14. Dezember 2008
Kurt Mild - einer der herausragendsten und bedeutendsten Musiker Siebenbürgens
Am 19. November ist einer der herausragendsten und bedeutendsten Musiker Siebenbürgens, der in Siebenbürgen und Rumänien nicht nur in Fachkreisen bekannte, hochgeschätzte und verehrte Organist, Cembalist, Chorleiter und Dirigent Kurt Mild in einem Pflegeheim in Holle im Alter von fast 95 Jahren gestorben.
Er war 1970 als Sechsundfünfzigjähriger aus Klausenburg (Siebenbürgen) nach Deutschland ausgesiedelt und konnte in Koblenz noch etwa 17 Jahre lang eine ersprießliche Tätigkeit als Opernchorleiter, Kirchenchorleiter und Organist entfalten. Seit 1984 im Ruhestand, zog er sich nach Hillscheid zurück, konzertierte noch eine Zeit lang mit seiner Kantorei in Koblenz-Lay und widmete sich musikwissenschaftlich dem Werk Johann Sebastian Bachs. Nur 1989 übernahm er noch ein Gastdirigat in Las Vegas, wo er ein Konzert der Youth Camerata leitete, und 1991, ein Jahr nach der politischen Wende in Rumänien – bis dahin waren sein Name, seine siebenbürgische Wirkungsgeschichte und seine Tonaufnahmen wegen seiner Auswanderung in dem kommunistischen Land Tabu gewesen –, dirigierte er ein Festkonzert in Klausenburg. Die Klausenburger Musikakademie verlieh ihm 1997 den Titel eines Doctor honoris causa, vier Jahre zuvor war er zum Ehrenbürger der Stadt gewählt worden. Seit 1999 lebte er im Hause seines Sohnes Rolf Mild in Seesen-Mechtshausen.
Mild hat im Laufe seiner Karriere nicht nur unzählige, erfolgreiche und oft neue Maßstäbe setzende Konzerte als Solist, musikalischer Leiter, Dirigent und Kammermusikpartner bestritten, er hat prägend und in die Zukunft gewirkt, hat als Erster neue, in Siebenbürgen und Rumänien noch unbekannte Erkenntnisse, Prinzipien und Gesetze in der Aufführungspraxis der Barockmusik, insonderheit der von Johann Sebastian Bach, vermittelt und damit eine Lücke in der musikalischen Interpretation geschlossen, hat einen ethischen und verantwortungsvollen Umgang mit dem musikalischen Kunstwerk gefordert und vorgelebt, die von ihm gegründeten Ensembles und Einrichtungen wie auch er selbst waren zur Institution geworden.
Mit Andreas Nikolaus (1879-1948), Georg Bachner (1891-1959), Karl Theil (1898-1980), Richard Oschanitzky (1901-1971), Otto Eisenburger (1908-1989), Carl Gorvin-Glückselig (1912-1991), Norbert Petri (1912-1978) und Adolf Hartmut Gärtner (*1916) gehörte Kurt Mild in die Reihe jener in leitenden Funktionen tätigen siebenbürgischen Musiker, die in den zwanziger bzw. dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen hatten, das Musikleben Siebenbürgens aus eigenen Kräften weiterzuentwickeln. Kaum hatten sie ihr Werk in Gang gebracht, mussten sie aber erleben, wie das eigenständige siebenbürgische Musikleben durch Krieg und Kriegsfolgen zusammenbrach. Einige sahen sich vorher schon gezwungen, das Land zu verlassen, oder scheuten sich, in das kommunistische Nachkriegsrumänien zurückzukehren.
Mild trachtete noch während des Kriegs zwischen und nach Aufenthalten und Konzertaktivitäten in Deutschland seine Tätigkeiten in Siebenbürgen fortzusetzen. Nach dem Krieg musste er die politische und gesellschaftliche Situation in Rumänien mit Repressalien, Verfolgung und existentieller Bedrohung, ideologischem Zwang, Unfreiheit, Behinderungen, Überwachung und ethnischer Diskriminierung über sich ergehen lassen, konnte dann aber doch im neuen Musikgeschehen Rumäniens Fuß fassen und sich schließlich in Grenzen und ohne sich politisch einspannen zu lassen etablieren.
