14. April 2006

Den Sinn des christlichen Glaubens verdeutlicht

Das Fresko in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche an der Nordseite des Chores, oberhalb des Sakristeieinganges, lädt ein, über Karfreitag und Ostern nachzudenken. Der Autor der diesjährigen Osterbotschaft, Dekan i.R. Hermann Schuller, ist geschäftsführender Vorsitzender des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater Schwaben im Diakonischen Werk der EKD.
Das großflächige Bild (5,06 x 9, 48m) des Johannes von Rosenau aus dem Jahre 1445, in seiner Ganzheit gekonnt fotografiert von Otto Schemmel (Augsburg), ist zweifellos ein bedeutendes, großartiges Kunstwerk, das die Jahrhunderte überdauert hat, trotz mehrerer Veränderungen und Übermalungen. Es schmückt nicht nur über ein halbes Jahrtausend das altehrwürdige Gotteshaus, sondern vermittelt der Gemeinde eine Vorstellung vom Heilshandeln Gottes in dieser Welt, wie es die vier Evangelien berichten. Eine heimatliche Aktualisierung ist zu erkennen.

Nicht zu übersehen ist die Zeit, in der das Bild entstanden ist. Politisch waren die Siebenbürger Sachsen zwischen "zwei Stühle" geraten: Da unglücklicherweise zwei ungarische Könige gekrönt wurden, huldigten sie mal Ferdinand von Habsburg und mal Johann Zápolya. Zudem galt es den häufigen Türkeneinfällen zu widerstehen.

Die Kreuzigung. Fresko in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt von Johannes von Rosenau (1445). Foto: Otto Schemmel
"Die Kreuzigung". Fresko in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt von Johannes von Rosenau (1445). Foto: Otto Schemmel

Wollte die Hermannstädter Kirchengemeinde mit der Anfertigung dieser großen Wandmalerei nochmals dargestellt bekommen, worauf es im christlichen Glauben in schweren Zeiten innerer und äußerer Bedrohung ankommt?

Die Mitte der Komposition ist das hoch aufgerichtete Kreuz. Jesus ist ans Kreuz genagelt. Es sollte ein endgültiges, unumkehrbares Geschehen sein. Die beiden Übeltäter zu seiner Linken und zu seiner Rechten sind (nur) mit Stricken an das Kreuz gebunden.

Links vom Kreuz sind Frauengestalten gruppiert. Von dieser Seite wird Jesus der Schwamm mit Essig auf einem Ysoprohr an den Mund gehalten (Johannes 19,29), und ein Soldat stößt mit einem Speer in seine Seite (Johannes 19, 34). Rechts sind Hohepriester und Männer aus dem hohen Rat dargestellt. Sachverständige erkennen ihre Bekleidung als ungarische Trachten aus dem Mittelalter.

Oberhalb der Kreuzigungsszene ist links die Geburt Jesu dargestellt, rechts die Taufe durch Johannes und in der Mitte die Himmelfahrt. Darüber ist die Sonne, in deren Mitte die hebräische Inschrift Jehova/Jahwe, die Bezeichnung für Gott, angebracht ist. Im Mittelalter war es üblich, den Namen "Jahwe", was "ich bin hier, ich werde sein" bedeutet, mit hebräischen Buchstaben an Altären oder Fresken einzugravieren. Damit kommt die Kontinuität in der Heilsgeschichte zum Ausdruck. "Denn es hat Gott wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte und er durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut." (Kolosser 1,19/20)

Im unteren Teil ist eine Christusdarstellung hinter Vergitterung, flankiert von zwei Vierpässen und zwei knienden anonymen Stiftergestalten.

Der Betrachter des Bildes wird vorrangig auf die Kreuzigungsszene gelenkt. Jesu Kreuzigung ist die Mitte. Der Darsteller hebt die Wunden Jesu besonders hervor. Von ihnen gehen Strahlen aus. Dabei wird an das stellvertretende Leiden des Gottesknechtes bei Jesaja 53,5 gedacht: "Aber er ist um unsere Missetat willen verwundet und um unsere Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten und durch seine Wunden sind wir geheilt."

In der Auseinandersetzung der jungen christlichen Gemeinden mit den geistigen Strömungen im ersten nachchristlichen Jahrhundert verkündigt der Apostel Paulus: "Wir predigen den gekreuzigten Christus, ... als Gottes Kraft und Gottes Weisheit." (1.Korinther. 1,23-24)

Wenn wir in den nächsten Tagen den Karfreitag und Ostern feiern, wissen wir, dass es in der weiten Welt keinen Frieden gibt. Wir wissen auch, dass religiöser Extremismus "brennende" Probleme aufwirft. Ein Kampf der Kulturen wird befürchtet.

Als Christen wissen wir aber um die versöhnende Kraft des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus, eine Kraft, die uns in seiner Gemeinschaft zu neuem Leben geschenkt wird.

Hermann Schuller

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 6 vom 15. April 2006, Leitartikel)

Schlagwörter: Kirche und Heimat, Hermannstadt

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