1. November 2003

Klaus Johannis

Mit Klaus Johannis ist nach sechs Jahrzehnten wieder ein Deutscher an die Spitze der Kommunalpolitik in Hermannstadt gerückt. Der Bürgermeister des Munizipiums Hermannstadt und Vorsitzende des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien hat seit Mitte 2000 viele langfristige Projekte an der Stadt am Zibin gestartet. Verbesserungen im Stadtbild und in der Infrastruktur, mehr ausländische Investoren sind nur einige der Erfolge, die Johannis jetzt schon verzeichnen kann. Im Juni 2004 kandidiert er wieder als Stadtoberhaupt. Berührungsängste mit den regierenden Sozialdemokraten (PSD) kennt der Siebenbürger Sachse nicht, wenn es um seine Stadt, die deutsche Minderheit oder den EU-Beitritt Rumäniens geht. Mit Klaus Johannis führte Robert Sonnleitner folgendes E-Mail-Interview.

Herr Johannis, sind Sie ein gebürtiger Hermannstädter? Sind Sie Siebenbürger Sachse?

Ja, ich bin ein Siebenbürger Sachse, geboren am 13. Juni 1959 in Hermannstadt. Hermannstadt ist meine Geburts- und Wahlstadt. Ich habe nie in Erwägung gezogen, in eine andere Stadt oder ein anderes Land zu ziehen, weil Hermannstadt meine Stadt ist.

Als ehemaliger Physiklehrer und Leiter der Schulverwaltung des Kreises Hermannstadt hatten Sie vor Ihrer Wahl zum Bürgermeister Hermannstadts kaum kommunalpolitische Erfahrung. Was hat Sie motiviert, in die Politik zu gehen und Bürgermeister zu werden?

Das Demokratische Forum der Deutschen in Hermannstadt (DFDH) war schon in den ersten Jahren nach dem Umbruch im Stadtrat vertreten. Im Jahr 2000 beschloss das Hermannstädter Forum, einen eigenen Kandidaten für das Bürgermeisteramt ins Rennen zu schicken. Damit zeigte das Forum, dass es sich nicht nur für das Wohl der deutschen Minderheit, sondern auch für die ganze Stadt einsetzen will. Andererseits hatte ich schon als Generalschulinspektor des Kreises Hermannstadt Erfahrung gewonnen, wenn auch nicht in der Politik, aber in der Verwaltung. Vor diesem Hintergrund bat mich das Forum zu kandidieren. Ich wollte etwas für meine Stadt tun und deshalb habe ich diese Herausforderung angenommen, als sich die Gelegenheit bot.

Mit Ihnen ist nach sechs Jahrzehnten wieder ein Deutscher an die Spitze der Kommunalpolitik in Hermannstadt gerückt. Wer war dieser deutsche Vorgänger und welche herausragenden Leistungen für Hermannstadt sind auf ihn zurückzuführen?

Die deutschen Siedler haben in ihrer 850-jährigen Geschichte viele Bürgermeister in Hermannstadt gestellt, in einer Stadt, die von ihnen gegründet wurde. Der letzte deutsche Bürgermeister, Alfred Dörr, war von 1940 bis 1945 im Amt. Die damaligen Zeiten sind aber mit der heutigen kaum vergleichbar. Deshalb würde ich eher die Verdienste der deutschen Gemeinschaft insgesamt in den Vordergrund stellen. Als mich die Mehrheit der Rumänen im Juni 2000 gewählt hat, wurde deutlich, dass die Stadtbewohner großen Respekt vor den Siebenbürger Sachsen haben. Ihre Gemeinschaft wird als Motor einer blühenden Zivilisation betrachtet, die traditionell geistige Werte wie Korrektheit, Zuverlässigkeit, Pragmatismus und Effizienz gefördert hat. Dies verdanken wir unseren Vorfahren, und das ist gar nicht so wenig.

Sie sind nun gut drei Jahre im Amt, mit welchen Projekten bleiben Sie den Hermannstädtern im Langzeit-Gedächtnis?