An der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin legte Mild 1939 in einem öffentlichen als Staatsprüfung geltenden Konzert als Erster seit Bestehen dieser Institution die Reifeprüfung im Konzertfach Orgel ab. Milds Orgellehrer, der damals berühmteste Konzertorganist Fritz Heitmann, bescheinigte ihm „ausgezeichnetes technisches Können und hohe musikalische Qualität“, die ihn befähigten, „die Meisterwerke der Orgelkunst ihrer stilistischen Eigenart gemäß zu temperamentvoller und farbiger Darstellung zu bringen“. Die Deutsche Allgemeine Zeitung (16. Juni 1939) sprach von „Können und Stilsicherheit des jungen Organisten“. Bald darauf begann Mild eine großen Erfolg versprechende Laufbahn als konzertierender Organist und Cembalist, eine damals noch nicht so verbreitete künstlerische Betätigungsform, sehr oft auch in Berlin.
Ein verlockendes Angebot, als Hochschullehrer nach Südamerika zu gehen, lehnte Mild ab und nahm 1940 die Stelle des Musikdirektors im größten, nach österreichischem Vorbild gegründeten und geführten, auf klassische und zeitgenössische sinfonische, chorische und instrumental-vokale Musik spezialisierten Hermannstädter Musikverein an. So konnte er, einem inneren Bedürfnis folgend, Oratorien und andere große geistliche Werke aufführen. Zwischendurch konzertierte er in Siebenbürgen und Deutschland, darunter als Solist des damals namhaftesten Berliner Kammerorchesters von Hans von Benda. Ein wieder anders geartetes Engagement galt den 1940 von ihm ins Leben gerufenen „Museumsmusiken“ in den Festräumen und im Innenhof des Hermannstädter Brukenthal-Palais’, wo ein Museum, eine Bibliothek und eine Gemäldegalerie untergebracht waren. Er schuf damit eine herausragende Stätte von überregionaler Bedeutung zur Pflege alter Musik, vor allem derjenigen Bachs. Er selbst leitete dabei in der Manier der Barockzeit ein Orchester vom Cembalo aus oder konzertierte in diesem Rahmen als Solist und Kammermusikpartner.
Im Februar 1942 löste er wegen Kompetenzschwierigkeiten den Vertrag mit dem Hermannstädter Verein und ging im April nach Berlin, wo er im Auftrag des Berliner Rundfunkhauses in der Eosanderkapelle des Schlosses Charlottenburg auf der berühmten Arp-Schnitger-Orgel das Gesamtorgelwerk von Johann Sebastian Bach vorführen und aufnehmen sollte. Nach dem achten Konzert und den ersten Einspielungen musste dann dieses Unternehmen, das von besonderer Tragweite gewesen wäre, wegen der beginnenden Bombenangriffe und der Auslagerung der Orgel abgebrochen werden.
Im Dezember 1942 kehrte Mild nach Hermannstadt zurück. Er nahm seine Konzerttätigkeiten in Siebenbürgen und im Ausland wieder auf und unterrichtete an Hermannstädter Schulen. Kapitulation und Frontwechsel Rumäniens 1944 überraschten ihn in Siebenbürgen. Um der am 13. Januar 1945 beginnenden Verschleppung der Rumäniendeutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion zu entgehen, hielt sich Mild monatelang in einem Wald versteckt. Er wurde entdeckt und verhaftet, von der inzwischen abgeschlossenen Deportation war er jedoch nicht mehr betroffen. Nach seiner Freilassung im Dezember 1945 nahm er die Leitung des Musikvereins, dessen offizielle Bezeichnung nun „Reuniunea de muzică ‚Hermania‘“ lautete, bis zu der von den rumänischen Behörden 1948 verfügten Auflösung wieder auf. Gewissermaßen als Fortsetzung der Museumsmusiken konzertierte er 1946 und 1947 an verschiedenen Orten mit einem von ihm gegründeten Kammerorchester „Sibiana“. Vorübergehend gestaltete er Konzertreihen in der Hermannstädter Johanniskirche. Seit August 1948 ohne Stellung, half er an der unter rumänisch-kommunistischen Vorzeichen 1947/48 neugegründeten Hermannstädter Oper als Chorleiter bei Inszenierungen von Werken Verdis, Gounods und Puccinis. Ab Oktober 1948 bestritt er seinen Lebensunterhalt als Gewerkschaftschorleiter in Heltau und zwischen 1951 und 1955 als Dirigent des Philharmonischen Chors und Lehrer an der „Volkskunstschule“ in Arad. Während des Jahres 1949 war er zudem Leiter des Hermannstädter Kammerchors ARLUS und 1953/54 „Instruktor“ von Musikgruppen einer Fabrik in Arad. Gelegentlich trat er solistisch auf.
