20. August 2003

Ernst Theis

Einen siebenbürgischen Dirigenten möchte man Ernst Theis nicht nennen: Er ist in Oberösterreich geboren, hat in Wien und Darmstadt studiert und ist inzwischen so ziemlich überall in Europa aufgetreten. In Preßburg ist er Dauergast bei der Slowakischen Philharmonie, und ab kommenden Herbst ist er Chefdirigent an der traditionsreichen Dresdner Staatsoperette: Nun ist er irgendwie auch Deutscher.
Siebenbürgen aber ist für Ernst Theis nicht nur das Land seiner Eltern, die als bodenständige Bauern 1945 aus der Nähe von Bistritz nach Oberösterreich flüchten mussten und damit alles verloren. In Sierning ist er groß geworden mit siebenbürgisch-sächsischer Kultur, oder doch zumindest mit demjenigen Teil davon, der in der neuen Heimat weiter gepflegt wurde. Theis wuchs auf mit Hausgemeinschaften, die den Auswanderern Geborgenheit gaben in der Fremde, mit dem Dialekt seiner Eltern, mit Tanzbällen und Trachtenumzügen. "Da fühlte ich mich wohl", betont er, "das war Teil meiner Freizeit, warum sollte ich diese Kultur ablehnen?"

Ernst Theis, Jahrgang 1961, hat einen bemerkenswerten Weg hinter sich: Als Kind lernte er Trompete in der Blasmusik, spielte in Bands. Wie er eigentlich dazu gekommen ist, kann er nicht sagen. Nur soviel: "Meine Eltern erkannten meine musikalische Begabung, zum Glück." Was folgte: Studium in Dirigieren, Schlagwerk, Komposition und Trompete an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Wien, immer intensivere Arbeit mit verschiedenen Orchestern, etwa den Österreichischen Kammersinfonikern, später Tourneen und Auftritte bis nach St. Petersburg.

1996 war er Dirigierpreisträger im Rahmen des internationalen Ferienkurses für neue Musik in Darmstadt unter der Leitung von Peter Eötvös. Und positionierte sich spätestens damit (aber auch durch Auftritte bei Festivals wie Wien Modern) als ausgewiesener Spezialist für zeitgenössische Kompositionen. Daneben pflegte er ein breites Repertoire, spielte mit dem italienischen Pianisten Massimi Palumbo (viel beachtet) erstmals alle Haydn-Klavierkonzerte ein, gab auch Konzerte mit Werken des Filmmusikkomponisten Michael Nyman und war für einige Zeit Kapellmeister (jetzt Gastdirigent) der Wiener Volksoper - deren Profil demjenigen der Dresdner Staatsoperette nicht unähnlich ist.

Trotz einer Vorliebe für die Moderne ist Ernst Theis also durchaus mit Operetten und Musicals vertraut, seinem künftigen Täglich Brot in Dresden. Respekt vor der schon lange totgesagten und nicht selten plüschigen Operette hat er allemal: "Mein tut ihr keinen Gefallen", glaubt er, "wenn man sie im Lichte des Regietheaters total umkrempelt. Es gibt da nur wenig Platz für Umdeutungen." Subtiler Witz und Charme - das entspricht eher seinen Vorstellungen. Gleichwohl geht er mit einer Mischung aus Pragmatismus und Enthusiasmus nach Elbflorenz. Denn einerseits bekennt er freimütig, "dass man sich heutzutage die Chefdirigenten-Posten nicht aussuchen kann". Andererseits ist die Staatsoperette ein Haus mit Tradition - das Einzige seiner Art in Deutschland. Noch vor einem Jahr schien seine Schließung angesichts der prekären Finanzlage der Stadt Dresden sicher, doch inzwischen ist das Thema vom Tisch - und Ernst Theis darf mit Recht hoffen, das Haus in eine neue Zukunft führen zu können.

Das Repertoire möchte er behutsam erweitern, unbekannte Operetten und Musicals häufiger aufs Programm setzen. Und er kann sich vorstellen, "dass wir auch mal einen Mozart, eine Carmen machen". Den amerikanischen Kurt Weill will er für Dresden entdecken. Im Jahr 2005/2006 wird die Staatsoperette dann sogar umziehen, mitten ins Herz von Dresden, wohin genau ist noch nicht klar. "Sie soll Teil des Dresdner Tourismus-Konzeptes werden", freut sich Familienvater Theis, der künftig zwischen Sachsen und Wien hin- und herpendeln wird. Und ganz nebenbei ist er noch auf der Suche nach Möglichkeiten, endlich auch in Siebenbürgen zu dirigieren.

Johannes Killyen

Schlagwörter: Porträt, Musik

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