27. Oktober 2013

AKSL-Tagung: Bürgerliche Repräsentation in oberdeutschen und siebenbürgischen Städten im 15. und 16. Jahrhundert

Die 48. Jahrestagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde (AKSL) wurde in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissenschaften der Universität Erlangen-Nürnberg, Lehrstuhlinhaber Prof. Klaus Herbers, ausgerichtet und war international belegt. Sie fand vom 4. bis 6. Oktober 2013 im Caritas-Pirckheimer-Haus in der Nürnberger Altstadt statt. Man konzentrierte sich vor allem auf die Kontakte, Verbindungen und gegenseitige Beeinflussung des Patriziats von Nürnberg und jenem Siebenbürgens. Der Mediävist Marco Bogade, der sich auch um Konzeption und Organisation der Tagung verdient gemacht hatte, hielt das Impulsreferat Memoria in der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Sepulkralkultur von Hermannstadt und Nürnberg. In seinen Händen lag auch, mit Ausnahme der ersten Sektion, die Moderation der Tagung.
In seinem Grußwort nahm Professor Klaus Herbers die Tagungsteilnehmer für sich und den Großraum (jetzt Metropol-Region) Nürnberg ein, indem er seine persönlichen und wissenschaftlichen Kontakte zu Siebenbürgen erwähnte und sich als guter Kenner der Lokalgeschichte und der aus Nürnberg kommenden Referenten erwies. Bogade ging besonders auf die Nürnberger Patrizierfamilie der Haller und ihren siebenbürgischen Ableger ein, wie dies auf Grabinschriften, Altären etc. sowie in den Unterlagen des Haller-Archivs in Nürnberg-Großgründlach greifbar wird. Möglicherweise stammt der Bronzeguss des Grabsteins des Hermannstädter Bürgermeisters und Königsrichters Peter Haller aus Nürnberg. Seine Frau, Margarethe, entstammte übrigens dem Kronstädter Patriziergeschlecht der Schirmer.