Nach einer gewissen Stabilisierung des kulturellen Lebens und einer relativen politischen Lockerung berief ihn die Rumänische Oper in Klausenburg 1955 zum Chormeister und die staatliche Musikhochschule der Stadt richtete 1956 für ihn ihren ersten Lehrstuhl für künstlerisches Orgelspiel ein. Mild wäre aber nicht er selbst geblieben, wenn er nicht wieder als konzertierender Organist, kammermusikalisch und solistisch wirkender Cembalist und als Organisator und Leiter von Kammerensembles seiner geliebten Barockmusik zu dienen bestrebt gewesen wäre. (Mild besaß ein eigenes Neupert-Cembalo, die Hochschule erhielt 1967 auf Betreiben Milds ein Ammer-Cembalo aus der DDR, in Hermannstadt gab es ein Cembalo seit 1940.) In Klausenburg gründete Mild 1968 das Kammerensemble Collegium musicum academicum, in dem er als Cembalist und Spiritus rector mitwirkte. Von 1961 bis 1968 leitete er das Klausenburger Ärzte-Kammerorchester und zwischen 1962 und 1969 auch ein Kammerorchester der Musikhochschule. Insgesamt hat Mild in Siebenbürgen und Rumänien etwa 200 Vokal- und Kammermusikwerke des Barock, darunter auch Opern, zur Erstaufführung gebracht. Dem Organisten Mild sind Uraufführungen aus der zeitgenössischen Produktion zu danken.
Durch seine Arbeit und über seine Schüler verlieh er dem Musikleben Klausenburgs und darüber hinaus kräftige Impulse und für das damalige Siebenbürgen und Rumänien neue Ansätze. Seinen besonderen Herzenswunsch, Messen, Passionen und Oratorien aufzuführen, konnte er sich in dem neuen Staat, in dem geistliche Musik geächtet war, staatlich angestellte und in der Öffentlichkeit wirkende Interpreten dieser Musik gebrandmarkt, unter Druck gesetzt und verfolgt wurden, nicht erfüllen. Orgelkonzerte in Kirchen – in Siebenbürgen gab es keine Orgeln in Konzertsälen – wurden gelegentlich geduldet, gewöhnlich aber beargwöhnt und behindert. Oft mussten konzertierende Organisten nach Bukarest ausweichen, wo es große Orgeln in den zwei zentralen Konzertsälen gab. Einmal – 1957 – war es Mild vergönnt, ein oratorisches Werk, Bachs Johannespassion, zumindest einzustudieren – der deutsche Studentenchor Klausenburgs, rumänische und ungarische Solisten und Mitglieder des Hochschulorchesters und der Philharmonie standen ihm zur Verfügung –, die Aufführung in der reformierten Kirche wurde jedoch von den politischen Behörden untersagt. Auf musikwissenschaftlichem Gebiet beschäftigte sich Mild als Erster mit dem Werk des siebenbürgischen Komponisten Johann Sartorius (1712-1787), dessen „66 Arien“ er spartierte und teilweise 1945 in Hermannstadt, später auch in Klausenburg und Bukarest und 1969 in Bromberg (Bydgoszcz, Polen) und Thorn (Torun, Polen) zur Uraufführung brachte. Im Januar 1946 hatte er in Hermannstadt die Erstaufführung (oder Uraufführung?) einer von ihm im Brukenthal-Archiv entdeckten unbekannten Sinfonie von Joseph Haydn geleitet.
