12. Januar 2024

„Ich hatte das Glück, in den Bergen geboren zu werden“: Annemarie Schiel, Bergsteigerin, Fotografin, Buchautorin, Vortragende, Förderin siebenbürgischer Institutionen, ist von uns gegangen

Drei Monate nach ihrem 99. Geburtstag ist Annemarie Schiel am 10. Dezember 2023 im Siebenbürgerheim in Rimsting am Chiemsee verstorben. Mit ihr verlieren wir eine bedeutende Siebenbürger Sächsin, eine außergewöhnliche Frau, deren Liebe gleichermaßen den Bergen und Siebenbürgen galt.
Annemarie Schiel an ihrem 95. Geburtstag. Foto: ...
Annemarie Schiel an ihrem 95. Geburtstag. Foto: Aline Karon
Annemarie Schiel wurde am 29. September 1924 in Bușteni geboren, wo ihr Großvater zwischen dem waldreichen Butschetsch (Bucegi)-Gebirge und der wasserreichen Prahova, an der Sammelstelle der „bușteani“ (Bușteni), die Schielische Papierfabrik gegründet hatte. Als fast Siebenjährige durfte sie mit ihrem Vater, genauso wie ihre fünf Brüder, ihren ersten 2000er, die Buștener Hausberge Jepii, begeistert besteigen. Sie beschloss, Sportwissenschaften zu studieren, und unterrichtete danach in Reschitza. Als die Familie Schiel im August 1944 praktisch über Nacht aus Bușteni flüchten musste, war sie nicht erreichbar und blieb als einzige allein zurück. Ihre gute Kenntnis der Berge, Freunde und Verwandte halfen ihr, sich die nächsten Jahre zu verstecken und zu überleben.

Nach drei Jahren konnte sie wieder arbeiten und wurde als hervorragende Speerwerferin sogar in die Nationalmannschaft aufgenommen. Erst 1950 gelang ihr die Ausreise nach Deutschland zu ihrer Familie, wo sie sich in München niederließ und, traditionsgemäß, in einer Papierfabrik arbeitete. In ihrer Freizeit bestieg sie als leidenschaftliche Alpinistin die Berge der Welt. Sie war stolz, auf sechs Kontinenten Berge bestiegen zu haben, darunter zwölf Fünftausender. 1991 nahm sie sogar an einer Expedition in die Antarktis teil und natürlich war auch eine Bergbesteigung dabei. Auch die Welt der Karpaten, und vor allem die Bucegi, beging sie nach der Wende wieder ein paar Mal.

Neben den alpinen Touren interessierte sie sich für die Kultur der fremden Gegenden, Menschen, Natur, Blumen und Tiere und brachte als leidenschaftliche Fotografin unzählige wunderbare Bilder und Dias mit. In zahlreichen lebendigen Diavorträgen, die sie in ihrer bescheidenen, zurückhaltenden und liebenswerten Art hielt, bereicherte sie unzählige siebenbürgische Veranstaltungen und Tagungen, sei es die Tagungen des Frauen- und Kulturreferats, der Kreisgruppen, die Tagungen der Sektion Naturwissenschaften des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde oder im Seniorenheim Rimsting, wo sie die Bewohner und Gäste monatlich auf eine Reise mitnahm.

Annemarie Schiel, aufgenommen im Juli 2018 im ...
Annemarie Schiel, aufgenommen im Juli 2018 im Siebenbürgerheim Rimsting. Foto: Konrad Klein
Besonders wichtig waren ihr siebenbürgische Themen. 1990 verfasste sie als Autorin, zusammen mit Ortrun Scola das Buch: „Siebenbürgisch-sächsische Frauengestalten – ihr Leben und Wirken“. In Zusammenarbeit mit Ortrun Scola und Gerda Bretz-Schwarzenbacher veröffentlichten sie 1987 das klassische Standardwerk zu der „Festtracht der Siebenbürger Sachsen“. Ihr eigenes Buch, „Die Berge der Welt“, erschien 1976.

Annemarie Schiel war Mitglied in zahlreichen siebenbürgischen Institutionen. Der Kreisgruppe München gehörte sie seit 1950 an, sie war Gründungsmitglied der Sektion Karpaten des Alpenvereins, sie war Mitglied des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) sowie der Fördervereine des Siebenbürgischen Museums und der Siebenbürgischen Bibliothek, um nur einige zu nennen.

Mit der größten, ruhigen, unaufgeregten Selbstverständlichkeit setzte sie sich für Familie und Freunde ein, wenn Hilfe nötig war. Mit Annemarie Schiel verlieren wir eine überaus wissensreiche, lebendige Chronistin der letzten 100 Jahre siebenbürgischer Geschichte. Sie wird uns fehlen, und wir werden ihr stets ein ehrendes Andenken bewahren.

Ute von Hochmeister-Lamm

Passionierte Alpinistin

In stiller Trauer nehmen wir Abschied von Annemarie Schiel, unserem langjährigen Mitglied, einer passionierten Alpinistin, Gründungs- und Ehrenmitglied der Sektion Karpaten des Deutschen Alpenvereins (DAV), die am 10. Dezember 2023 im Alter von 99 Jahren in Rimsting verstorben ist.

Annemarie war eine außergewöhnliche Frau mit einem spannenden Lebenslauf. Schon als Kind entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Bergsteigen und das Fotografieren. Insgesamt gelang ihr die Besteigung von 182 Dreitausendern, 37 Viertausendern und zwölf Fünftausendern. In vielen Vorträgen nahm sie ihre Zuschauer mit in die Welt der Berge.

Ihre Kindheit verbrachte sie mit ihren fünf Brüdern in Bușteni. Ab 1947 war sie sogar in der Leichtathletik-Nationalmannschaft Rumäniens, bis sie 1950 das Land verließ. In Deutschland arbeitete sie in einer Papierfabrik im Lohnbüro. Es war ein Broterwerb, aber nicht ihr Traumjob.

Im letzten Gespräch mit ihr im Sommer 2023 verriet sie mir stolz, dass sie insgesamt 85 Jahre in den Bergen unterwegs war – von 6 bis 91 (Interview in der SbZ Online).

Bescheiden wie sie war, trat sie nie groß in die Öffentlichkeit, nahm aber aktiv am Vereinsleben teil.

Wir sagen Danke, lebe wohl Annemarie!

Hans Werner, Vorsitzender der Sektion Karpaten des DAV

Schlagwörter: Porträt, Nachruf, Schiel, DAV

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  • 13.01.2024, 19:54 Uhr von Konrad Klein: Eine kleine Präzisierung am Rande: Von 1985-2015 (Umzug nach Rimsting) lebte Annemarie Schiel in ... [weiter]

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