7. Januar 2011

Wirtschaft nach deutschen Standards

Unter den deutschen Investorenverbänden in Rumänien ist der vor vier Jahren gegründete Deutsche Wirtschaftsklub Kronstadt (DWK) verhältnismäßig jung. Die Öffentlichkeit blickt zunehmend auf den Klub, der in den vergangenen Monaten verstärkt in Erscheinung getreten ist. Der Nachfolger des Gründungsvorsitzenden Dipl.-Ing. Dipl.-Betriebswirt Lothar Mahl ist seit Dezember 2008 Dipl.-Ing. Werner Braun, mit dem Christine Chiriac das folgende Interview führte.
Zur Person:

Dipl.-Ing. Werner Braun, ein gebürtiger Temeswarer, wohnte bis zu seinem 21. Lebensjahr und seiner Aussiedlung nach Deutschland in Kronstadt, wo er das Honterus-Gymnasium besuchte. Hier studierte er Maschinenbau, dann Mikrosystemtechnik in Deutschland und Nachrichtentechnik in England. Braun war bei Unternehmen wie IBM, NEC, Toshiba beschäftigt, ehe er sich selbständig machte und eine Firma gründete, die auch in Rumänien CAD-Dienstleistungen nach den Standards der deutschen Automobilindustrie erbringt. Caditec GmbH & Co. KG arbeitet für die deutsche Automobilindustrie sowie für den Luft- und Raumfahrtbereich und besitzt Büros in München, Hamburg, Kronstadt und Mediasch. Der DWK ist Braun zufolge schnell gewachsen, zählt heute rund neunzig Mitglieder aus unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen, trägt zum Wohlstand Kronstadts bei und hat noch vieles vor.

Werner Braun ist seit 2006 Vorstandsvorsitzender ...
Werner Braun ist seit 2006 Vorstandsvorsitzender des DWK. Foto: Christine Chiriac
Herr Braun, welche Hauptziele verfolgt der DWK?
Das Allerwichtigste für uns ist es, das Wirtschaftsumfeld hier im Kreis Kronstadt für deutsche Firmen zu verbessern.

Mit welchen Schwierigkeiten haben deutsche Firmen in Rumänien zu kämpfen?
Viele Firmen leiden erstens an Personalmangel im Facharbeiterbereich; zweitens fehlt ihnen ein hochwertiges Lieferantennetzwerk. Gerade hier versucht der Klub, die Unternehmen zu unterstützten. Bedingung ist, dass die Mitglieder aktiv teilnehmen und ihre Probleme kundtun. Sicher, es gibt hier Bürokratie, es gibt Korruption, aber das gibt es mehr oder weniger überall. Ich finde es sehr positiv, dass man sich als Klub artikulieren kann, dort wo es Schwierigkeiten gibt, und dass die Firmen nicht allein auf fünf, sechs Fronten für ihr Recht kämpfen müssen. Einen wichtigen Beitrag leistet der DWK auch durch das gute Verhältnis zu den lokalen Behörden, zum Bürgermeisteramt, Kreisrat und Arbeitsamt und nicht zuletzt zum deutschen Generalkonsulat in Hermannstadt. Generalkonsul Gerlach hat uns schon immer unterstützt und wir schätzen es sehr, dass er einverstanden war, unser Ehrenvorsitzender zu werden.

Bekennt der Wirtschaftsklub politisch Farbe?
Nein, wir sind neutral. Sicher gibt es das eine oder andere Mitglied, das politisch aktiv ist. Dagegen haben wir nichts, nur im Namen des DWK wird keine Politik gemacht. Wir machen Projekte, die für die Stadt und für unsere Firmen gut sind, und definitiv keine Politik.

Wie viele deutsche Firmen gibt es in Kronstadt?
Vor ein paar Monaten habe ich die Information bei der Handelskammer erfragt. Für den Kreis Kronstadt wurde mir eine Zahl von 800 Firmen mit deutschem Kapital bestätigt.