Für einen beruflichen Neuanfang in Deutschland in seinem eigentlichen Fach war es zu spät. Immerhin erhielt er die Stelle eines Chordirektors am Stadttheater Koblenz und konnte 1981 in Koblenz-Lay an Sankt Martin eine Kantorei gründen. Es muss ihm wohl eine große Genugtuung und Freude bereitet haben, dass er sich nun nach leidvollen Erfahrungen, Unfreiheit und Zwangssituationen frei und ungehindert der Kirchenmusik widmen konnte. So führte er mit der Sankt-Martins-Kantorei, einem Kammerorchester und wechselnden Vokal- und Instrumentalsolisten – zu denen oft auch rumänische Musiker gehörten – Kantaten und oratorische Werke auf. Auch hier kann man in mancher Beziehung von einer Pionierarbeit Milds sprechen. Mit dem finanziellen Erlös aus Konzerten und den Mitteln einer von ihm durchgeführten Spendenaktion ließ er für die Sankt-Martins-Pfarrkirche eine neue zweimanualige Orgel (mit Schleifladen und mechanischer Traktur) bauen, die im Mai 1984 eingeweiht wurde.
Mild hat im Laufe seiner Karriere nicht nur unzählige, erfolgreiche und oft neue Maßstäbe setzende Konzerte als Solist, musikalischer Leiter, Dirigent und Kammermusikpartner bestritten, er hat prägend und in die Zukunft gewirkt, hat als Erster neue, in Siebenbürgen und Rumänien noch unbekannte Erkenntnisse, Prinzipien und Gesetze in der Aufführungspraxis der Barockmusik, insonderheit der von Johann Sebastian Bach, vermittelt und damit eine Lücke in der musikalischen Interpretation geschlossen, hat einen ethischen und verantwortungsvollen Umgang mit dem musikalischen Kunstwerk gefordert und vorgelebt, die von ihm gegründeten Ensembles und Einrichtungen wie auch er selbst waren zur Institution geworden.
Mit Andreas Nikolaus (1879-1948), Georg Bachner (1891-1959), Karl Theil (1898-1980), Richard Oschanitzky (1901-1971), Otto Eisenburger (1908-1989), Carl Gorvin-Glückselig (1912-1991), Norbert Petri (1912-1978) und Adolf Hartmut Gärtner (*1916) gehörte Kurt Mild in die Reihe jener in leitenden Funktionen tätigen siebenbürgischen Musiker, die in den zwanziger bzw. dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen hatten, das Musikleben Siebenbürgens aus eigenen Kräften weiterzuentwickeln. Kaum hatten sie ihr Werk in Gang gebracht, mussten sie aber erleben, wie das eigenständige siebenbürgische Musikleben durch Krieg und Kriegsfolgen zusammenbrach. Einige sahen sich vorher schon gezwungen, das Land zu verlassen, oder scheuten sich, in das kommunistische Nachkriegsrumänien zurückzukehren.
Mild trachtete noch während des Kriegs zwischen und nach Aufenthalten und Konzertaktivitäten in Deutschland seine Tätigkeiten in Siebenbürgen fortzusetzen. Nach dem Krieg musste er die politische und gesellschaftliche Situation in Rumänien mit Repressalien, Verfolgung und existentieller Bedrohung, ideologischem Zwang, Unfreiheit, Behinderungen, Überwachung und ethnischer Diskriminierung über sich ergehen lassen, konnte dann aber doch im neuen Musikgeschehen Rumäniens Fuß fassen und sich schließlich in Grenzen und ohne sich politisch einspannen zu lassen etablieren.
