31. August 2010

Roseln hat sich ein Heimatbuch gegeben

Der kleine Ort mitten in Siebenbürgen hat eine Dokumentation all dessen erstellt, was von den Anfängen bis 1990 ausfindig gemacht werden konnte.
Das hätte Gräf Johannes von Rosundal sich wohl nicht träumen lassen: dass mit seinem Namen eines Tages einer der ersten Rosler in einem Buch vermerkt ist. Die Urkunde von 1364 bezeugt seinen Einsatz für Gerechtigkeit, seinen Widerstand selbst gegen den König. Doch nicht erst mit diesem Jahr mitten im 14. Jahrhundert beginnt Roselns Geschichte. Dank neuerer Ausgrabungen und deren Dokumentation 2004 führen namhafte Archäologen anschauliche Skizzen des Lebens in frühester Zeit im von Heckenrosen gerahmten Harbachtal an: Zeno-Karl Pinter datiert bestimmte Hügel in die Übergangsperiode zur Bronzezeit. Später erschließt sich der Ort über Bergfried, Kirche und die ehemalige Erdburg von Schönberg. Einiges ist vergangen, anderes wurde bewahrt.

Der Autor Dr. Christian Weiss denkt aber auch darüber nach, was die Leute wohl bewegte, „um 1150 bis 1200 ihre Heimat zu verlassen und eine neue zu suchen“. Waren es die Kreuzzüge, König Geisa II. oder Andreas II., die Menschen aus dem Westen zur Wanderung nach Osten bewogen? Waren sie arm, waren sie reich? Im Andreanum wurden sie weise gleichgestellt: unus sit populus. Das und ihr unbeirrbarer Gottesglaube hat sie durch viele Jahrhunderte getragen.

Die ersten erhaltenen Urkunden, aus der Zeit König Ludwigs I., bezeugen seinen Unfrieden mit den nobiles des Großschenker Stuhls, später geht es um Mühlen-Streitigkeiten, um Straßen, Brücken, Steuern. Meist unerfreuliche Angelegenheiten – wie in der heutigen Berichterstattung hat man schon damals nur wenig Gutes festgehalten. Ausnahme ist die Tatsache, dass das heute so kleine Örtchen bereits in einer historischen Siebenbürgen-Karte Eingang fand: von 1595! War es doch nicht ganz so unbedeutend?

Mit dem Jahr 1680 beginnen die ersten Matrikeleintragungen. Von da ab nehmen die Informationen deutlich zu: über das Gemeindeleben, die Organisation in Nachbarschaften, Bruder- und Schwesterschaften, die Schulordnung, aber auch Unerfreuliches wie die Pesttoten und dann die Steuerlisten, in denen Namen, Wirtschaftsverhältnisse und mehr erhalten blieben. Erbteilungen geben Einblick in den Hausstand von damals: Ehestreit und Ehefrieden liegen nahe beieinander. Viele Hebammen der letzten 200 Jahre sind namentlich bekannt, ihre Tätigkeit und Verantwortung werden herausgestellt.

Ein eigenes Kapitel befasst sich mit der evangelischen Kirche und deren Inventar. Doch auch das „Miteinander der Bevölkerungsgruppen Roselns“ kommt nicht zu kurz. Rumänische orthodoxe Pfarrer werden erwähnt und das Zusammenleben von Sachsen, Rumänen und Roma mitten in Siebenbürgen. Die „Wusch“ brachte sie alle nach Schäßburg oder Hermannstadt – aber auch in den Krieg. Die Presbyterialprotokolle dokumentieren die Einrückungen zum I. und II. Weltkrieg, das Bangen um die Eingezogenen, die Nöte der Daheimgebliebenen. Adjuvanten und Organisten begleiten die Höhen und Tiefen der Gemeinde musikalisch.

Unrühmlich beginnen die kommunistischen Jahre mit der Deportation der Sachsen nach Russland, dem Kriminalfall Pfarrer Lutsch, Enteignungen im Schenker Bezirk, Verstaatlichungen von Betrieben, Vereinen und Schulen, Hausbesetzungen, eingeschränkten Bürgerrechten und behördlichen Schikanen. Private Ländereien werden zu Staats- und Kollektivwirtschaften zusammengeschlossen, Handwerker werden zu Farm- oder Fabrikarbeitern.

Ab dem 16. Jahrhundert sind die Pfarrer der Gemeinde belegt, 34 an der Zahl bis 1990 – der Autor ordnet sich unter Nr. 32 ein, mit einer langen Amtszeit von 1964 bis 1977. Das seit 1876 vorhergesagte finis saxoniae sollte er nicht mehr in der Gemeinde erleben. Doch gab es dieses Ende überhaupt? Auch nach 1990 ging es ja weiter: an anderen Orten, mit anderen Nachbarn, aber weiterhin mit sächsischen und evangelischen Wurzeln.

