3. März 2009

Caroline Fernolend: Neue Gemeinschaft in Siebenbürgen ausbauen

Eine der aktivsten Stiftungen Siebenbürgens ist der nach dem rumänischen Nationaldichter Eminescu benannte „Mihai Eminescu Trust“ (MET). Die unter der Schirmherrschaft des britischen Thronfolgers Prinz Charles stehende Stiftung revitalisiert Dörfer in Siebenbürgen, um die traditionelle Lebensweise lokal zu erhalten bzw. zu regenerieren. Deutsch-Weißkirch wurde bereits Ende 1994 in die UNESCO-Welterbeliste aufgenommen.
Seit zehn Jahren arbeitet Caroline Fernolend, geborene Dootz, Absolventin der Kronstädter Fakultät für Internationale Wirtschaftsbeziehungen, als Projekt-Managerin für die Stiftung, seit 2005 als MET-Vizepräsidentin. Zudem ist die 45-Jährige (verheiratet, eine Tochter) seit 17 Jahren politisch aktiv als Gemeinderätin von Bodendorf (Bunești). Für ihr soziales Engagement wurde Fernolend 2004 mit dem „Ecce homo“-Preis ausgezeichnet. Das folgende Gespräch führte Ruxandra Stănescu.

Frau Fernolend, welche Rolle spielt die Stiftung im Leben der Gemeinschaft?

Die englische Stiftung „Mihai Eminescu Trust“, deren Vorsitzende Jessica Douglas-Home und Schirmherr Seine Königliche Hoheit Prinz Charles ist, hat vor zehn Jahren die Revitalisierungsarbeiten in Deutsch-Weißkirch und nach und nach in anderen sächsischen Dörfern Siebenbürgens begonnen. Heute ist die Stiftung in 19 Orten Siebenbürgens tätig, um zusammen mit und für die Gemeinschaft zu versuchen, das sächsische kulturelle Erbe für weitere Generationen zu erhalten und zu sichern. Ebenso wollen wir die heutige Dorfgemeinschaft motivieren, sich dafür verantwortlich zu fühlen und sich für die Weiterentwicklung des Dorfes einzusetzen. Dieses Projekt nennt sich „Das ganze Dorf“.
Caroline Fernolend erklärt Besuchern, dass für ...
Caroline Fernolend erklärt Besuchern, dass für Restaurierungsarbeiten der MET traditionelles Handwerk wiederbelebt wird, in diesem Falle das des Schmiedes. Foto: Thomas Șindilariu
Die Restaurierungsarbeiten werden nach traditionellen Techniken durchgeführt. Wo finden Sie Spezialisten?

Die Stiftung ist sozusagen Teil der Gemeinschaft in jedem der Dörfer, wo sie tätig ist, da lokale, motivierte Arbeiter angelernt werden, wie sie mit traditionellen Materialien, wie Kalk, Sand, Lehm, Stein und Holz arbeiten können. So wie einst, werden die gleichen Materialien gebraucht, aus denen Häuser und Kirchenburgen erbaut wurden. Durch traditionelle Restaurierungstechniken, die viel Handarbeit benötigen, werden die Baudenkmäler restauriert und erhalten. Durch diese Restaurierungsarbeiten werden die traditionellen Handwerke wiederbelebt und so Arbeitsplätze geschaffen, wie zum Beispiel: Schmiede, Tischler, Zimmerleute, Maurer, Ziegelbrenner. Diese neuen Handwerker werden von Spezialisten in Trainingsseminaren und Schulungen ausgebildet. Nach der bestandenen Prüfung erhalten sie ein offizielles Handwerkerdiplom und die Stiftung ermöglicht ihnen ihre eigene Ich-AG zu gründen. Auf diesem Wege werden die Eigenverantwortung und Initiative der Handwerker gefördert.

Auch Frauen werden in der Mihai-Eminescu-Stiftung eingesetzt.

Tatsächlich, nicht nur die Männer haben die Chance, beim Wiederaufbau des Bewusstseins der Dorfgemeinschaft eine Rolle zu spielen. Einige Frauen in den Dörfern sind in der Entwicklung eines ökologischen, kulturnahen Landtourismus engagiert. Sie richten die Zimmer in ihren Wohnhäusern als Gästezimmer her und können dadurch auch ihre selbsthergestellten Produkte viel besser vermarkten. Manche Frauen beschäftigen sich zudem wieder mit Handarbeiten wie dem Weben und Stricken. Auch diese wertvollen Handarbeiten werden den Besuchern angeboten. Der Bezug zu der Kultur, die unsere Vorfahren uns hinterlassen haben, ist nun nicht mehr exklusiv für die Sachsen da, sondern auch für die Rumänen und die Roma, mit dem gemeinsamen Ziel, diese für weitere Generationen zu bewahren.

Welche Rolle spielt die Stiftung für Sie persönlich?

Ich habe, zusammen mit meiner Familie, die Stiftung aus der Not heraus ersucht, uns bei dem Erhalt unseres Dorfes Deutsch-Weißkirch auch nach 1990 zu unterstützen – dieses Dorf, in dem unsere Vorfahren über Jahrhunderte gelebt und gewirkt haben. Wir haben dies als unsere Pflicht empfunden. Ich wünschte mir, nach der Auswanderung unserer Nachbarn und Freunde den Versuch zu starten, eine neue Gemeinschaft im Dorf aufzubauen, aber dies dennoch nicht auf künstliche, sondern nach und nach auf natürliche Weise zu erreichen. Sicherlich kann diese neue Gemeinschaft nicht in gleicher Weise wie zum Beispiel nach den Nachbarschaftsregeln von 1640 funktionieren.