Von Leschkirch in die Welt
Die Wiege von Kurt Mild stand in der Dorfgemeinde Leschkirch bei Hermannstadt in Siebenbürgen, wo er am 24. Januar 1914 als Sohn der Leschkircher Säuglingsschwester Adele geb. Buchholzer und des aus Alzen gebürtigen Stuhlrichters Karl Mild zur Welt kam. Unter den Vorfahren gab es mehrere Kantoren. Mit sechs Jahren erhielt Kurt in seinem Heimatort den ersten Klavierunterricht von seiner Mutter und danach von einer Klavierlehrerin im Ort. 1920 zog die Familie nach Hermannstadt, wo Kurt zwischen 1924 und 1931 Schüler des Brukenthal-Gymnasiums und Mitglied des Brukenthal-Chors wurde und das Klavierspiel unter professioneller Leitung u.a. bei der konzertierenden Pianistin Maria Klein-Hintz fortsetzte. Bei einer der „Schülerolympiaden“ Siebenbürgens erspielte er sich 1930 mit einem Präludium von Rachmaninow einen Preis in der Sparte Klavier. Die Matura (Abitur) legte er 1932 in Schäßburg ab. Der Hermannstädter Organist und Kantor Franz Xaver Dressler bereitete ihn für die Aufnahmeprüfung 1933 am Konservatorium in Leipzig vor. Mild studierte bei künstlerischen und pädagogischen Koryphäen 1933 bis 1936 in Leipzig und 1936 bis 1939 in Berlin. Während dieser Zeit schon konzertierte er und erntete Lob bei Publikum und Presse. Zu lesen ist, dass er mit seinem Orgelspiel „bewies, ein Meister dieses königlichen Instrumentes“ zu sein (Leisniger Tageblatt, 25.11.1935); von „außerordentlichem Können“ und „ausgezeichneter Darstellung“ ist die Rede (Völkischer Beobachter, 3.8.1937) und davon, dass es für ihn „technische Schwierigkeiten nicht zu geben scheint“ und sein Spiel „von jugendlichem, feurigem Crescendo durchbraust“ sei (Potsdamer Tageszeitung, 2.8.1937). Dass sein Spiel „bei den zahlreichen Zuhörern einen tiefen Eindruck“ hinterließ, bestätigt die Potsdamer Tageszeitung vom 2.7.1938. Anerkennende und enthusiastische Besprechungen aus den folgenden Jahren und Jahrzehnten sind Legion.An der Staatlichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin legte Mild 1939 in einem öffentlichen als Staatsprüfung geltenden Konzert als Erster seit Bestehen dieser Institution die Reifeprüfung im Konzertfach Orgel ab. Milds Orgellehrer, der damals berühmteste Konzertorganist Fritz Heitmann, bescheinigte ihm „ausgezeichnetes technisches Können und hohe musikalische Qualität“, die ihn befähigten, „die Meisterwerke der Orgelkunst ihrer stilistischen Eigenart gemäß zu temperamentvoller und farbiger Darstellung zu bringen“. Die Deutsche Allgemeine Zeitung (16. Juni 1939) sprach von „Können und Stilsicherheit des jungen Organisten“. Bald darauf begann Mild eine großen Erfolg versprechende Laufbahn als konzertierender Organist und Cembalist, eine damals noch nicht so verbreitete künstlerische Betätigungsform, sehr oft auch in Berlin.
Ein verlockendes Angebot, als Hochschullehrer nach Südamerika zu gehen, lehnte Mild ab und nahm 1940 die Stelle des Musikdirektors im größten, nach österreichischem Vorbild gegründeten und geführten, auf klassische und zeitgenössische sinfonische, chorische und instrumental-vokale Musik spezialisierten Hermannstädter Musikverein an. So konnte er, einem inneren Bedürfnis folgend, Oratorien und andere große geistliche Werke aufführen. Zwischendurch konzertierte er in Siebenbürgen und Deutschland, darunter als Solist des damals namhaftesten Berliner Kammerorchesters von Hans von Benda. Ein wieder anders geartetes Engagement galt den 1940 von ihm ins Leben gerufenen „Museumsmusiken“ in den Festräumen und im Innenhof des Hermannstädter Brukenthal-Palais’, wo ein Museum, eine Bibliothek und eine Gemäldegalerie untergebracht waren. Er schuf damit eine herausragende Stätte von überregionaler Bedeutung zur Pflege alter Musik, vor allem derjenigen Bachs. Er selbst leitete dabei in der Manier der Barockzeit ein Orchester vom Cembalo aus oder konzertierte in diesem Rahmen als Solist und Kammermusikpartner.