Alle Pfarrer waren Leitfiguren im Gemeindeleben und sorgten sich um weit mehr als nur die Herzensbildung ihrer Schutzbefohlenen. Die Rosler dankten es mit tiefer Verbundenheit im Glauben und unübertroffenem Zusammenhalt in der Gemeinde bis in die heutige Zeit, die die meisten fern der alten Heimat erleben. Und so wandten sie sich auch an einen ihrer Pfarrer, ein Heimatbuch zu erstellen. Mit ihrer ständigen Unterstützung – über viele Jahre hinweg – hat er es nun zu einem guten Ende gebracht.

Für den ersten Teil hat er „Daten und Fakten“ in alten Archiven und Sammlungen aufgestöbert (wie oben berichtet), im zweiten Teil des Buches kommen die Landsleute selbst zu Wort. In ihren „Erinnerungen und Gedanken“ beschreiben sie, was sie noch selbst erfahren haben, gelebte Gemeinschaft in einem kleinen Ort in Siebenbürgen, der stellvertretend für viele andere stehen könnte: das Dorfleben vor dem Zweiten Weltkrieg mit Vereinen, Stiftungen und Gesellschaften, während des Krieges und was danach kam, die Pfarrersuche und der Tätigkeitswandel in kommunistischer Zeit, von alten Handwerken und der Hanfbearbeitung, Gedanken der Fortgezogenen und auch Traditionelles wie Mundart, Handarbeit, das Rosler Lied.

Schließlich der Anhang: mit rund 100 Seiten eine treffliche Ergänzung des bereits Beschriebenen. In minutiöser Feinarbeit hat der Autor die noch verfügbaren Teile des ältesten Kirchenrechnungsbuches wortgetreu erfasst. Unzählige Daten hat er in Tabellen geordnet und so eine Chronologie der Ereignisse erstellt, Höfe samt Eigentümern, Riednamen, Bevölkerungsentwicklung, Eingezogene und Deportierte, Pfarrer, Lehrer, Bürgermeister und Notäre aufgelistet. Ein umfangreiches Register, getrennt nach Personen, Pfarrern, Ortsnamen und Sachregister, rundet das über 600-seitige Kompendium ab. Eine großformatige Hattertkarte ergänzt die fast 400 Abbildungen, davon 218 auf Farbtafeln, die nahezu jeden Bereich der Dorfgeschichte abdecken.

Man hätte das Buch sicher an vielen Stellen kürzen können, nicht alle Urkunden wären zwingend nötig gewesen, aber gerade ihre Wiedergabe macht den besonderen Reiz aus, denn man liest in der Sprache der Ahnen, was sie damals bewegt hat. Oft ist uns das heute nur ein Schmunzeln wert, aber in einigen Bereichen könnten wir von ihnen lernen.

Im Herbst 2010 erscheint diese liebevoll zusammengestellte Dokumentation des Rosler Dorf- und Gemeinschaftslebens in kleiner Auflage. Empfehlenswert ist das Heimatbuch durchaus auch für Landsleute aus anderen Orten – wegen seiner ortsübergreifenden Darstellungen der gemeinsamen Feste und Nöte, des evangelischen Schul- und Kirchenlebens und schließlich auch wegen der plastischen Schilderungen des Alltagslebens vor und unter kommunistischer Ägide, das in allen siebenbürgischen Orten ganz ähnlich gewesen sein dürfte.

Carmen Kraus

Christian Weiss: „Roseln mitten in Siebenbürgen. Ein Heimatbuch von den Anfängen bis 1990“, Messel, Heidelberg 2010. 544 Seiten und 64 Farbtafeln, 175 Schwarzweiß- und 218 Farb­abbildungen, 1 Karte DIN A3, Leineneinband mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-929848-82-3. Das Buch kann ab Oktober für 36,39 Euro über den Buchhandel bestellt werden oder ab sofort direkt bei Thomas Albrich, Breslauer Straße 28, 74372 Sersheim, Telefon: (0 70 42) 3 23 25, E-Mail: Thomas.Albrich[ät]t-online.de. Vorbestel­lungen bis zum 11. September für nur 25,48 Euro pro Buch.
Christian Weiss
Roseln mitten in Siebenbürgen: Ein Heimatbuch von den Anfängen bis 1990

Arbeitskreis f. Siebenbürgische Landeskde
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Schlagwörter: Rezension, Heimatbuch, Roseln

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