29. Mai 2015

Bánffys „Siebenbürgische Trilogie“ in Regensburg

Am 7. Mai fand in einem der altehrwürdigen Bürgerhäuser Regensburgs ein anregendes Gespräch über eine besondere Neuerscheinung auf dem deutschsprachigen Buchmarkt statt. Das Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e. V. an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS) und das Hungaricum – Ungarische Institut der Universität Regensburg hatten unter freundlicher und tatkräftiger Mitwirkung der Atlantis Buchhandlung zur Vorstellung der „Siebenbürgischen Trilogie“ von Miklós Graf Bánffy (Klausenburg, 1873 – Budapest, 1950) eingeladen. Den Anlass dazu bot die Publikation des dritten Bandes „In Stücke gerissen“ vor wenigen Wochen, die Dr. Enikő Dácz, wissenschaftliche Mitarbeiterin des IKGS, in der oberpfälzischen Donaustadt gemeinsam mit einem illustren Gast würdigte.
Der in ungarischer Erstauflage 1934, 1937 und 1940 erschienene Epochenroman liegt nun in vollständiger und kongenialer deutscher Übersetzung vor. Der Übersetzer Andreas Oplatka verließ nach dem niedergeschlagenen Ungarn-Aufstand 1956 seine Heimat und ließ sich in der Schweiz nieder, wo er Geschichte und Germanistik studierte. Dem kundigen Publikum dürfte er als langjähriger Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung in Stockholm, Paris, Moskau und Budapest ein Begriff sein. Bis 2011 war er Professor an der Budapester Andrássy-Universität.

Das Werk stand in kommunistischer Zeit sowohl in Ungarn als auch in Rumänien auf der Verbotsliste der staatsparteilichen Verlagspolitik. Eine Teilausgabe durfte in Budapest 1982 mit einer tendenziösen Einführung erscheinen. Elf Jahre später kam in Ungarn der Roman unzensiert, in einem einzigen stattlichen Band heraus. Währenddessen durchlief er in englischer, französischer, spanischer und niederländischer Übersetzung eine beachtliche internationale Karriere. Neueste Meldungen wissen auch von einer chinesischen Auflage. Die rumänische befindet sich in Vorbereitung.

Was erklärt die Neuentdeckung dieses Werkes jenseits und diesseits der Grenzen? Auf die Frage der Moderatorin brachte Oplatka die Idee von der Eigenart und dem Sonderweg des Mehrvölkergebildes Siebenbürgen ins Gespräch, die seit dem Zusammenbruch des Kommunismus offenbar eine streckenweise starke Anziehungskraft entfalte. Die dem Leser unschwer erschließbare Absicht Bánffys, das Ideal des Siebenbürgertums nicht zu idealisieren, sei der Rezeption durch die Nachwelt sicher förderlich. Hinzu komme, dass die mit postmoderner Literatur wohl schon gesättigte Leserschaft an der klassischen Erzählart wieder mehr Gefallen finde.

Der Roman entführt uns in die gesellschaftliche, kulturelle und politische Welt der ungarischen Mittel- und Oberschicht Siebenbürgens zwischen dem Herbst 1904 und den Julitagen 1914. Der hochadlige Autor blickt nicht nur hinter die Kulissen seiner sozialen Schicht und nationalen Gruppe, sondern lässt auch Sachsen und Rumänen sowie die Bauernschaft, wiederholt die rumänische, zu Wort kommen. Eine Reihe von Situationen und Handlungen behandelt er nach authentischen Vorlagen, wie auch seine leitmotivische Kernfrage nach den vertanen Chancen einer verdienten Modernisierung Siebenbürgens im Rahmen eines erneuerten Ungarn wissenschaftlich bestens belegt ist.

Als Bánffy diese regionale Saga aus zahlreichen Erzählsträngen schrittweise, von Band zu Band zu einer Einheit formte, steuerten Ungarn und Rumänien wieder auf einen verheerenden Konflikt um Siebenbürgen zu. Der Graf war trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen? – so frei, an den vorherrschenden Verhältnissen Altungarns – und gewiss auch Trianon-Ungarns – eindringliche Kritik zu üben. Dieser Zug des Romans dürfte den heutigen Lesern nicht minder zusagen als das tatsächliche oder vermeintliche Siebenbürgertum der positiven und negativen Helden dieser Geschichte.

Die Buchvorstellung lief in einer spürbar nachdenklichen Stimmung ab, die Dr. Enikő Dácz mit ihren Fragen gekonnt erzeugte und Andreas Oplatka mit seinen Antworten selbstbewusst wach hielt. Die eingeschobenen Passagen aus den Bänden der Trilogie bereicherten dank der einfühlsamen Darbietungen von Michael Heuberger (Theater Regensburg) das Programm zusätzlich. Anschließend lud der Atlantis-Hausherr Fred Strohmaier zum ungezwungenen Gespräch bei einem Glas Wein ein.

Bernadette Baumgartner


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Schlagwörter: Buchvorstellung, Regensburg, Bánffy

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