9. Dezember 2023

Buch über die Trachten der Vertriebenen wurde in Nürnberg vorstellt / Siebenbürger Sachsen gut vertreten

Unter Zwang die Heimat verlassen müssen – das ist ein einschneidendes, traumatisierendes Erlebnis. So erging es Millionen vertriebener Deutscher aus dem östlichen Europa ebenso wie Spätaussiedlern in den 1990er Jahren. Ein Mittel, um mit diesem Verlust fertigzuwerden, war der Griff zu Kulturgut aus der ehemaligen Heimat: Musik, Dialekt, Kochkunst, Tracht. Doch gerade bei der Tracht stellen sich viele Fragen: Wie alt sind die „alten Traditionen“ eigentlich? Gab es sie in der ehemaligen Heimat überhaupt, oder sind sie eher ein Produkt nachkriegszeitlicher Sehnsucht nach der „guten alten Zeit“?
Die Jaaderin Erika Hoos zeigt bei der ...
Die Jaaderin Erika Hoos zeigt bei der Buchpräsentation in Nürnberg „ihre“ Buchseite. Foto: Walther Appelt
Katrin Weber, Leiterin der Trachtenforschungs- und -beratungsstelle des Bezirks Mittelfranken, befragte über 50 betroffene Menschen nach ihrer Lebensgeschichte und ihrer Tracht. Dabei kamen zum Teil erstaunliche Dinge ans Licht. Diese Zeitzeugenberichte bilden den Kern des in dreijähriger Vorbereitungszeit entstandenen Buches „Heimat im Gepäck. Vertriebene und ihre Trachten“. Das reich bebilderte Werk enthält großformatige Aufnahmen moderner Trachtenträger aus verschiedenen Regionen des östlichen Europas: Pommern, Schlesier, Siebenbürger oder Egerländer zeigen ihre farbenfrohen Trachten. Fotograf Walther Appelt hat Menschen aus Vereinen und Verbänden gekonnt und lebendig in Szene gesetzt.

Am 12. November wurde das Buch im Haus der Heimat Nürnberg offiziell vorgestellt. Anwesend waren neben Gästen aus der Politik vor allem Betroffene und Mitwirkende. Viele der im Buch abgebildeten Trachtenträger fanden sich ein, um zusammen das Erscheinen des Werks zu feiern. Weber las Auszüge daraus vor und gab auch Einblicke in die Entstehungsgeschichte. „Im Prinzip sind die Siebenbürger Sachsen ,schuld‘ an der Sache“, schmunzelte sie. Der örtliche Kreisverband war als Ehrengast für den Gredinger Trachtenmarkt 2020 vorgesehen. Als die Pandemie dem einen Strich durch die Rechnung machte, wurde kurzerhand umgeplant. Statt einer Ausstellung zum Markt sollte nun ein Buch entstehen. Die Siebenbürger waren die erste Gruppe, die für das Fotoshooting fürs Buch zusagte.

Neben den Fotografien gibt es auch Textbeiträge. In langer Recherche hat Weber kritischen Fragen nachgespürt: nach Identität und Heimatverlust, nach Erhalt und Weitergabe von Traditionen. Warum pflegen Menschen die Kultur einer Heimat, die sie als Kleinkind verlassen mussten und womöglich nur durch Erzählungen von Eltern und Großeltern kennen? Welchen Anreiz haben beispielsweise Enkel von Vertriebenen, heute noch deren Tracht zu tragen?

Um ein möglichst breites Spektrum abzudecken, kommt ein Team renommierter Fachleute zu Wort. So beschäftigt sich Dr. Lilia Antipow beispielsweise mit den Trachten der Deutschen aus dem östlichen Europa im Spannungsfeld zwischen Ästhetik, Politik und Mode; Dr. Michael Prosser-Schell spürt der Funktion der Tracht bei den Ungarndeutschen nach 1949 nach; Dr. Ingrid Schiel erläutert die geschichtlichen Hintergründe der Trachten bei den Siebenbürger Sachsen, und Prof. Dr. Matthias Stickler legt Programmatik und Entstehung der Vertriebenenverbände dar.

Das 336 Seiten starke Buch wurde vom Bezirk Mittelfranken herausgegeben und ist im Volk Verlag München erschienen. Erhältlich ist es direkt beim Verlag (www.volkverlag.de), auf allen gängigen Onlineplattformen sowie im Buchhandel.

„Heimat im Gepäck. Vertriebene und ihre Trachten“. Herausgegeben vom Bezirk Mittelfranken durch Katrin Weber. Volk Verlag, München, 336 Seiten, zahlreiche farbige Abbildungen, 39,90 Euro, ISBN 978-3-86222-426-5

Schlagwörter: Trachten, Buch, Nürnberg, Haus der Heimat, Kulturgut

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