10. August 2014

Zum Tod des großen siebenbürgischen Zeichners Helmut von Arz

Er muss es geahnt haben: Seine große, „über Erwarten glückliche“ Retrospektive im geliebten Essen, wo er einst fast 30 Jahre als Hochschullehrer gewirkt hatte, sei ihm wie eine Fermate erschienen, schrieb mir der Künstler kurz nach der Vernissage vom 6. April 2014. Um erklärend hinzuzufügen: „Mein Publikum wohnt in Essen und nicht in München. So wird eine Erwähnung meiner Ausstellung in der Siebenbürgischen Zeitung nicht mehr bedeuten als eben die Erinnerung: Ja, den gibt’s auch noch … Und selbst die, denen das noch etwas sagt, werden täglich weniger.“ Wie wahr.
Helmut von Arz wusste, wovon er spricht. Es gibt wohl keinen siebenbürgischen Künstler, der so viel über (seine) Kunst, Gott und die Welt nachdachte und diese Gedanken auch gerne in einem unverkennbar an Lichtenberg geschulten Stil zu Papier brachte. Introspektion und Weltbetrachtung, lustvoll und wortspielreich zugespitzt (siehe separater Artikel in der SbZ Online). Und natürlich immer wieder gezeichnet, bis zuletzt. Nicht von ungefähr tauchten in letzter Zeit in den Zeichnungen des fröhlichen Pessimisten die Apokalyptischen Reiter auf – als versprengte, aus der Zeit gefallene Truppe, inmitten von Autos und Supermarkt: „Die apokalyptischen Reiter wissen heut auch nicht mehr weiter“, schrieb er mir unter eine schnell hingeworfene Zeichnung mit den sichtlich überforderten Endzeitboten und verabschiedete sich wie so oft mit einem kakanisch-augenzwinkernd „Habidjehre“.
Helmut von Arz mit dem Aquarell „Kentaur vor ...
Helmut von Arz mit dem Aquarell „Kentaur vor seinem Migrationshintergrund“ (2010). Das wiederholt abgewandelte Bild zeigt einen Kentaur mit den Zügen des Künstlers vor der beschneiten Kette der Südkarpaten. Foto: Konrad Klein
Gezeigt wurden in Essen vom 6. April bis 29. Juni 91 Graphiken aus der Zeit von 1961 bis 2013, vom Selbstporträt in absentia bis hin zu den auch in unseren Alltag einbrechenden Kentauren und Yetis – Fabelwesen sind auch nur Menschen. Wenn es denn eines Beweises bedurft hätte, hier war er: Helmut von Arz war der wohl bedeutendste Tierzeichner, den die Siebenbürger Sachsen je hatten. Seine Löwen brauchen selbst Rembrandts Zeichnungen von diesen Tieren nicht zu scheuen. In Siebenbürgen gab es nur zwei, die ähnlich gut Tiere zeichnen konnten: Fritz Kimm und Dolf Hienz, der Vater der Malerin Katharina Zipser. Allein in Klaus Zey, der sich später freilich der Schauspielerei zuwandte, war Arz ein kongenialer Tierzeichner erwachsen. Wir wundern uns nicht: Zey hatte vor Arz’ Auswanderung in die Bundesrepublik (1965) ein Jahr lang dessen Zeichenkurs an der Volkskunsthochschule besucht.

Blick aus dem Atelierfenster in Essen, 1977, ...
Blick aus dem Atelierfenster in Essen, 1977, Aquarell. Familienbesitz. Foto: Konrad Klein
Unvergessen sind Helmut von Arz’ Illustrationen zu den Haltrich’schen Märchen, Scholochows Stillem Don, zu Münchhausen, Shakespeare und Cervantes. Später dann zu Büchern von Erwin Wittstock („Salba miresei“, 1963) Hans Bergel („Der Tod des Hirten“, „Das Venusherz“) und jüngst – unübertroffen – zu Bettina Schullers Erinnerungen „Führerkinder“ (2012). Beispiele Arz’scher Zeichenkunst enthält auch Schullers Erzählband „Transsylvanien, Spielplatz der Gedanken“ (2010), wo freilich bereits vorhandene Zeichnungen mit mehr oder minder geeigneten Textauszügen passend gemacht wurden. Nicht zu vergessen die fast lebenslange Beschäftigung des Künstlers mit Lichtenberg, was sich 1998 in der vielbeachteten Essener Ausstellung „Das Lichtenberg-Skizzenbuch“ niederschlug, zu der auch ein gediegen gestaltetes Begleitbuch erschien.

Es ist sehr zu bedauern, dass es keinen Bildband des vielgestaltigen und umfangreichen Arz’schen Œuvres gibt – etwa mit den wunderbar luftigen Aquarellen von seinen Nordsee-­Exkursionen oder der unspektakulären, aber ­atmosphärisch und koloristisch reizvollen Litfasssäulen-Serie, alles letztlich Chiffren der Vergänglichkeit. Und natürlich mit jenem immer wieder leicht variierten Kentaur in einer entrückten siebenbürgischen Traumlandschaft, inmitten einiger vor sich hinstierender Wasserbüffel.
Weil Helmut von Arz die Sprache gern beim Wort ...
Weil Helmut von Arz die Sprache gern beim Wort nahm, konnte er sogar einem Büffelklavier viel abgewinnen. Tusche, 2010
Von Rezensionen, kunstdidaktischen Büchern und Aufsätzen soll hier nicht ein weiteres Mal die Rede sein. Stattdessen sei hingewiesen auf Helmut von Arz’ Erinnerungen von 2012, die er sinnigerweise „Der Große Ring“ nannte. Sie würden ein schmales Bändchen ergeben, aber mit ungemein lebendigen und präzisen Beobachtungen über das Hermannstadt der Zwischenkriegszeit, aufgezeichnet von einem Schaulustigen, der als Knabe schon von der im Nationshaus am Großen Ring gelegenen väterlichen Arztpraxis aus die Militärparaden des königlich-rumänischen Korps beobachtete.
Helmut von Arz mit einem seiner Berliner ...
Helmut von Arz mit einem seiner Berliner Litfasssäulen-Aquarell (Aufnahme von 2010). Foto: Konrad Klein
Ungeheure Belesenheit wie auch ein funkelnder Witz und Geist zeichneten den Verstorbenen aus. Was bleibt, ist die Erinnerung an einen liebenswürdig-charmanten und anregenden Gesprächspartner, mit dem jeder Gedankenaustausch ein Gewinn war. Am 18. Juli erlag Helmut von Arz in einem Berliner Krankenhaus einem leider zu spät erkannten Krebsleiden.

Konrad Klein



Illustration zu Scholchows Kosakenepos "Der ...
Illustration zu Scholchows Kosakenepos "Der stille Don", 1962, Gouche, Familienbesitz. Foto: Konrad Klein
PS. Zu Helmut von Arz siehe auch Konrad Kleins ausführliche Würdigung in der Siebenbürgischen Zeitung, "Visuelle Neugier, Beobachtungsgabe und ein präziser Strich: Helmut von Arz zum Achtzigsten", sowie Kleins Interview mit dem Künstler in Spiegelungen Nr. 2/2011

Schlagwörter: Maler, Nachruf

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