9. September 2012

Malerei und Grafik von Reinhardt Schuster in Bern

Unter dem Titel „Farbklänge Klangfarben“ stellte Reinhardt Schuster Malerei und Grafik vom 9. bis 22. August im Yehudi Menuhin Forum Bern aus. Die von Dr. Christoph Jacobs initiierte Ausstellung stand unter der Schirmherrschaft von Peter Gottwald, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in der Schweiz. Gefördert wurde die Schau von der Schweizer Bank Credit Suisse und privaten Gönnern. In die Ausstellung führte der Düsseldorfer Publizist Franz Heinz ein. Die Siebenbürgische Zeitung veröffentlicht eine gekürzte Fassung seines Vortrags.
Die große Einzelausstellung des aus dem siebenbürgischen Brenndorf stammenden Malers Reinhardt Schuster in der Schweizer Hauptstadt verdient mehrfach unsere Beachtung. Eingebettet in die „1. Berner Sommerserenaden“ und eröffnet am Vorabend des Auftritts der weltweit bekannten Klarinettistin Sabine Meyer mit dem Trio di Clarone, darf die Ausstellung als integrativer Teil der anspruchsvollen Veranstaltungswoche des Berner Yehudi Menuhim Forums gelten. Die gelungene Einbindung in das Programm ist vor allem dem Leiter des Forums Werner Schmitt zu verdanken. Die musikalische Umrahmung der Vernissage bestritt das Bläserquintett „L’Harmonie Nouvelle“, das auf historischen Instrumenten des 18. und 19. Jahrhunderts Werke von Gioacchino Rossini, Anton Reicha und Louis-Emanuel Jadin aufführte.

Schuster zeigt in seiner Ausstellung vorwiegend neuere und neueste Arbeiten, die mit der ihm eigenen Expressivität an Formen und Farben beeindrucken und, wie Dr. Christoph Jacobs hervorhob, auch den Möglichkeiten nachspüren, „Musik gewissermaßen über gestaltete Farbe zu vermitteln“. Wer mit dem Werk des Künstlers vertraut ist, findet hier in Bern bestätigt, wie vielfältig Musik und Musikalität in Schusters Gemälden vorkommen und sich zu einer Sonorität der Komposition verbinden. Besonders offensichtlich wird das in seiner, uns bereits bekannten großen Wandgestaltung „Una fantasia quasi instrumentale“ im Konzertsaal der Musikschule in Bonn-Poppelsdorf, wo sich musikalische Teilstücke um ein zentrales Paneel gruppieren und so einen optischen Akkord ergeben.

In Bern überrascht der Künstler mit einer neuen „musikalischen“ Assemblage, die, an der Stirnwand des Saales aufgestellt, in die gewählte Thematik einstimmt und als plastisch gestaltete Idee die besondere Aufmerksamkeit der kunstsinnigen Besucher erregt. In diesem „Wohltemperierten Tastenbild“ verbindet der Künstler farblich und figürlich aufeinander abgestimmte Fund- und Versatzstücke zu einer originellen „tönenden“ Komposition. Klaviatur und Klangkörper, Pedale und Register beziehen Historisches und Gegenwärtiges ein – sind Kunst in Kunst. Die Anordnung der Bildelemente verweist auf die bewegte Gesetzmäßigkeit in der Kunst, und wohl auch auf jene gewisse Gelöstheit, die uns das schöne deutsche Wort vom „Spielen“ eines Instruments vermitteln will.
Reinhardt Schuster: „Wohltemperiertes ...
Reinhardt Schuster: „Wohltemperiertes Tastenbild“, 2012, 1,10 x 1,50 m. Foto: Roland Rossner
Die zahlreichen großen und kleinformatigen Malereien, die Reinhardt Schuster zeigt, können als aktualisierter Querschnitt seiner Kunst gelten, die ja eher in ihrer Kontinuität überzeugt als in der Suche nach neuen Ausdrucksformen und angepassten Themen. Die Landschaft, das Porträt oder das Genrebild kommen in seinem Werk ohnehin nicht vor – unübersehbar aber sind die Natur als Element, der zeitgeschichtliche Hintergrund, Architektur und Schrift, der Mensch als Gestalter und mit ihm die erlebte Gegenwart. Vegetative Elemente stehen neben monumentalen Portalen, orientalische Ornamentik neben kalkulierter Geometrie. Das alles äußert sich nicht in einem imaginären Raum. Was Reinhardt Schusters Kunst auszeichnet, ist gerade die Sensibilität für das Heute mit seinem Sinn und Widersinn, seiner Bedrohlichkeit und Offenbarung.

Es scheint, als wäre der Künstler mitunter dem Ereignis intuitiv um einen Schritt voraus. In Bern schloss dieses visionäre Gespür an die jüngste wissenschaftliche Sensation an, nämlich an die Entdeckung des so schön als „Gottesteilchen“ bezeichneten Elementarteilchens im schweizerischen Cern. Ein nur wenige Tage vorher entstandenes Bild Schusters zeigt verblüffende Ähnlichkeit mit der in der Presse veröffentlichten Skizze zur Verdeutlichung des Higgs-Bossons. „Klein-Cern“ nennt der Künstler das eher kleinformatige Bild, wobei die leichte Selbstironie im Unterton nicht zu überhören ist. Gewitzt beschränkt sich Reinhardt Schuster auf die Bemerkung, dass in seinem Bild anstelle von Protonen Farbteilchen aufeinander prallen, die der Wissenschaft zwar nicht weiterhelfen, aber ein Bild nach seinem Sinn ergeben und somit den gedachten Zweck erfüllen.