Es gibt einen neuen Gemeinschaftssinn mit Sachsen, Rumänen, Roma und Ungarn...

Dies haben wir dank unserer Arbeit durch die Stiftung erreichen können. Ich selber habe die Chance und die Ehre, diese schöne, herausfordernde Arbeit der Stiftung zu leiten und konnte zeitgleich mit den durchgeführten Projekten wachsen und mich entwickeln zu dem, was ich heute bin. Ich durfte so viel von unseren Architekten Gabriel Lambescu und Jan Hülsemann über die Denkmalpflege lernen. Unseren Sponsoren aus England gebührt höchste Dankbarkeit, da wir in den zehn Jahren unserer bisherigen Aktivität über 600 Projekte durchgeführt haben und gegenwärtig mehr als 150 Menschen eine Arbeit sichern. Es ist viel mehr gerettet worden als ich mir hätte vorstellen können. Die MET-Stiftung hat mich vor die große und schöne Aufgabe meines Lebens gestellt, zum Weiterbestehen unserer Kultur beizutragen. Für all dies bin ich Gott sehr dankbar.

Was ist neu in der Aktivität der Stiftung?

Die Aktivität der Stiftung wächst von Jahr zu Jahr. Nicht nur, dass jedes Jahr noch ein oder zwei Dörfer hinzukommen, sondern es kommen auch immer mehr Bereiche hinzu. Zum Beispiel die Verwaltung des Naturreservats Breite bei Schäßburg, in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung, die Erarbeitung eines Managementplans zusammen mit anderen Stiftungen und Organisationen für das Naturschutzgebiet Natura 2000 oder die Herstellung von natürlichem Apfelsaft in Malmkrog (32 000 Liter/Jahr).

Es passieren leider auch sehr viele negative Dinge in unserem nahen Umfeld. Dagegen versuchen wir anzukämpfen. In den letzten drei Jahren wurden in vielen sächsischen Dörfern Siebenbürgens zahlreiche denkmalgeschützte Häuser abgerissen oder verunstaltet. Das ganze Dorfensemble hat darunter zu leiden, und der Ort verliert dadurch seinen ehemaligen Charakter. Eine andere Misshandlung der denkmalgeschützten Häuser wurde durch das falsche Anbringen von neuen Stromzählern verursacht. Um diesen schrecklichen Phänomenen Einhalt zu gebieten, hat die Stiftung Petitionen und Klageschriften an nationale und internationale offizielle Stellen geschickt, in deren Verantwortung es liegt, solche Handlungen zu unterbinden. Zudem organisiert die Stiftung Vorträge, auch in den Dörfern, wo wir nicht tätig sind, um den Einwohnern nahe zu bringen, wie wertvoll und wichtig ihr kulturelles Erbe ist. Die Menschen müssen verstehen, dass sie durch diese Zerstörung fast keine Chance mehr haben auf den wirtschaftlichen Aufschwung ihres Dorfes.

Erhalt und Ertrag liegen sehr nah beieinander. Leider haben wir nicht immer Erfolg mit diesen unseren Vorhaben, weil es oft an Zeit und Geld mangelt. Wir haben uns vorgenommen, von nun an mehr Öffentlichkeitsarbeit zu leisten. In diesem Jahr werden Ausstellungen und Vorträge in Schäßburg, Hermannstadt, Kronstadt, Birthälm und Deutsch-Weißkirch stattfinden. Im September wird ein Buch über die Arbeit des MET erscheinen.

Neu für die Aktivität der Stiftung ist auch der Umgang mit der Wirtschaftskrise. Wir hoffen trotz Rezession genügend Sponsoren zu finden, um unsere unverzichtbare Arbeit für den Erhalt der sächsischen Dorfarchitektur weiterführen zu können.

Welches ist Ihr liebstes Projekt im Rahmen der Stiftung?

Es ist wirklich schwer, auf diese Frage zu antworten, da alle durchgeführten oder zukünftigen Projekte mir sehr am Herzen liegen. Es sind die Kirchenburgen, die Ziegeleien in Deutsch-Weißkirch und Malmkrog, es ist das Herrenhaus in Malmkrog, das Programm zur Instandsetzung der Scheunen, die ökologische Klär- anlage für Deutsch-Weißkirch, die Dorftränken und Weidenkörbe für den Müll, aber eigentlich ist die soziale Dimension unserer Arbeit das Liebste und Schönste für mich.

Sie sind auch als Gemeinderätin aktiv. Warum engagieren Sie sich politisch?

Ich hätte wirklich vor 1990 nie gedacht, dass ich mich jemals politisch engagieren würde. Dann kam doch die Wende und dadurch wandelten sich auch unsere Möglichkeiten: Es galt Eigeninitiative wieder zu lernen, wieder Vertrauen in unser eigenständiges Denken zu gewinnen. Ich hatte das große Glück, Prof. Glen E. Lich aus Texas, der 1991 zufällig in unser Dorf kam, kennenzulernen. Er hat mir geholfen, Vertrauen in meine eigenen Kräfte zu finden und den Mut zu haben, für eine politische Funktion zu kandidieren, um einen Einfluss auf die positive Weiterentwicklung unseres Dorfes zu bewirken. Auch als Frau und Zugehörige einer Minderheit. Nun durfte ich schon 17 Jahre im Dienst meiner Gemeinschaft und Gemeinde wirken und werde, so Gott will, dies bis 2012 und, wenn ich wiedergewählt werde, noch länger mit viel Freude tun. Denn Arbeit ist noch sehr viel da.

Vielen Dank für das Gespräch.

Schlagwörter: Kirchenburgen, Denkmalpflege, Kommunalpolitik

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