2. September 2011

In Aschaffenburg starb der Wissenschaftshistoriker und Oberth-Biograf Hans Barth

Der bekannte siebenbürgische Wissenschaftshistoriker und Oberth-Biograf Hans Barth ist am 4. August im Klinikum Aschaffenburg einem schweren Krebsleiden erlegen, gegen dessen letalen Verlauf er über ein Jahr lang vergeblich angekämpft hatte. Der promovierte Elektroingenieur war seit Anfang der 1970er Jahre als Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Geschichte der Wissenschaften in Siebenbürgen hervorgetreten und hat vor allem mit seinen Büchern und Aufsätzen über Hermann Oberth, den „wirklichen Vater der Weltraumfahrt“, wie er ihn nannte, dessen bahnbrechende Leistungen der Mit- und Nachwelt überzeugend vor Augen geführt.
Geboren wurde Hans Barth 1934 in einer Bauernfamilie im siebenbürgischen Seiden an der Kleinen Kokel und wuchs als jüngstes von vier Kindern mit der alleinerziehenden Mutter, die sich zwei Jahre nach der Geburt des Sohnes vom Vater getrennt hatte, im Haus des Großvaters in der Nebengemeinde Bulkesch auf. Die bedrängten familiären Verhältnisse vor allem in den ersten Nachkriegsjahren, als den sächsischen Bauern die Existenzgrundlage entzogen wurde, zwangen den Jungen, einen Beruf zu erlernen, um zum Unterhalt der Familie beitragen zu können. Barth wurde auf eine vierjährige Technische Fachschule nach Mediasch geschickt, die er mit Abitur und Techniker-Diplom im Fach Energetik abschloss. Danach war er auf unterschiedlichen Industriebaustellen tätig sowie im Blasendorfer Kombinat für Holzindustrie, der ersten Holzfaserplattenfabrik Rumäniens. 1963 stellte die Bukarester deutsche Tageszeitung „Neuer Weg“ den Jungtechniker als Lokalkorrespondenten für die Region Kronstadt ein. Der hatte inzwischen Maria Sander aus Großalisch bei Schäßburg geheiratet, die zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter, zur Welt brachte. Mit der Familie wurde Hans Barth in Kronstadt ansässig.

Hier begann er nach kurzer Zeit seine fachliche Ausbildung zu vervollständigen. Mit viel Fleiß und Selbstdisziplin studierte er ab 1965 nebenberuflich an den Abendkursen der Technischen Universität in Kronstadt Elektrotechnik, erwarb hier 1970 das Diplom eines Elektroingenieurs und promovierte an der gleichen Hochschule 1976 mit einer Dissertation über die „Optimierung der Leistungsparameter bei magnetohydrodynamischen Drehstrompumpen“.

Dr. Hans Barth ...
Dr. Hans Barth
Bereits Anfang 1971 war er als Fachredakteur für Wirtschaft und Wissenschaft zur Kronstädter Wochenzeitung „Karpatenrundschau“ gewechselt. Diese war seit ihrer Gründung 1968 darum bemüht, ihren Lesern die Geschichte der rumäniendeutschen Minderheit nahe zu bringen, da diese sowohl in den staatlichen Schulbüchern zur Landesgeschichte als auch in sonstigen Publikationen oder Veranstaltungen, in Ausstellungen und Museen unterschlagen oder entstellt wiedergegeben wurde. In die Bemühungen der Wochenzeitung schrieb sich Barth mit zahlreichen Aufsätzen zur siebenbürgisch-deutschen Wissenschaftsgeschichte ein, gewann namhafte Autoren zur Mitarbeit am Blatt und regte in dessen Spalten Diskussionen zu wissenschaftshistorischen Themen an. Frucht dieser Arbeit war u.a. eines der frühen Bücher Barths, das 1980 unter dem Titel „Von Honterus zu Oberth. Bedeutende siebenbürgisch-deutsche Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner“ bei Kriterion in Bukarest erschien und in dem der Herausgeber eigene und Texte weiterer Fachleute veröffentlichte. Das Buch brachte Barth 1985 sogar in einer erweiterten Übersetzung ins Rumänische heraus, was in den Jahren der späten nationalkommunistischen Diktatur in dem Ostblockstaat, der zunehmend auf die Einvernahme seiner Minderheiten aus war, durchaus nicht zum Usus gehörte.