Das macht „Klein-Cern“, wie auch jedes andere Bild des heute in Bonn-Bad Godesberg ansässigen Künstlers auf besondere, in gewisser Weise abenteuerliche Art erlebbar. Wir sehen: Das Denken muss nicht immer anstrengend sein und schon gar nicht verkniffen. Das Bild „Klee-Blättrig“ wagt leichtfüßig ein hintergründiges Wortspiel, der Titel „Britischer Unfall“ äußert sich als entdramatisiertes westliches Unbehagen, und was uns mit „Ziemlich Chinesisch“ mit auf den Weg gegeben wird, darf wohl jeder mit sich selbst ausmachen.

„Dieser Künstler“, schrieb der Kölner Kunstkritiker Günther Ott in einem 1993 erschienenen Katalog, „bildet die äußere Wirklichkeit nicht ab, sie ist Wirklichkeit.“ Immer geht seine Denkrichtung von einer konkreten Situation aus, vom Erlebten und Erduldeten, aber er setzt das Erlebte nicht vordergründig um. Er malt nicht das Ereignis, sondern die daraus abgeleitete Vision. Alles mündet in sein Bekenntnis zur Ästhetik, letztlich im Bekenntnis zum Bild. Wenn es gut ist, kann es anders im Zusammenwirken von Form und Farbe nicht sein. Es gibt keine Alternative.

Das führt zur eher ungewöhnlichen Definition von der Ehrlichkeit des Bildes, die auch in dieser Ausstellung spürbar ist. Nirgends eine Ausleihe anstelle einer Idee. Vor allem kein So oder auch Anders. Schuster verzichtet auf die dritte Dimension und ebenso auf das Wechselspiel von Licht und Schatten. Seine Sensibilität äußert sich eher über den Verstand, das heißt sie geht nicht mit ihm durch. Seine Botschaft ist nicht eine Verheißung und schon gar nicht eine Verklärung. Sie sucht den Dialog und verweigert sich der Sentenz. Bilder wie „Strahlendes Material“ oder „Gescheitertes Experiment“ sind nicht als Anklage oder auch nur als Protest aufzufassen, vielleicht nicht einmal als unterschwellige Sorge. Ich sehe darin nicht eine Frage an die Mächtigen, also an die Entscheidungsträger, sondern vor allem eine Frage an uns selbst. Die Frage danach, wie und ob wir uns – jeder für sich und alle gemeinsam – in einer Zeit einrichten, für die alle Vorgriffe auf die bisherige Welterfahrung wesenlos geworden sind. Die Frage danach, ob unsere Kultur und Moral für den Umgang mit dem ausreichen, was kaum noch beherrschbar sein könnte. Reinhardt Schuster entwirft kein Horrorszenarium – er ist nie zu laut und nie aggressiv. Er geht vom Denken aus und traut das auch dem Betrachter seiner Bilder zu. Wenn viele denken, sind weniger verführbar, und wenn viele wach sind, ist die Angst geringer. Dennoch will Reinhardt Schuster nicht mobilisieren. Seine Bilder sind nicht ein Aufruf an das Gewissen der Menschheit.

Eine Schlüsselaussage zu seinem künstlerischen Werk verdeutlicht, dass es ihm nie um die Illustration eines Ereignisses oder eines Zustands zu tun ist, sondern vorwiegend um dessen malerische Umsetzung. Seine Kunst relativiert die Wirklichkeit. Denn längst schon ist uns die Wissenschaft nicht nur in Teilbereichen unvorstellbar geworden. Und so geschieht es, dass wir, bekommen wir das mit der Elektrizität gerade noch einigermaßen hin, deswegen nicht gleich auf mehr Licht hoffen dürfen. Die Kunst freilich, muss das nicht kümmern. Es ist, wenn der Vergleich gestattet ist, wie mit Christi Himmelfahrt: Sie ist nicht vorstellbar und wurde doch gemalt. Vielleicht gerade deshalb.

Franz Heinz


Reinhardt Schuster wurde 1936 in Brenndorf in Siebenbürgen geboren, erhielt ersten Malunterricht in Kronstadt bei Hans Mattis-Teutsch, besuchte das Kunstlyzeum und anschließend die Kunstakademie in Bukarest. Zahlreiche Einzelausstellungen in Bukarest, Temeswar; Hermannstadt, Kronstadt (Rumänien), Düsseldorf, Berlin, Frankfurt a.M., Esslingen, Mettmann, München, Andernach, Echternach/Luxemburg, Rom, London, Tokio u.a.

Schlagwörter: Reinhardt Schuster, Ausstellung, Malerei, Graphik, Schweiz

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