11. April 2015

Arzt und Botaniker Johann Christian Gottlob Baumgarten vor 250 Jahren geboren

Mit dem allgemeinen Aufschwung der Naturwissenschaften während der Zeit der Aufklärung im 18. Jahrhundert hatte der schwedische Gelehrte Carl von Linné durch seine neue Namengebung von Pflanzen und Tieren bestehend aus Gattungs- und Artname die Naturwissenschaften revolutioniert und europaweit eine eifrige Forschertätigkeit in Gang gesetzt. Im Bann dieses Aufschwungs stand auch Johann Christian Gottlob Baumgarten, der während seines Studiums in Leipzig für die von Linné als „liebenswerte Wissenschaft“ („Scientia amabilis“) bezeichnete Pflanzenkunde ein besonderes Interesse entwickelt hatte. Als er im Juli 1793 als „wissensdurstiger, reiselustiger deutscher Gelehrter“ nach Siebenbürgen kam, hatte er nicht voraussehen können, dass diese Reise sein späteres Leben bestimmen sollte.
Johann Christian Gottlob Baumgarten, dessen Geburtstag sich 2015 zum 250. Mal jährt, wurde am 7. April 1765 in Luckau in der Niederlausitz geboren, wo sein Vater „Churfürstlich Sächsischer Coninspector Vice Stadtrichter, auch wohlgeordneter Hospital Vorsteher allhier“ (laut Kirchenmatrikel in Luckau) und später Bürgermeister war. Vorerst bis zu seinem 10. Lebensjahr von Hauslehrern unterrichtet, besuchte er neun Jahre lang die Schule in seiner Heimatstadt und ging 1784 nach Dresden, wo er ein Jahr lang Student der medizinisch-chirurgischen Lehranstalt war. Im darauffolgenden Jahr wechselte er an die Leipziger Universität, wo er sich dem Studium der Philosophie und der Medizin widmete. Die Vorlesungen im Fach Botanik des kurfürstlich-sächsischen Hofrates Prof Dr. Pohl entfachten in ihm eine große Begeisterung für die „Liebenswerte Wissenschaft“, die damals im Aufschwung begriffen war.

Mit „außergewöhnlichem Erfolg“ hatte er die Botanik-Vorlesungen abgeschlossen, sich jedoch ebenso vorbildlich seinen philosophischen und medizinischen Studien gewidmet, so dass er 1787 bereits „Baccaleureus“ der Medizin wurde und bald darauf auch die Magisterwürde erhielt. Bereits vor Abschluss seiner Studien wurde Baumgarten als Botaniker 1790 mit seiner Flora von Leipzig, „Flora Lipsiensis“, bekannt. Mit seiner Dissertation zu einem medizinisch-chirurgischen Thema wurde ihm 1791 der Titel eines Doktors der Philosophie zugesprochen. Im selben Jahr erhielt er aufgrund seiner Arbeit über die botanischen, chemischen und medizinischen Eigenschaften der Ulme und ihrer Rinde den Titel eines Doktors der Medizin. Auf Anraten seines Professors Hofrat Dr. Pohl ging der junge zweifache Doktor Baumgarten nach Wien, um seine medizinischen und botanischen Kenntnisse zu erweitern. In Wiener Krankenhäusern bekam er die Möglichkeit mitzuarbeiten und sich im praktisch-medizinischen Bereich weiterzubilden.
Porträt von Johann Christian Gottlob Baumgarten ...
Porträt von Johann Christian Gottlob Baumgarten (1765-1843)
Belege siebenbürgischer Pflanzen in Wiener Sammlungen sowie in den Garten von Schönbrunn versetzte Pflanzenarten aus Siebenbürgen erweckten in ihm die Neugierde und Reiselust, dieses Land zu besuchen und seine Pflanzenwelt kennen zu lernen. Mit Empfehlungsschreiben an Samuel von Brukenthal und den Oberinspektor aller siebenbürgischer Normalschulen, Botaniker Joseph von Lerchenfeld, sowie „geringer Kasse“ hatte er sich mit der Postkutsche von Wien nach Siebenbürgen aufgemacht, wo er nach einer einmonatigen Reise am 4. Juli 1793 in Hermannstadt eintraf und freundlich aufgenommen wurde. Bald darauf begann er mit seinen botanischen Ausflügen, vor allem in die Südkarpaten, die er oft in Begleitung der Hermannstädter Botaniker Joseph von Lerchenfeld, Apotheker Petrus Sigerus sowie Abbé Carl Joseph Eder unternahm.