Drei Projekte haben meiner Meinung nach eine langfristige Wirkung: 1) die Altstadtsanierung, die zurzeit mehrere Baustellen auf dem Großen und Kleinen Ring, der Lügenbrücke, der Sagstiege, der Pempflinger Treppe usw. verursacht; 2) die Modernisierung der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, ein Projekt in Höhe von 40 Millionen Euro, das vom Munizipium Hermannstadt und der EU finanziert wird; 3) die Modernisierung des öffentlichen Verkehrsnetzes, ein Projekt, das 2002 vom Bürgermeisteramt begonnen wurde.

Was für besondere Probleme haben Sie in Hermannstadt?

Hermannstadt hat ein schwerwiegendes Problem mit der Infrastruktur, die im Kommunismus stark vernachlässigt wurde: dem Versorgungsnetz und Verkehrsnetz. Erst in den letzten Jahren wurde damit begonnen, die Infrastruktur wieder aufzubauen.

Welche Aufgaben und Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen?

An zwei Vorhaben hänge ich ganz besonders. Das eine ist die Restaurierung des historischen Stadtkerns. Neben dem bereits erwähnten Bereich, der von der Stadt alleine finanziert wird, gibt es ein Projekt, das die Stadt in Partnerschaft mit der Bundesregierung, vertreten durch die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), durchführt. Das deutsch-rumänische Projekt umfasst Beratungen für öffentliche und private Immobilienbesitzer im Stadtzentrum, die Mitfinanzierung von Restaurierungs- und Sanierungsarbeiten an Gebäuden. Ein zweites Projekt, das mir sehr am Herzen liegt, ist die Modernisierung der Schulen, die vor drei Jahren begonnen wurde. So wurden viele Dächer modernisiert oder neu errichtet sowie ein eigenes Fernwärmesystem für alle Schuleinheiten (Kindergärten, Grundschulen, Lyzeen), die in unserem Verantwortungsbereich liegen, aufgebaut. Damit sind die Schulen unabhängig vom staatlichen Zentralheizsystem. Dafür haben wir in den letzten Jahren mehr Geld eingesetzt als in den 15 Jahren zuvor insgesamt.

Bei den Kommunalwahlen im Juni 2004 kandidieren Sie wieder für das höchste Amt Hermannstadts. Was konnten Sie in der laufenden Amtszeit nicht verwirklichen? Was haben Sie noch vor?

Wegen der veränderlichen Gesetzgebung und des nicht gerade üppigen Haushaltes laufen die größeren Projekte über mehrere Jahre. Deshalb müssten viele Vorhaben, die in diesen Jahren begonnenen wurden, fortgesetzt und zu Ende geführt werden. So ziemlich alle erwähnten Projekte werden fortgesetzt, so dass wir noch viel zu tun haben. Des Weiteren wollen wir die Verwaltung dahingehend neu organisieren, dass der bürokratische Aufwand reduziert und die Bürgerfreundlichkeit erhöht wird.

Welches sind die wichtigsten Maßnahmen um Ihre hochgesteckten Ziele zu erreichen? Welchen Stellenwert hat dabei der EU-Beitritt Rumäniens?

Die wichtigste Maßnahme ist, für die Stadt so weiterzuarbeiten wie bisher. Gemeinsam mit dem Verwaltungsapparat werde ich das Stadtbild, die Infrastruktur und die Ausstattung der Schulen weiter verbessern und die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt fördern. Die Hermannstädter sehen all diese Dinge, und wenn sie ihnen gefallen, werden sie mich wieder wählen. Was den EU-Beitritt Rumäniens betrifft, meine ich, dass dies der einzige normale Entwicklungsweg für Rumänien ist. Sowohl ich als DFDR-Vorsitzender als auch das Forum selbst haben die Bemühungen Rumäniens um die EU-Integration nach Kräften unterstützt, vor allem durch die Brückenfunktion, die wir gegenüber dem deutschsprachigen Raum wahrnehmen.

Kritiker meinen, das Protokoll über eine Zusammenarbeit zwischen dem DFDR und der Regierungspartei PSD war ein Fehler. Was antworten Sie diesen Menschen?

