18. Februar 2024

„Hegt wird gesangen!“: Neue Rubrik mit siebenbürgisch-sächsischen Mundartliedern

In dieser neuen Rubrik wird ab heute monatlich je ein Lied in siebenbürgisch-sächsischer Mundart mit Text, Noten, Akkorden und einigen Erläuterungen zum Inhalt und den Autoren erscheinen. Sie bietet eine ausgezeichnete Möglichkeit, bei den Lesern etliche Lieder wieder in Erinnerung zu rufen, sie zum Singen anzuregen und so auch unser siebenbürgisches Liedgut länger lebendig zu erhalten. Wir alle haben schon erlebt, dass im gemeinsamen Singen kostbare Erinnerungen wach werden und ein glückliches Gefühl alter Verbundenheit über Generationen und Grenzen hinweg entsteht. Außerdem kann das Praktizieren unserer Mundartlieder auch dazu beitragen, dass unser Dialekt nicht so schnell ausstirbt, denn es ist erwiesen, dass eine Mundart in ihren Liedern am längsten lebt. Das Logo mit Schrift und dem unverkennbaren „siebenbürgischen“ Vögelchen wurde dankenswerterweise von der Künstlerin Sieglinde Bottesch gestaltet.
Logo der Rubrik „Hegt wird gesangen!“, gestaltet ...
Logo der Rubrik „Hegt wird gesangen!“, gestaltet von Sieglinde Bottesch
Die Siebenbürger Sachsen praktizierten seit jeher das gemeinsame Singen – sicher spürten sie in ihrem gar nicht leichten Alltagsleben die aufbauende und heilsame Wirkung des Gesangs.

Ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden in den meisten Städten Gesangsvereine und Chorgemeinschaften gegründet. Anfangs wurden ausschließlich deutsche Lieder der Klassik und Romantik gesungen. Das Mildheimische Liederbuch (1799 Gotha, eine Liedauswahl für den Volksschulgebrauch Hermannstadt 1828), wurde auch in den Chören und Schulen Siebenbürgens richtungsweisend.

Als der aus Thüringen stammende Hermann Kirchner 1893 als Musikdirektor nach Mediasch berufen wurde, hoffte er, Inspiration in dem fernen Land Siebenbürgen zu finden. Er fand jedoch ein sehr spärliches sächsisches Liedgut vor. Bald fand er dichterisch begabte, mit Volkstraditionen verbundene Männer, die ihm geeignete Texte lieferten (Weitere Infos zu Hermann Kirchner im Artikel „Bäm Hontertstreoch wird 125 Jahre alt“, Siebenbürgische Zeitung, Folge 4 vom 10. März 2021).

Hermann Kirchner betitelte seine Liederheftchen „Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder“, obwohl sie alle Kunstlieder enthalten, wohl in der Hoffnung, dass diese Lieder einmal zu Volksliedern werden würden. Seine Hoffnung hat sich mehr als erfüllt: Auch nach 125 Jahren werden seine Weisen als „Volkslieder“ immer noch gerne gesungen. Zum Beispiel Melodien auf Texte des Mediascher Rektors Ernst Thullner Af deser Iërd, Äm Må, Än asers Nobers Guërten, Et wor emol en reklich Med und des Gymnasiallehrers und Pfarrers Josef Lehrer Nor den Ug˙e loss mich sähn. In Zusammenarbeit mit dem Mediascher Stadtpfarrer Carl Römer, der für die Texte zeichnet, sind folgende „Volkslieder“ entstanden: „Zeisken huët se’ klinzij Näst“, „Bäm Hontertstreoch, „De Brokt vun Urbijen“, „Wi huët de Streoß gebeangden?“, „Der grän Jäger“, „Wåånderlid“.

Kirchner hat das Singen in Mundart neu belebt. Seinem Beispiel folgten Georg Meyndt, Andreas Nikolaus, Martin Kutschis, Heinrich Emil Bretz, Heinrich Bretz, Fritz Shuller, Andreas Schuller, Rudi Klusch, Hans Mild u.a.

Anna Schuller-Schullerus, Grete Lienert-Zultner und Frida Binder-Radler schrieben erfolgreiche Singspiele in Mundart. Ihre Lieder im volkstümlichen Stil, die bei diesen Gelegenheiten erklangen, wurden mündlich weitergegeben und schnell Volksgut, wobei manch ein Lied im Laufe der Zeit kleine Abweichungen in Text und Melodie erfahren hat.

Das möge Sie nicht stören. Singen Sie die Lieder so, wie sie Ihnen ­geläufig sind und in Ihrer eigenen Ortsmundart. Hauptsache, Sie singen und geben Ihre Lieblingslieder auch an die nächste Generation weiter. Hier werden die Lieder in der Mundart der Autoren abgedruckt, überwiegend in einem Umgangssächsisch auf Schäßburger, Hermannstädter oder Mediascher Grundlage, das sicher die meisten Leser verstehen werden.

Viele Landsleute sprechen Schwierigkeiten beim Lesen sächsischer Texte an. Die Texte dieser Lieder werden nach den neuen Rechtschreibregeln aller deutschen Mundarten gedruckt, die sich weniger Sonderzeichen bedient und so geschrieben wird, dass auch jemand, dem die Mundart nicht geläufig ist, die Wörter annähernd richtig aussprechen kann. Auch Sie werden sich sicher schnell daran gewöhnen. Das laute Lesen könnte das Verständnis erleichtern. Trauen Sie sich!

