeunersippe in der guten Stube einnisten und den Hof erheblich herunter wirtschaften, während er und seine Frau Martha nur noch im Stall Unterkunft finden. Der Einmarsch der Roten (der Autor nennt sie Wodkalümmel) ermöglichte überhaupt erst solch himmelschreiendes Unrecht und es wird in jener Zeit wohl kaum einen Uhrenmacher gegeben haben, dem die berüchtigten Worte "Dawaj Tschass" nicht Angst und Schrecken eingejagt haben.

Die Hauptpersonen der Erzählungen sind mitten aus dem Leben gegriffen, nicht für den Buchdruck zurechtgeschrieben, sondern Menschen mit Fehlern, kleinkarierten und spießigen Ansichten, von erfrischend herzlichen Art und unschuldigem Gottvertrauen. Ob sie Huster Girko oder Adamuta Baclava heißen, Leon Glitzinger, Boros Ignacz oder Mahorka-Misch, jeder trägt ein klein wenig zu dem Siebenbürgenbild bei, das uns der Autor vermitteln will. Und um dieses Bild zu verdeutlichen, hat der Autor zahlreiche, selbst gefertigte Zeichnungen von Kirchenburgen in das Buch integriert. Neben den dreisprachig angegebenen Ortsnamen erfährt der Leser auch die wichtigsten Eckdaten des betreffenden Ortes.

Willi Zeidner ist am 15. April 1927 in Kronstadt geboren, hat da die Ausbildung am Honterus-Gymnasiums genossen. Zum Maschinenschlosser, Schweißer und Schmied ausgebildet, wurde er im Januar 1945 in den Sowjet-GULag deportiert und kehrte nach fünf schweren Jahren im Dezember 1949 heim. 1957 hat er als Redakteur der "Volkszeitung" begonnen, nach dem Abitur und dem Abschluss des Studiums für Journalistik, Geschichte und Philosophie war er bis 1984 Spartenleiter der "Karpatenrundschau". Seit Mai 1989 lebt der Autor in der Bundesrepublik Deutschland.

Jürgen Binder

Willi Zeidner, Palukes - Geschichten und andere Kleinigkeiten aus Siebenbürgen, aldus-Verlag Kronstadt, 2005, 296 Seiten. ISBN 973-7822-05-6. Zum Preis von 12 Euro, zuzüglich Versandkosten, zu bestellen bei Wilhelm Zeidner, In Sämann 79, 71334 Waiblingen, Telefon: (0 71 51) 8 30 77.

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 20 vom 15. Dezember 2005, Seite 11)

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Neueste Kommentare

  • 12.06.2010, 17:24 Uhr von der Ijel: O K Gerri. Was nennst Du kratzig ? Legenden sind halt Legenden. Auch für unsere Sprachforscher, ... [weiter]
  • 12.06.2010, 08:30 Uhr von gerri: Hallo der Ijel,habe deine sehr ernste und kratzige Antwort auf Willi`s Titel für seine humorvollen ... [weiter]
  • 24.04.2009, 12:51 Uhr von der Ijel: -----zur Namensfindung für diesen Kukuruzbrei--- nichts gegen phantasievolle Legenden--- doch ... [weiter]

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