Aus dem Referat von Michael Diefenbacher (Nürnberg) war zu erfahren, dass nicht nur die Haller-Bronze wohl den Nürnberger Exportwaren nach Siebenbürgen zuzurechnen sei. Auch viele andere Nürnberger Patrizierfamilien und nicht-patrizische Händler unterhielten rege Kontakte dahin, stammten von dort oder waren dort tätig. So die Stromer, Holzschuher, Schürstab, um nur einige zu nennen. Ein Friedrich Schürstab ist bereits 1299 im östlichen Fernhandel belegt, ein 1307 als Armenpfleger in Nürnberg erwähnter Groland hatte Beziehungen zu Siebenbürgen, 1331 erhält der Plattner Valentin Siebenbürger das Bürgerrecht in Nürnberg und beliefert später Kaiser Karl IV., ein Holzschuher war Ratsherr in Hermannstadt, 1523 erscheint ein Johann Nürnberger in den Kronstädter Rechnungen, die Nürnberger Agende von 1533 (Veit Dietrich und andere) beeinflusst die siebenbürgische Reformation des Johannes Honterus, die Nürnberger Rieter verdrängen die Augsburger Fugger aus dem siebenbürgischen Bergbaugeschäft, ein Viatis Peller liefert Waffen für den Krieg gegen die Türken usw. Vielleicht ist sogar der Sage ein wahrer Kern abzugewinnen, dass die Gründung Hermannstadts von Nürnberg aus erfolgte, selbst wenn der Gründer nicht unbedingt jener legendäre Hermann von Nürnberg war.
Dr. Paul Niedermaier (links) im Gespräch mit Dr. ...
Dr. Paul Niedermaier (links) im Gespräch mit Dr. Konrad Gündisch auf der Tagung des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde in Nürnberg. In der Mitte der Kronstädter Archivar Thomas Sindilariu. Foto: Konrad Klein
Nach dem Referat von Peter Fleischmann (Nürnberg), der über Struktur und Funktionsweise des Nürnberger Rates informierte, knüpfte Dr. Mária Pakucs-Willcocks (Bukarest) an die von Diefenbacher begonnene Schilderung der Handelsbeziehungen an. Während dieser nämlich dem Hallerschen Geschlechterbuch entnahm, dass der siebenbürgische Handel der Familie besonders über Wien lief, ging Pakucs-Willocks auf die Rolle Ofens im Westhandel des siebenbürgischen Patriziats ein. Die Kaufleute aus Hermannstadt waren z. B. gemäß einem Privileg auf ihren Handelswegen nach Wien generell von Zöllen und Steuern befreit, mussten aber in Ofen trotzdem Zoll zahlen. Hermannstadt (besonders gut dokumentiert ist das Handelsimperium des Peter Haller) und Kronstadt scheinen verschiedene Interessensphären gehabt zu haben. Während Hermannstadt westwärts orientiert war, übte Kronstadt eine Art „kommerzielle Hegemonie“ (A. Ciocîltan) über die Walachei aus. Aus dem Kronstädter Zollregister von 1503 geht hervor, was für ein Kapital die dortigen Kaufleute in den Handel investieren konnten. Flämische und deutsche (also auch Nürnberger) Tuche beispielsweise konnten nur auf diesem Wege über die Karpaten gelangen. Bis 1523 hatten nur diese beiden Städte ein Stapelrecht (nach der Reisefreiheit ihr zweites Handelsprivileg in Ungarn), danach auch Bistritz. Aufschlussreich war in dieser Hinsicht die Schilderung der Kronstädter Marktordnung von 1577, von deren strengen Regelungen nur Hermannstadt und Mediasch ausgenommen waren. Die anderen Fremden durften, ausgenommen „an Allerheiligen Jahrmärk“, „bei Verlöhrung der gütter“ nicht mit anderen Fremden handeln, sondern mussten ihre Waren direkt an Kronstädter Kaufleute vertreiben. Irmgard Sedler zeigte anhand eines reichen Bildmaterials auf, wie aus dem mittelalterlichen Adelsgewand im 13. und 14. Jahrhundert zunächst die Patriziertracht (u. a. ein Nürnberger Gewand von 1418) bzw. später die siebenbürgische Patrizier- bzw. die städtische Bürgertracht entstand, wobei hier der Einfluss der ungarischen Adelskleidung offensichtlich ist.

Grabstein für Bartholomäus II. Haller (†1551) im ...
Grabstein für Bartholomäus II. Haller (†1551) im Kaiserdom St. Bartholomäus in Frankfurt am Main. Foto: Marco Bogade
In der Sektion „Bücher und Archive“ gab Adinel Dinca (Klausenburg) einen Einblick in die Repräsentationsfunktion mittelalterlicher siebenbürgischer Urkunden. Atilla Verók (Erlau/Eger) hielt es für möglich, dass in den Grundstock der Hermannstädter Kapellen-Bibliothek Bücher aus Nürnberg gelangt seien, da dieser auf eine Privatschenkung des Peter Haller zurückgehe. Nürnberg sei nämlich im 15. Jahrhundert nach Venedig der zweitgrößte, im 16. Jahrhundert nach Wien und Leipzig immer noch der drittgrößte Druckerei-Standort gewesen. Die 1525 in Hermannstadt und besonders die 1539 in Kronstadt einsetzende Bücherproduktion dagegen zeigt eine Vorliebe für Kleinformatiges, während die Nürnberger oft großformatige Foliobände hervorbrachten. Letztere seien, da teuer und oft nur von Patriziern gekauft, wenig gelesen worden und galten eher der Repräsentation.