Im Februar 1942 löste er wegen Kompetenzschwierigkeiten den Vertrag mit dem Hermannstädter Verein und ging im April nach Berlin, wo er im Auftrag des Berliner Rundfunkhauses in der Eosanderkapelle des Schlosses Charlottenburg auf der berühmten Arp-Schnitger-Orgel das Gesamtorgelwerk von Johann Sebastian Bach vorführen und aufnehmen sollte. Nach dem achten Konzert und den ersten Einspielungen musste dann dieses Unternehmen, das von besonderer Tragweite gewesen wäre, wegen der beginnenden Bombenangriffe und der Auslagerung der Orgel abgebrochen werden.
Im Dezember 1942 kehrte Mild nach Hermannstadt zurück. Er nahm seine Konzerttätigkeiten in Siebenbürgen und im Ausland wieder auf und unterrichtete an Hermannstädter Schulen. Kapitulation und Frontwechsel Rumäniens 1944 überraschten ihn in Siebenbürgen. Um der am 13. Januar 1945 beginnenden Verschleppung der Rumäniendeutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion zu entgehen, hielt sich Mild monatelang in einem Wald versteckt. Er wurde entdeckt und verhaftet, von der inzwischen abgeschlossenen Deportation war er jedoch nicht mehr betroffen. Nach seiner Freilassung im Dezember 1945 nahm er die Leitung des Musikvereins, dessen offizielle Bezeichnung nun „Reuniunea de muzică ‚Hermania‘“ lautete, bis zu der von den rumänischen Behörden 1948 verfügten Auflösung wieder auf. Gewissermaßen als Fortsetzung der Museumsmusiken konzertierte er 1946 und 1947 an verschiedenen Orten mit einem von ihm gegründeten Kammerorchester „Sibiana“. Vorübergehend gestaltete er Konzertreihen in der Hermannstädter Johanniskirche. Seit August 1948 ohne Stellung, half er an der unter rumänisch-kommunistischen Vorzeichen 1947/48 neugegründeten Hermannstädter Oper als Chorleiter bei Inszenierungen von Werken Verdis, Gounods und Puccinis. Ab Oktober 1948 bestritt er seinen Lebensunterhalt als Gewerkschaftschorleiter in Heltau und zwischen 1951 und 1955 als Dirigent des Philharmonischen Chors und Lehrer an der „Volkskunstschule“ in Arad. Während des Jahres 1949 war er zudem Leiter des Hermannstädter Kammerchors ARLUS und 1953/54 „Instruktor“ von Musikgruppen einer Fabrik in Arad. Gelegentlich trat er solistisch auf.
Nach einer gewissen Stabilisierung des kulturellen Lebens und einer relativen politischen Lockerung berief ihn die Rumänische Oper in Klausenburg 1955 zum Chormeister und die staatliche Musikhochschule der Stadt richtete 1956 für ihn ihren ersten Lehrstuhl für künstlerisches Orgelspiel ein. Mild wäre aber nicht er selbst geblieben, wenn er nicht wieder als konzertierender Organist, kammermusikalisch und solistisch wirkender Cembalist und als Organisator und Leiter von Kammerensembles seiner geliebten Barockmusik zu dienen bestrebt gewesen wäre. (Mild besaß ein eigenes Neupert-Cembalo, die Hochschule erhielt 1967 auf Betreiben Milds ein Ammer-Cembalo aus der DDR, in Hermannstadt gab es ein Cembalo seit 1940.) In Klausenburg gründete Mild 1968 das Kammerensemble Collegium musicum academicum, in dem er als Cembalist und Spiritus rector mitwirkte. Von 1961 bis 1968 leitete er das Klausenburger Ärzte-Kammerorchester und zwischen 1962 und 1969 auch ein Kammerorchester der Musikhochschule. Insgesamt hat Mild in Siebenbürgen und Rumänien etwa 200 Vokal- und Kammermusikwerke des Barock, darunter auch Opern, zur Erstaufführung gebracht. Dem Organisten Mild sind Uraufführungen aus der zeitgenössischen Produktion zu danken.