Näheres zur Schreibweise und der Rechtschreibung in Mundart finden Sie in der SbZ vom 30. November 2005, S. 6, 20. Januar 2006, S. 6, 20. Februar 2006, S. 11, 15. April 2006, S. 6, 15. Juni 2020, S. 10, sowie in den Büchern „Sachsesch Wält. Mundarttexte aus der Siebenbürgischen Zeitung“, Hgg. Hanni Markel, Bernddieter Schobel, Hans-Werner Schuster, München 2010, und „E Liedchen hälft ängden – Alte und neue Lieder aus Siebenbürgen“, Hgg. Angelika Meltzer und Rosemarie Chrestels, Verlag Haus der Heimat Nürnberg 2017, 18, 20, Seite 347-349. Die zuletzt genannte Liedersammlung enthält über 300 Lieder aus Siebenbürgen, die meisten in Mundart, von einstimmigen Kinderliedern bis zu vierstimmigen Chorsätzen, alle auch mit hochdeutscher Übersetzung.

Hiermit geht auch ein Aufruf an alle Leser, wenn ihnen noch Lieder aus Siebenbürgen einfallen, die früher zu verschiedenen Gelegenheiten gesungen wurden, und die es wert sind, veröffentlicht zu werden, sich bei mir zu melden, Telefon: (0911) 735649, E-Mail: meltzerangelika[ät]web.de. Um zu erfahren, ob Ihr Lied schon gedruckt wurde, schlagen Sie auch das Inhaltsverzeichnis der Liedersammlung „E Liedchen hälft ängden“ unter https://www.angelika-meltzer.de nach. Mit obigen Kontaktdaten kann auch die Liedersammlung zu 21 Euro, zuzüglich 3 Euro Versand, bestellt werden.

Vielleicht haben Sie auch ein besonderes oder schicksalhaftes Erlebnis mit einem Lied gehabt, dann schreiben Sie es auf. Wichtig ist mir, auch Hintergrundwissen zum Textdichter oder Komponisten zu vermitteln. Unter uns weilen noch einige Nachfahren der Liedschöpfer, die sicher auch noch interessante Erinnerungen mitteilen können.

In der SbZ Online können Sie das jeweilige Lied anhören: Zeïsken huët se’ klinzij Näst mit dem Zenderscher Chor unter siebenbuerger.de/go/858U und mit dem Burgberger Chor unter siebenbuerger.de/go/859U.

"Zeïsken huët se’ klinzij Näst (Hiemetstroa)"

Hiemetstroa (Zeïsken huët se’ klinzij Näst) erschien 1899 in Heft III der Siebenbürgisch-sächsische Volkslieder von Hermann Kirchner in Mediasch. Die ersten beiden Strophen stammen vom Zendrescher Lehrer Friedrich Ernst (1860-1928); die Strophen drei und vier vom Mediascher Gymnasiallehrer und Stadtpfarrer Carl Römer (1860-1942).

Der Liedtext entstand, als die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen schwer erschüttert wurde: 1867 Aufhebung der Nationsuniversität und intensive Maßnahmen zur Magyarisierung. Trotz aller Widrigkeiten – die dornenreiche Stachelbeerhecke, die lauernden Katzen – kehrt der Zeisig immer wieder in sein Nest zurück. Das Häschen fürchtet die Jagdhunde nicht und findet ebenfalls immer wieder heil zurück in seine Sasse am Weinberg. In den nächsten beiden Strophen in Ich-Form kommt Carl Römers Heimweh zum Ausdruck, als er zum Studium in Halle, Berlin und Jena weilte. Bildhaft gesehen soll der Text die Zeitgenossen ermuntern, dass auch diese widrigen Hindernisse überwindbar sind und das Vaterhaus in sächsischer Gemeinschaft eine sichere Zufluchtsstätte ist.
Auch heute noch wird dieses Lied gerne von Chören gesungen. Obwohl nur einige (z.B. die sogenannten Sommersachsen) den Zugvögeln gleich im Sommer regelmäßig ihr Vaterhäuschen in der alten Heimat aufsuchen, so wird beim Singen oder Hören des Liedes sicher auch eine sehnsüchtige Heimkehr in Gedanken stattfinden können.

Beachten Sie bitte „ich“ und „dich“ in der 3. Strophe und „ich“ und „ech“ in der 4. Strophe. Das ist kein Druckfehler und ist so richtig. Leider benützen heute viele Landsleute, wenn sie Mundart sprechen, nur noch „ech“, weil sie fälschlicherweise meinen, „ich“ sei hochdeutsch. Das stimmt so nicht. Lesen Sie bitte dazu Hanni Markels Artikel in der SbZ vom 20. Februar 2006, Seite 11. „Dem wirklichen Mundartsprecher klingt dieser Exzess betonter Formen so schlecht, wie es einem Franzosen klingt, der ein je bekommt, wenn er ein moi erwartet.“ (Michael Markel)

Angelika Meltzer

Schlagwörter: Hegt wird gesangen, Lieder, Mundart

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