Dürfen auch nichtdeutsche Firmen im DWK Mitglied werden?
Die Satzung sagt, dass es Firmen mit deutschem Kapital sein sollten, deutsche Staatsbürger oder Personen deutscher Abstammung, dass ein starker Bezug zur deutschen Wirtschaft, zu Deutschland, zum Deutschtum erkennbar sein soll. Wenn es sich um eine Firma handelt, die diese Voraussetzungen nicht erfüllt, dann entscheidet der Vorstand im Einzelfall anhand einer Begründung des Antragstellers. Die Sprache des Klubs ist Deutsch, also wäre es schwierig für diejenigen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind.
Ein Treffen der Industrie-AG in den ...
Ein Treffen der Industrie-AG in den Räumlichkeiten des Unternehmens Schaeffler Romania in Neustadt bei Kronstadt. Foto: Christine Chiriac
Welches sind konkret die Erfolge der DWK-Arbeitsgruppen in den vergangenen Monaten?
Ich würde mit „Fit for Future“ anfangen, einem Projekt der Ausbildungs-AG. Die Idee dazu hatte der DWK gemeinsam mit dem Deutschen Forum: Es sollte den Kronstädter Gymnasiasten die Möglichkeit gegeben werden, ihren Traumberuf für eine Woche auszuleben, bevor sie sich für ihre berufliche Laufbahn entscheiden. Zwölf Firmen aus dem Klub haben Praktikumsplätze ausgeschrieben, die Gymnasiasten – Schüler der Honterusschule - haben sich beworben und eine Woche lang im Unternehmen gearbeitet. Zum Schluss haben sie ihre Erfahrungen vor den Firmenvertretern, den Lehrern und den Mitschülern präsentiert. Die Veranstaltung war sowohl für die Jugendlichen beeindruckend, als auch für die Geschäftsführer der jeweiligen Firmen, die vom ehrlichen und direkten Feedback der Schüler gewiss erstaunt waren. Wir werden das Projekt nächstes Jahr weiterführen, denn wir informieren somit die Jugend, dass es außer Manager, Arzt oder Anwalt noch viele interessante Berufe gibt, dass in vielen Firmen in Rumänien hochmoderne Arbeitsplätze vorhanden sind, wo man mittlerweile unter sehr guten Arbeitsbedingungen kreative Arbeit leisten kann und dabei gut verdient. In diesem Sinne haben wir die ersten Schritte getan, um in Kronstadt ein duales Fachausbildungszentrum nach deutschem Modell zu gründen. Es kann und muss nicht jeder studieren. Jeder sollte aber die Chance haben, einen zukunftsträchtigen Beruf zu erlernen. Durch dieses Ausbildungszentrum wollen wir dem akuten Fachkräftemangel entgegenwirken. Gemeinsam mit der IHK München, dem Schulinspektorat des Kreises Kronstadt und dem nationalen Bildungsministerium wollen wir versuchen, das Ausbildungszentrum in den gesetzlichen Rahmen einzubinden, damit die Absolventen ein anerkanntes Zeugnis erhalten. Mit der Zeit soll hier auch Weiterbildung für die Firmenmitarbeiter angeboten werden.

Können Sie weitere Erfolgsbeispiele nennen?
Die Tourismus-AG des DWK hat schon 2009 mit einem sehr gut organisierten und erfolgreichen Oktoberfest überrascht und hat 2010 mit 67 000 Besuchern alle Rekorde gebrochen. Wenn man sich die Presse ansieht, gibt es meines Wissens zur zweiten Auflage nur äußerst positive Berichte. Die Tourismusgruppe hat Anfang 2010 ein Komplettkonzept zur Förderung der Tourismusregion Kronstadt präsentiert und in diesem Rahmen mehrere Veranstaltungen organisiert, wie die Ritterfestspiele im Spätsommer in Fogarasch, Kronstadt, Törzburg und Rosenau. Davon war Fogarasch mit 60 000 Zuschauern beeindruckend. Mit Unterstützung der Stadt Nürnberg gab es 2009 auch einen gelungenen Christkindlesmarkt in Kronstadt.
Die Industrie-AG ist ein Verbund von Firmen, die im Bereich Maschinenbau und Elektrotechnik arbeiten. Wir wollen ein Lieferantennetzwerk aufbauen, um zuverlässige Lieferanten aus dem Ausland anzuziehen, aber auch die hiesigen Lieferanten entsprechend zu „erziehen“. Zudem wollen wir gemeinsam an internationalen Fachmessen teilnehmen. Ein gelungener Versuch war der Gemeinschaftsstand auf der Audi-Messe. Er zeigte, dass gerade in diesen Zeiten ein gemeinsamer Auftritt sinnvoll, kostengünstig und für den Messebesucher attraktiv ist. Anfang nächsten Jahres wollen wir innerhalb des Klubs auch eine One-to-One Business Bonding-Konferenz organisieren.

Mit welchen Argumenten kann ein deutscher Investor für Kronstadt gewonnen werden?
Ein Investor findet in Kronstadt - viel mehr als in anderen Städten - ausgebildetes Personal, eine Industrie-Infrastruktur, ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Für Investitionen auf lange Sicht ist die Schönheit der Gegend ebenfalls ein Argument. Die Leute würden nur ungern diesen Ort verlassen. Zudem wollen die Investoren „ein Startpaket“ bekommen, wenn sie ins Ausland gehen. Dabei kann ihnen der DWK Vertrauen geben, wir verfügen über Erfahrung hier vor Ort.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Wirtschaft, Wirtschaftsclub, Kronstadt

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