29. September 2023

Ein Ausbund an Eloquenz, Esprit und Elan: Georg Aescht zum Siebzigsten

„Wo die Hunde in drei Sprachen bellen“ bezeichnet nicht nur den Roman von Ioana Pârvulescu, den er ins Deutsche übertragen hat, sondern auch die Gefilde seiner eigenen Herkunft: Georg Aescht kam am 28. September 1953 in Zeiden im Burzenland auf die Welt, wo ihn von Geburt an deutsche, rumänische und ungarische Laute umschwirrten – allerdings nicht als Kläffen, vielmehr als Kommunikationsmittel siebenbürgischer Ethnien. Kein Wunder also, dass der sprachversierte Bücherfreund schon während seines Philologie-Studiums an der Klausenburger Universität, das er 1976 abschloss, als Vermittler zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Literaturen des Landes tätig zu werden begann.
„Den Text neu schreiben in einer anderen ...
„Den Text neu schreiben in einer anderen Sprache“: Übersetzer und Publizist Georg Aescht beantwortet im November 2018 dem Münchner Publikum Fragen zu Rebreanus Roman „Der Wald der Gehenkten“ (diese Zeitung berichtete). Foto: Konrad Klein
Das Übersetzen entwickelte sich für Georg Aescht zum Herzensanliegen, dem er sich vor allem nach seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1984 in zunehmendem Maße widmete – neben seinen vielfältigen Verpflichtungen als Redakteur (Kulturpolitische Korrespondenz, Der gemeinsame Weg, Spiegelungen), als Literaturkritiker und Herausgeber, als Publizist und Moderator sowie nicht zuletzt als Vorsitzender der Jury des Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturpreises, der als höchste Auszeichnung der Siebenbürger Sachsen jährlich vergeben wird. Ein gigantisch zu nennendes Arbeitspensum also, das höchsten Respekt abnötigt und das Georg Aescht stets mit Hingabe, gewürzt mit seinem typischen Humor, anzupacken und zu bewältigen wusste. Neben dem leider vor einem knappen Jahr verstorbenen Gerhardt Csejka und Ernest Wichner zählt Georg Aescht mittlerweile zu den drei wichtigsten und besten Übersetzern rumänischer Literatur. Die Liste seiner Übertragungen ist so lang, dass hier aus Platzgründen die Gedichtbände nicht erwähnt, sondern nur einige Prosawerke bedeutender Autoren als Beispiele herausgegriffen werden können: „Zenobia“ von Gellu Naum (1990), „Fliegen unterm Glas“ von Alexandru Papilian (1992), „Die vermauerten Fenster“ von Alexandru Vona (1997), „Der Unfall“ von Mihail Sebastian (2003), „Die Rückkehr des Hooligan“ und „Die Höhle“ von Norman Manea (2004 und 2012), „Kleine Finger“ und „Alle Eulen“ von Filip Florian (2008 und 2016) „Der gleiche Weg an jedem Tag“ und „Begegnung“ von Gabriela Adameșteanu (2013 und 2018) sowie „Der Wald der Gehenkten“ von Liviu Rebreanu (2018), dessen deutsche Übertragung für den Preis der Leipziger Buchmesse 2019 nominiert wurde. Zuletzt ist in diesem Jahr Nicolae Brebans Roman „Frohe Botschaft“ als Ausgabe in zwei Bänden im Pop Verlag Ludwigsburg erschienen.

Zu den Mühen, mit denen Übersetzer sich herumschlagen müssen, merkte Georg Aescht im Gespräch mit Doris Roth für die Siebenbürgische Zeitung, Folge 4 vom 15. März 2018, Seite 7 (siehe auch SbZ Online vom 12. März 2018) an: „Wenn man das Privileg hat, mit zwei Sprachen aufzuwachsen, und Gefallen daran findet, kann man daraus so etwas wie eine Tugend machen. Angeregt und gefördert dabei haben mich einst in Klausenburg meine tugendhaften und noch jungen Altvorderen Franz Hodjak, Bernd Kolf, Peter Motzan und Werner Söllner. In Deutschland ward dann aus all der Tugend hin und wieder eher eine Not, nicht zuletzt, weil man deutschsprachigen Verlagen mit seinen blauäugig-treuherzigen Angeboten aus dem Rumänischen als Bittsteller gegenübertritt und mehr denn alles andere dieses eine lernt: Demut. Wird man dann aber erhört, so steht man unvermittelt unter Termindruck“ – ironisch auf den Punkt gebracht: „Die Übersetzerei war im letzten Halbjahr Akkordarbeit, wie sie sich wohl kein sozialistischer Brigadier hätte einfallen lassen.“ Dessen ungeachtet lautete sein Fazit: „Doch für all diese Beschwernisse wird man entschädigt durch das – wenn auch nur sporadische – Empfinden, jemandem zur deutschen Sprache verholfen zu haben, der das auf Rumänisch verdient hat. Dazu hat man stets mit Leuten zu tun, mit denen einen mehr verbindet als das gemeinsame Herkunftsland. Zumindest will ich nicht aufhören, daran zu glauben.“
Georg Aescht (r.) bei der Eröffnungsfeier der ...
Georg Aescht (r.) bei der Eröffnungsfeier der neuen Gemäldegalerie des Siebenbürgischen Museums im August dieses Jahres auf Schloss Horneck. Links der Direktor des Brukenthalmuseums Dr. Alexandru Chituţă. Foto: Konrad Klein
Wir wünschen Georg Aescht den nötigen unverdrossenen Elan, um weiterhin mit Eloquenz und Esprit als Advocatus Diaboli – nämlich als Fürsprecher der hierzulande von hartnäckigen Vorurteilen vernebelten, weil so vielschichtigen und verwirrenden südosteuropäischen Lebenswelten – das Disparate zusammenzubringen, damit zumindest zwischen Buchdeckeln die Hunde munter „in drei Sprachen bellen“ und lesehungrige Menschen sich auch künftig an köstlichem literarischem Futter laben können.

Edith Konradt

Schlagwörter: Kultur, Literaturkritiker, Übersetzer, Aescht, Zeiden

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