Das Protokoll mit der Sozialdemokratischen Partei (PSD) mag wohl unterschiedlich ausgelegt werden. Eines darf man dabei nicht übersehen: Wir haben dadurch Wichtiges geleistet. Auf lokaler Ebene, in Hermannstadt, wurden einige potentielle Konflikte im Stadtrat entschärft, der seit einem gewissen Zeitpunkt von der PSD dominiert wurde. Diese Konflikte hätten jedwelche konstruktive Tätigkeit in der Stadt lahmgelegt. Ähnliches ist Hermannstadt schon in der Amtsperiode 1996-2000 widerfahren. Eine Reihe von Streitigkeiten und endlose Skandale hatten jedwelche Initiative blockiert. Die Hermannstädter waren es leid, dass sich in ihrer Stadt nichts mehr tut, und deshalb haben sie bei den Kommunalwahlen für etwas anderes gestimmt.
Auf Landesebene hat das Protokoll mit der PSD zu einer besseren Umsetzung der Rechte für die deutsche Minderheit geführt, andererseits hat das Forum die Außenpolitik Rumäniens in Richtung EU und NATO wesentlich unterstützt. Ich meine also, dass das Protokoll positiv ist. Ich war immer davon überzeugt, dass man durch Zusammenarbeit mehr erreichen kann als durch Streit.

Deutschland unterstützt Rumänien auf seinem Weg in die euro-atlantischen Strukturen. Braucht Rumänien Fachleute aus dem Ausland, um die Städte und die Wirtschaft des Landes entwickeln zu können?

Ja, Rumänien braucht Fachleute vor allem in einem grundlegenden Bereich, der alle anderen Gebiete mit einbezieht, und zwar in der Entwicklungsplanung. Wir brauchen Spezialisten, die herkommen, sich ernsthaft auf die hiesige Realität und Gesetzgebung einlassen und gemeinsam mit ihren Kollegen vor Ort nach Lösungen suchen.

Warum ist Hermannstadt ein idealer Wirtschaftsstandort für deutsche Investoren in Südosteuropa?

Die Argumente liegen auf der Hand für jeden Geschäftsmann. Unsere Stadt hat mehrere Vorzüge. Hermannstadt bietet gut ausgebildete Arbeitskräfte zu attraktiven Kosten aus Sicht des Arbeitgebers, zudem spricht ein hoher Anteil der Stadtbewohner Deutsch. Und sehr viele haben die deutschsprachigen Länder besucht und sind mit der dortigen Einstellung zur Arbeit vertraut. Hermannstadt befindet sich an einem Knotenpunkt der diversen Verkehrswege (Straßen, Eisenbahnen, Flugverkehr), ist leicht erreichbar und liegt im Herzen Rumäniens auf dem europäischen Transportkorridor Nr. IV. Zu München haben wir tägliche Flugverbindungen, zu Stuttgart dreimal die Woche. Zudem werden die Investoren vom deutschen Generalkonsulat in Hermannstadt, dem deutschen Wirtschaftsklub in Siebenbürgen und der deutsch-rumänischen Industrie- und Handelskammer unterstützt, die juristische Beratung leisten und bei der Anbahnung von Geschäftskontakten behilflich sind.Hermannstadt hat nicht wenige Erfolgsgeschichten von Investoren zu verzeichnen - angefangen von Billstein Compa, Krupp Compa Federn (Arcuri), Wenglor Sensoric bis hin zu Investoren, die sich erst kürzlich in Hermannstadt niedergelassen haben, wie SNR von der Renault Unternehmensgruppe, Continental Temic, Bramac und andere.

Gibt es konkrete Pläne für den Ausbau des Hermannstädter Flughafens?

Der Internationale Flughafen liegt im Verantwortungsbereich des Kreisrates, nicht des Munizipiums. Laut bisherigen Informationen gibt es Ausbau- und Modernisierungspläne für den Flughafen und es werden Verhandlungen zu deren Finanzierung geführt.

Was versprechen Sie sich von der Städtepartnerschaft mit Landshut?

Die Partnerschaft mit Landshut ist lebensfähig und lebendig, ohne dass die Behörden eingreifen müssten. Ein ständiger Austausch findet zwischen Krankenhäusern, Ärzten, Schulen, Sportvereinen, Polizistebn, Künstlern statt. Anfang Oktober waren Stadträte aus Landshut bei uns zu Gast, und die "Landshuter Hofkapelle" bot zwei Konzerte in Hermannstadt. Fast jeden Monat ist etwas los, in beiden Richtungen, was für viele unserer Institutionen eine wichtige Vorbereitung für den EU-Beitritt bedeutet.

Vielen Dank für das Gespräch.

Link: Link: www.klausjohannis.com

Schlagwörter: Johannis, Forum, Hermannstadt

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