Bereits kurz nach seinem Antritt bei der „Karpatenrundschau“ hatte Barth eine Initiative ergriffen, die dem Blatt Anerkennung einbringen und dem Fachredakteur selbst zur Lebensaufgabe werden sollte. Er hatte sich nämlich einem Thema verschworen, dem er mit bewundernswerter Konsequenz bis zuletzt treu geblieben ist: der Weltraumfahrt und ihrem siebenbürgischen Vordenker Hermann Oberth. Zunächst erwirkte er in der Wochenzeitung den serienmäßigen Neu-Abdruck von Teilen eines grundlegenden Werks des siebenbürgischen Raumfahrtpioniers: der „Wege zur Raumschifffahrt“ aus dem Jahre 1929. Damit setzte zugleich ein reger Briefwechsel mit dem in Feucht bei Nürnberg lebenden Wissenschaftler sowie dessen Familie ein, der bis zu Oberths Tod im Jahre 1989 anhielt und aus dem sich ein enges freundschaftliches Verhältnis zwischen dem betagten Wissenschaftler und seinem späteren Biografen entwickelte. Der Briefwechsel mit zum Teil aufschlussreichen Detailinformationen erschien 2010 gesammelt auf einer CD des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde.

Beginnend mit dem Jahr 1974 war Hans Barth dann Autor mehrerer Bücher über Leben und Werk des Raumfahrtpioniers, gab seine wichtigsten Schriften neu heraus, besorgte zwei umfangreiche Bände aus Oberths Briefwechsel mit bedeutenden Technikern der Raumfahrt und mit Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, sammelte und veröffentlichte Anekdoten über ihn und widmete ihm und seinem Werk mehrfach Aufsätze in unterschiedlichen Publikationen sowie Referate und Vorträge auf internationalen Kongressen. Von den 25 Buchveröffentlichungen, die Barth als Autor oder Herausgeber gezeichnet hat, sind mehr als die Hälfte speziell Oberth und dessen Schriften gewidmet.

Durch die lebenslange Beschäftigung mit dem siebenbürgischen Raketentechniker hat sich Hans Barth bleibende Verdienste um dessen Werk und Wirken erworben. Er machte Oberth nicht nur in den Wissenschaftskreisen Rumäniens bekannt und erwirkte in der dortigen Öffentlichkeit dessen Anerkennung, sondern es gelang ihm zudem, durch seine Veröffentlichungen und erfolgreichen Auftritte auf namhaft besetzten Wissenschaftskongressen allgemein die vorurteilsfreie Würdigung der prioritären Leistungen des siebenbürgischen Raumfahrtpioniers durchzusetzen. Dafür wurde Barth mehrfach international ausgezeichnet und als Mitglied in Wissenschaftsgremien und Astronautikgesellschaften unterschiedlicher Länder berufen. Kollegiale Beziehungen verbanden ihn mit Fachleuten aus aller Welt, ein besonderes, freundschaftliches Verhältnis mit dem rumänischen Kosmonauten Dumitru Dorin Prunariu.

In die Bundesrepublik war Hans Barth 1985 ausgesiedelt, war hier zunächst Leiter des Oberth-Museums in Feucht und ab Mai 1987 bis zu seiner Verrentung Fachredakteur der vom Verband Deutscher Elektrotechniker edierten Zeitschrift „mikroelektronik“. Bis zu seinem Tod am 4. August dieses Jahres war er in Mainaschaff ansässig.

In den letzten beiden Lebensjahrzehnten kreisten Barths Gedanken vermehrt um die Frage nach Sinn, Zweck und Zukunft der Raumfahrt. Dazu hatte ihn zwingend die Beschäftigung mit deren Geschichte geführt, wohl aber auch die immer wieder aufflackernden Diskussionen über die Zweckmäßigkeit von Weltraumprojekten in Zeiten wirtschaftlicher, finanzieller und ökologischer Herausforderungen für einzelne Nationalstaaten und die Menschheit. Niederschlag fanden seine diesbezüglichen Überlegungen in mehreren Aufsätzen sowie in einer umfangreichen Untersuchung, die unter dem Titel „Weltraumtechnik für die Umwelt“ 1997 bei Bechtle in München sowie in einer erweiterten Auflage 2004 erschien und sich grundsätzlich mit den Perspektiven der Raumfahrt unter Einschluss ökonomischer, sozialer, politischer und kultureller Wirkungsaspekte auseinandersetzte. Das Buch darf als bilanzierendes und zugleich über den Tod hinausweisendes Vermächtnis des Wissenschaftshistorikers angesehen werden, mit dessen Ableben die einschlägige siebenbürgisch-deutsche Publizistik einen zielstrebigen, äußerst produktiven und auch international anerkannten Autor verliert.

Seine Freunde beklagen gemeinsam mit der Familie den herben Verlust.

Hannes Schuster

Schlagwörter: Nachruf, Wissenschaft, Geschichte, Raumfahrt

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