Durch seine Arbeit und über seine Schüler verlieh er dem Musikleben Klausenburgs und darüber hinaus kräftige Impulse und für das damalige Siebenbürgen und Rumänien neue Ansätze. Seinen besonderen Herzenswunsch, Messen, Passionen und Oratorien aufzuführen, konnte er sich in dem neuen Staat, in dem geistliche Musik geächtet war, staatlich angestellte und in der Öffentlichkeit wirkende Interpreten dieser Musik gebrandmarkt, unter Druck gesetzt und verfolgt wurden, nicht erfüllen. Orgelkonzerte in Kirchen – in Siebenbürgen gab es keine Orgeln in Konzertsälen – wurden gelegentlich geduldet, gewöhnlich aber beargwöhnt und behindert. Oft mussten konzertierende Organisten nach Bukarest ausweichen, wo es große Orgeln in den zwei zentralen Konzertsälen gab. Einmal – 1957 – war es Mild vergönnt, ein oratorisches Werk, Bachs Johannespassion, zumindest einzustudieren – der deutsche Studentenchor Klausenburgs, rumänische und ungarische Solisten und Mitglieder des Hochschulorchesters und der Philharmonie standen ihm zur Verfügung –, die Aufführung in der reformierten Kirche wurde jedoch von den politischen Behörden untersagt. Auf musikwissenschaftlichem Gebiet beschäftigte sich Mild als Erster mit dem Werk des siebenbürgischen Komponisten Johann Sartorius (1712-1787), dessen „66 Arien“ er spartierte und teilweise 1945 in Hermannstadt, später auch in Klausenburg und Bukarest und 1969 in Bromberg (Bydgoszcz, Polen) und Thorn (Torun, Polen) zur Uraufführung brachte. Im Januar 1946 hatte er in Hermannstadt die Erstaufführung (oder Uraufführung?) einer von ihm im Brukenthal-Archiv entdeckten unbekannten Sinfonie von Joseph Haydn geleitet.
Freiheit – auch künstlerische – gewählt
Nachdem Anzeichen einer Verfolgung seiner Person durch die Sicherheitsorgane sich 1959/ 60 verdichteten – deutsche Intellektuelle, Schriftsteller, Musiker, Geistliche und Studenten waren 1958 verhaftet und eingekerkert worden, darunter auch ein Student Milds –, kündigte Mild seine akademische Lehrstelle und suchte um Aussiedlung in die Bundesrepublik Deutschland an. 1970 erhielten er und seine zweite Frau Erika Schuster mit dem Sohn Volker nach langem bangem Warten und mehrfacher Intervention die Ausreisegenehmigung. (In erster Ehe war Mild mit Mathilde Engbert verheiratet gewesen, mit der er zwei Töchter und einen Sohn hatte, die bereits 1961 nach Deutschland ausgereist waren.)Für einen beruflichen Neuanfang in Deutschland in seinem eigentlichen Fach war es zu spät. Immerhin erhielt er die Stelle eines Chordirektors am Stadttheater Koblenz und konnte 1981 in Koblenz-Lay an Sankt Martin eine Kantorei gründen. Es muss ihm wohl eine große Genugtuung und Freude bereitet haben, dass er sich nun nach leidvollen Erfahrungen, Unfreiheit und Zwangssituationen frei und ungehindert der Kirchenmusik widmen konnte. So führte er mit der Sankt-Martins-Kantorei, einem Kammerorchester und wechselnden Vokal- und Instrumentalsolisten – zu denen oft auch rumänische Musiker gehörten – Kantaten und oratorische Werke auf. Auch hier kann man in mancher Beziehung von einer Pionierarbeit Milds sprechen. Mit dem finanziellen Erlös aus Konzerten und den Mitteln einer von ihm durchgeführten Spendenaktion ließ er für die Sankt-Martins-Pfarrkirche eine neue zweimanualige Orgel (mit Schleifladen und mechanischer Traktur) bauen, die im Mai 1984 eingeweiht wurde.
Karl Teutsch
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- 02.02.2009, 22:22 Uhr von K.Setz: Kurt Mild war auch im hohen Alter von 94 Jahren eine imposante und interessante Persönlichkeit,der ... [weiter]
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