1. Oktober 2023

Eine herausragende Persönlichkeit: Nachruf auf den Germanisten Prof. Dr. George Guţu (1944-2023)

Der Gründer und langjähriger Präsident der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens, Professor Dr. George Guţu, ist am 3. September 2023 verstorben. Durch seine Lehre und Forschung sowie durch sein organisatorisches Talent hat sich George Guţu als eine herausragende Persönlichkeit der rumänischen Germanistik etabliert. Sein unermüdlicher Einsatz für den Aufbau des Faches nach der politischen Wende in Rumänien hat sich in der Gründung von Einrichtungen niedergeschlagen, die von der germanistischen Landschaft Rumäniens nicht mehr wegzudenken sind.
Bereits 1990 knüpfte er an die Zwischenkriegstradition an und belebte die Gesellschaft der Germanisten Rumäniens wieder, die 1992 auch ein eigenes Publikationsorgan, die Zeitschrift der Germanisten Rumäniens, bekam. Professor Guţu leitete diese Publikation jahrelang als Chefredakteur.

1994 rief er nach einer historisch bedingten Unterbrechung von 62 Jahren die Kongresse der Gesellschaft der Germanisten Rumäniens wieder ins Leben. Dieses von Professor Guţu initiierte fachliche und organisatorische Konzept hat alle darauffolgenden Germanistenkongresse geprägt, die inzwischen international anerkannte Großveranstaltungen sind. Sein Engagement für die deutsch-rumänischen Kulturbeziehungen fand seinen Höhepunkt in der Gründung der Goethe-Gesellschaft in Rumänien (1998) und der von ihm betreuten neuen rumänischen Goethe-Ausgabe.

Der wissenschaftliche Werdegang George Guţus stand von Anfang an im Zeichen der Kulturvermittlung und des Kulturtransfers. Geboren wurde er am 16. März 1944 in der Donaustadt Galatz, wo er sich bereits als Schüler für die deutsche Sprache und Kultur interessierte. Ein Stipendium bot ihm die Möglichkeit eines Germanistik-Studiums an der Universität Leipzig, das er 1969 erfolgreich abschloss und wo er 1977 mit einer Arbeit über Paul Celan auch promovierte. Seine bahnbrechende Studie über die rumänischen Einflüsse in der Lyrik Paul Celans etablierte ihn zu einem der renommiertesten Celan-Experten. Die Erforschung der rumäniendeutschen Literatur, insbesondere der deutschsprachigen Literatur der Bukowina, gehörte zu Guţus primären Forschungsinteressen. Besondere Verdienste im Sinne der Kulturvermittlung hat er sich durch seine Übersetzertätigkeit erworben: Mit viel Sprachgefühl hat er ein breites Spektrum an literarischen Texten ins Rumänische übertragen – von Hermann Hesses „Steppenwolf“ über Romane von Hans Bergel und Reiseberichte von Erzbischof Raymund Netzhammer bis hin zur Lyrik von Rose Ausländer. Auch über seine eigene wissenschaftliche Publikationstätigkeit hinaus – die Monographien, Unterrichtswerke, zahlreiche Aufsätze sowie die Herausgabe bisher nicht veröffentlichter Manuskripte umfasst – hat Prof. Dr. George Guţu als Doktorvater viele Nachwuchswissenschaftler gefördert und in ihrer Begeisterung für die rumäniendeutsche Literatur bestärkt und unterstützt. Seine akribische Auseinandersetzung mit Archivmaterialien, sein Ideenreichtum und sein enormer Leistungswille haben viele jüngere Kollegen und Kolleginnen inspiriert.

Als Leiter des Departements für germanische Sprachen und Literaturen an der Universität Bukarest (1997-2014) hat sich George Guţu stets um eine Vernetzung der rumänischen Germanistik mit internationalen Forschungseinrichtungen und Hochschulen bemüht. Die von ihm gegründete und herausgegebene Buchreihe „GGR-Beiträge zur Germanistik“, die Zusammenarbeit der GGR mit dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas (IKGS) an der Ludwig-Maximilians-Universität München, dessen Gründungsmitglied er war, die zahlreichen von ihm geleiteten Forschungsprojekte, die den rumänischen Germanisten einen regen Gedankenaustausch mit ausländischen KollegInnen ermöglichten, haben zur Etablierung der rumänischen Germanistik als Auslandsgermanistik von internationalem Rang beigetragen. Durch seine Lehrtätigkeit an ausländischen Universitäten, als Gastprofessor in Frankfurt an der Oder, Trier und Rom, machte George Guţu Forschungsergebnisse zu rumäniendeutschen und südosteuropäischen Themen in internationalen Fachkreisen bekannt.

Die vielseitige wissenschaftliche und organisatorische Tätigkeit von Professor Guţu fand ihre wohl verdiente Anerkennung in Auszeichnungen wie dem Diplom „Virtute et sapientia“ der Universität Bukarest (2006), dem Kulturverdienstorden im Ritterrang (verliehen vom rumänischen Präsidenten 2011) und dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (2012).

Durch die Einrichtungen und Publikationen, die auf sein Betreiben ins Leben gerufen wurden, aber vor allem durch sein vorbildhaftes Engagement, seine Weltoffenheit und menschliche Wärme hat George Guţus Persönlichkeit die rumänische Germanistik der letzten drei Jahrzehnte maßgeblich geprägt.

Die Gesellschaft der Germanisten Rumäniens trauert nicht nur um ihren Gründer und langjährigen Unterstützer, sondern auch um ein großes Vorbild für die nachfolgenden Generationen der rumänischen Germanisten. Wir werden sein Andenken in Ehren halten und sein Vermächtnis weiter pflegen.

Maria Irod

(Hermannstädter Zeitung vom 8. September 2023)

Schlagwörter: Kultur, Germanistik, Nachruf, Bukarest

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