Kurz vor seiner geplanten Heimreise erkrankte Baumgarten und wurde dadurch drei Monate lang in Hermannstadt festgehalten. Zu seiner gesundheitlichen Wiederherstellung lud Samuel von Brukenthal ihn in seine Sommerresidenz nach Freck und danach auch auf seine Güter in Sâmbăta ein. Durch die großzügige Unterstützung Brukenthals konnte Baumgarten zusammen mit Lerchenfeld 1794 das Fogarascher Gebirge weiter erkunden. Der aus Schäßburg stammende Dr. Michael Neustätter, damals Protomedicus, d. h. Oberster Amtsarzt Siebenbürgens, nahm ihn auf seine Dienstreisen in die Kronstädter Gegend mit und ermöglichte ihm, auch die Gebirge der Kronstädter Gegend kennen zu lernen und dort zu botanisieren. Nach diesen Aufenthalten kehrte Baumgarten in Erwartung brieflicher Nachrichten aus seiner Heimat, wohl auch geldlicher Unterstützung, nach Hermannstadt zurück. Seine Enttäuschung war jedoch groß, als er keine Nachrichten vorfand. Da er aber „an barem Geld Mangel spürte“, entschloss er sich, die ihm von Protomedicus Neustätter angebotene Physikatsstelle des Leschkircher Stuhles anzunehmen, die er bis März 1801 „nach Pflicht und Gewissen versah“. Neben seinen ärztlichen Aufgaben durchforschte er die Pflanzenwelt des Leschkircher, Großschenker und Repser Stuhls sowie auch Bereiche des Zibinsgebirges. Nach seiner sechsjährigen Tätigkeit in Leschkirch bot ihm Dr. Neustätter unter Zustimmung des damaligen Bürgermeisters Cseh von Sternheim 1801 die Stelle des Amtsarztes der Stadt und des gesamten Stuhles Schäßburg an. Mit der Heirat der Repser Pfarrerstochter Elisabetha Hager im Jahr 1802 wurde seine Bindung an Siebenbürgen noch weiter vertieft.

1804 reiste Baumgarten auf Wunsch seiner Mutter in seine Heimat, wo er auch seine wissenschaftlichen Verbindungen erneuerte und andere anknüpfte. In Leipzig wurde ihm eine Professur an der Universität angeboten, für die er sich innerhalb eines halben Jahres entscheiden sollte. Seine Antwort fiel zu Ungunsten der Universität aus, denn nach Beratung mit der Familie musste er der Fakultät eine abschlägige Antwort geben. Er behielt sich jedoch vor, bei späteren Gelegenheiten über die offenen Professuren an der Medizinischen Fakultät in Leipzig informiert zu werden. Doch zu einer späteren Berufung sollte es nicht mehr kommen. Er versah weiterhin seinen Dienst in Schäßburg „sowohl als Physikus, wie auch als praktischer Arzt nach allen Kräften“, wie er selbst schrieb. Inzwischen hatte er sich einen sehr guten Ruf als Arzt erworben, der wie Franz Fr. Fronius 1850 schrieb, „weit über die Grenzen des Stuhles“ hinausging. „Alle Adeligen der Umgebung nutzten ihn als Hausarzt. Bis nach Klausenburg rief man ihn zu ärztlichen Konsilien. Da der Adel ihn reich honorierte, war er in der glücklichen Lage, alle Armen unentgeltlich zu behandeln“.

Doch die beruflichen Pflichten häuften sich, so dass es ihm schwer wurde, seine Aufgaben in beiden Bereichen, der medizinischen Betreuung und der botanischen Forschung, vorbildlich zu erfüllen. Daher verzichtete er 1807 auf seine Tätigkeit als Amtsarzt und wirkte nur als praktischer Arzt, so dass ihm mehr Zeit für seine Forschungen blieb. Erst 21 Jahre später übernahm Baumgarten die aufgelassene Physikatstelle wieder und übte seine Funktion bis 1841 aus, als er infolge eines Schlaganfalles arbeitsunfähig wurde und zwei Jahre später, am 29. Dezember 1843 im Alter von 78 Jahren starb.