Thomas Șindilariu (Kronstadt) hielt einen Vortrag über „Das Burzenländer Sächsische Museum als Stätte der Musealisierung frühneuzeitlicher städtischer Bürgerkultur unter besonderer Berücksichtigung von Patrizierporträts“. Eines der interessantesten Exponate war das dreischneidige Schwert des Kronstädter Stadtrichters von 1549. Die Porträts selbst wurden von Silvia Popa (Kronstadt/Marburg) unter dem Titel „Kronstädter Stadtrichter und Stadtpfarrer“ vorgeführt und besprochen. Es handelt sich dabei um eine Mappe von 23 Porträts, die unter abenteuerlichen Umständen die Wirren des Zweiten Weltkrieges überstand. Die Reihe beginnt 1527 mit Lukas Hirscher und endet 1612 mit Michael Weiss. Besonders erwähnt wurde das Aquarell von Fronius mit der ganzgestaltigen Darstellung des Honterus, das - ausgehend von einem Büsten-Holzschnitt von 1544 - diesen ergänzte. Maria Deiters ließ vor unseren Augen aus der Pfinzing-Bibel und den Nürnberger Geschlechterbüchern viele Vertreter dieser Familie, aber auch der mit ihnen versippten Haller erstehen. Anwesend war unter den Teilnehmern übrigens Baron Berthold Haller von Hallerstein (Nürnberg), der fallweise in die Diskussionen eingriff. Nachdem Gerhard Weilandt (Greifswald) über Nürnberger Privatkapellen gesprochen hatte, ging Evelin Wetter (Riggisberg/Schweiz) ausführlich auf das von ihr betreute Projekt zum Kronstädter Paramentenschatz ein.

Bei den anschließenden Führungen zu den Kirchen St. Lorenz und St. Sebald sowie ins Germanische Nationalmuseum beeindruckten u. a. die Pracht-Gestühle, welche die Zünfte zur Unterstützung der Stadtarmen in der Lorenz-Kirche aufgestellt hatten. Sie sind mit den jeweiligen Zunft-Wappen geschmückt. Konrad Gündisch (München) sprach über „Genealogische Verbindungen zwischen Nürnberger und siebenbürgischen Familien“ und beendete damit die zweite Sektion, die - abgesehen von den Führungen durch Nürnberg - den ganzen Samstag beanspruchte. Anhand einer übersichtlichen Tabelle gliederte er diese in Namen, bei denen keine ehelichen Verbindungen nachweisbar (z. B. im Fall der in Siebenbürgen belegten Norimberger und Stromer) sind, und solche, bei denen derartige genealogische Verbindungen belegbar sind (wie im Fall der Haller).

Die dritte und letzte Sektion, in die auch eine Andacht des AKSL-Vorsitzenden Ulrich A. Wien integriert war, beschäftigte sich mit Städtebau, (Kirchen-)Architektur und Kunst. Paul Niedermaier untersuchte siebenbürgische Stadtkerne und stellte fest, dass sie größenmäßig im Vergleich mit den mitteleuropäischen Städten gut abschneiden. Anhand des Beispiels von Kronstadt deckte er (bewusste oder unbewusste) Richtlinien auf, die in ihrer Anlage erkennbar werden. Er ging dabei auf Persönlichkeiten wie Lukas Hirscher, u. a. Verwalter der Törzburg, oder dessen Witwe Apollonia ein, die das dortige Kaufhaus erbaute. Hermann Fabini beschäftigte sich mit Wohnturm und Amtssitz des Hermannstädter Bürgermeisters Thomas Altemberger (dessen 1481 verfasster Codex enthält übrigens u. a. auch Nürnberger Recht). Mihaela Sanda Salontai (Klausenburg) wies auf die Rolle hin, die ein italienischer Baumeister aus Nürnberg 1560 in der Baugeschichte der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus von Bistritz spielte. Ciprian Firea (Klausenburg) beschäftigte sich mit dem Wirken Nürnberger Künstler (u. a. der Söhne von Veit Stoß) in Siebenbürgen. Den Abschluss bildete der durch Bildmaterial und neue Erkenntnisse sehr anschaulich vorgetragene Beitrag von Emese Sarkadi Nagy (Budapest) über die sächsische Patrizierfamilie Polner im Spiegel der Schäßburger Malerei des 15.- 16. Jahrhunderts.

Diethard Knopp

Schlagwörter: AKSL, Tagung, Nürnberg, Geschichte

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