4. Juli 2023

In Erinnerung an Adolf Meschendörfer

Vor 60 Jahren, am 4. Juli 1963, starb Adolf Meschendörfer, Schriftsteller und Verfasser der „Siebenbürgischen Elegie“, in Kronstadt (siehe heutiger Jahrestage-Eintrag auf Siebenbuerger.de). An den bedeutenden Schriftsteller erinnert Ortwin-Rainer Bonfert.
Die Kalligraphie von Meschendörfers ...
Die Kalligraphie von Meschendörfers „Siebenbürgischer Elegie“ stammt von Renate Mildner-Müller. Die gebürtige Kronstädterin wurde mit ihren Aquarellen, fantastischem Realismus in Eitempera und als Buchillustratorin bekannt.
Das Bücherregal meines Vaters reichte im 3,5 m hohen Wohnzimmer im Baustil der 30er Jahre bis an die Decke und war für mich als ein Dreikäsegroß ein Kopfhochmagnet, obwohl ich wusste, dass in jenen Büchern gar keine Bilder enthalten waren. Es mussten trotzdem interessante Geschichten drin stehen: Bei Besuch griff mein Vater gelegentlich ein Buch heraus, zeigte es dem Gast und öffnete es an einer bestimmten Stelle, die jener Besucher las, andächtig nickte und anerkennend meinem Vater zurückreichte. Eines jener Bücher war in langweiligem beige und weiß gehalten und muss eine gute Geschichte über eine "Stadt im Osten" enthalten haben. Am Folgetag schnappte ich mir den Stuhl vom Bürotisch, stieg hoch und streckte mich nach jenem Buch. Ha! Da muss doch etwas Besonderes darin verborgen sein. Ich blätterte und fand gelegentlich zwischen den bedruckten Seiten getippte Fragmente fein säuberlich eingeklebt und eine markierte Textstelle auf der Buchseite.

Mein Vater hatte sich die Arbeit gemacht, in die von Kommunisten Rumäniens zensierte Neuauflage der 1980er Jahre die fehlenden Passagen der Originalausgabe von 1931 einzufügen, was sowohl der Vervollständigung des Werkes diente, aber auch die Prinzipien offenbarte, nach denen zensiert worden war - über das, wie es mal war, und das Regime es nicht wahr haben wollte.

Heute vor 60 Jahren ist der Schriftsteller Adolf Meschendörfer gestorben. Ich habe ihn nicht mehr erlebt, sehr wohl aber wie seine Bücher fortlebten und im Sinne des Zeitgeistes Änderungen erleben mussten.

Als Teenager las ich statt jener Geschichte einer Generation und ihrem "Existenzmuster einer kleinen Gemeinschaft in einer schwierigen und hürdenreichen Etappe ihrer Geschichte“ (Peter Motzan) dann doch lieber den Roman "Der Büffelbrunnen" und sang im Gymnasialchor die "Siebenbürgische Elegie" (vertont von Ernst Irtel). Paradox: Das wohl berühmteste und beliebteste Gedicht der Siebenbürger Sachsen stammt von einem Romancier. Dessen Erstlingswerk "Leonore" ist der erste moderne Roman jener deutschen Sprachinsel Rumäniens. Und "Die Stadt im Osten"? Kronstadt/Braşov hat inzwischen den Zweiten Weltkrieg, den Kommunismus und die chaotischen Wendejahre überstanden und wird sich weiter entwickeln und verändern. Das Gesellschaftsleben der Zwischenkriegszeit in jener Region blieben uns literarisch erhalten und sind nach wie vor lesenswert.

Auch ich habe mich verändert: Bin inzwischen fast zwei Meter groß und muss mich nicht mehr nach Büchern strecken, mit ihren Geheimnissen und lang anhaltenden Nachwirkungen.

Ortwin-Rainer Bonfert

Schlagwörter: Meschendörfer, Kronstadt, Jahrestage

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