Sein höchstes Lebensziel war die Herausgabe einer umfassenden Flora Siebenbürgens nach Linnéischem System. Dazu hatte ihm die Landesregierung in Klausenburg bereits ab 1805 Schutz- und Geleitbriefe ausgestellt und alle Behörden, Professoren, Ärzte, Bergbeamte, Forstleute etc. aufgefordert, den „für derartige Forschungen vorzüglich geeigneten Mann“, wie J. C. Eder ihn empfahl, bei seinen Forschungen zu unterstützen. Auch der Landtag billigte ihm 1810 für seine Forschungsreisen volle Unterstützung zu.
Titelblatt des letzten, vierten Bandes von Johann ...
Titelblatt des letzten, vierten Bandes von Johann Christian Gottlob Baumgartens Werk, dessen Drucklegung er nicht mehr erlebte.
Seine siebenbürgische Pflanzensammlung, das so genannte „Herbarium Patrium“, bildete die Grundlage für seine Flora Siebenbürgens. Neben der siebenbürgischen Pflanzensammlung hatte Baumgarten aber auch Tauschbeziehungen geknüpft. Viele Botaniker aus verschiedenen Ländern Europas hatten lange Wunschlisten für den Erwerb von Pflanzen aus Siebenbürgen aufgestellt. Manche Tauschbeziehungen waren jedoch auch mit hohen Kosten verbunden. Weitere Geldopfer erforderte die Dokumentation Baumgartens im Hinblick auf die Herausgabe seiner Flora, da die notwendigen Fachbücher mit hohen Geldbeträgen aus dem Ausland besorgt werden mussten. Hinzu kamen Reisen in die Wiener Bibliotheken. Schließlich fand Baumgarten für sein Werk im Lande keinen Verleger und musste sich nach Wien wenden, wo ihm harte Bedingungen für die 1815 druckfertigen drei Bände seiner Siebenbürgischen Flora auferlegt wurden: kein Honorar und Selbstbezahlung eines Sechstels der Druckkosten. Doch Baumgarten sah die Beendung seines Werkes „Enumeratio stirpium magno Transilvaniae principatui“, das 1816 in Wien erschienen ist, als Ehrensache an, mit der er „das Vaterland verherrlichen“ wollte.

Seine Flora umfasst eine Aufzählung aller in Siebenbürgen vorkommenden Pflanzen mit Beschreibung und Angabe ihrer Fundorte. Den vierten und letzten Band schloss Baumgarten erst 1841 ab, erlebte aber seine Herausgabe nicht mehr, weil „die Not und der Tod“ ihn daran hinderten. Der Botaniker Michael Fuss besorgte die Herausgabe später im Auftrag des „Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt“. Baumgartens Florenwerk enthält eine Aufzählung von 2252 Blütenpflanzen, darunter viele Neubeschreibungen siebenbürgischer Arten. Einige dieser Arten benannte er nach seinen Gönnern sowie Wegbegleitern und setzte ihnen damit ein Denkmal. Unter ihnen sind bedeutende Namen wie Brukenthal, Lerchenfeld, Apotheker Sigerus, Graf Teleki, Graf Haller von Hallerstein u. a. Seine bedeutende Pflanzensammlung von ungefähr 20 000 Herbarbogen siebenbürgischer, europäischer, aber auch außereuropäischer Arten wurde vom Staat angekauft und gelangte nach einer Zwischenstation im Hermannstädter ev. Gymnasium in das damalige römisch-katholische Staatsgymnasium und schließlich in das Botanische Institut der Universität Klausenburg, wo es sich auch heute befindet und jedem zu Forschungszwecken zur Verfügung steht.

Sein rastloses Forscherleben hatte ihm zwar Anerkennung und Ruhm gebracht, jedoch auch viele finanzielle Opfer erfordert und dadurch sich und seiner Familie mit sieben Kindern zeitweise ein sehr karges Leben auferlegt. Auch seine oft gefährlichen Gebirgstouren in unerschlossene Gebiete der Karpaten und sonstige Ausflüge hatten seiner Familie oft große Sorgen bereitet. Auch wenn es von späteren, moderneren Werken überflügelt wurde, bleibt der Wert von Baumgartens Werk als erste im Druck erschienene Flora Siebenbürgens und Grundlage für spätere Forschungen unumstritten. Der Klausenburger Professor Dr. Emil Pop, Mitglied der Rumänischen Akademie der Wissenschaften, würdigte Baumgartens Werk 1970 als „eine hervorragende Leistung seiner Zeit von größter geschichtlicher, wissenschaftlicher und nicht zuletzt moralischer Bedeutung“, eine Meinung, die bis zum heutigen Tag Gültigkeit hat.

Erika Schneider



Schlagwörter: Geburtstag, Jubilar, Wissenschaftler, Arzt, Botaniker

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