1. Dezember 2008
Heimatsammlungen als Forschungsgegenstand
Am 18. November wurde im Oldenburger Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa das Projekt „Dokumentation der Heimatsammlungen in Deutschland“ vor rund siebzig Teilnehmern aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft präsentiert. Die beiden Projektleiter – Prof. Dr. Silke Göttsch-Elten von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und Prof. Dr. Matthias Weber, Direktor des Bundesinstituts –, die Ethnologin Dr. Heinke Kalinke sowie die Projektbearbeiterin Cornelia Eisler, M.A. stellten das Projekt vor.
Der Bundestagsabgeordnete Jochen-Konrad Fromme sprach ein Grußwort, Ministerialrätin Sabine Deres, zuständige Referatsleiterin beim Beauftragten für Kultur und Medien, sowie Vertreter mit der Materie befasster Ministerien aus sieben Bundesländern sprachen über die wissenschaftspolitische Bedeutung des Vorhabens, Vertreter des Deutschen Museumsbundes, des niedersächsischen Museumsverbandes, des Bundes der Vertriebenen und der Landsmannschaften und nicht zuletzt ehrenamtliche Betreuer von Heimatstuben beteiligten sich an der lebhaften Diskussion.
Zu den Teilnehmern gehörten auch Dr. Swantje Volkmann, Kulturreferentin für Südosteuropa beim Donauschwäbischen Zentralmuseum in Ulm und Marius Joachim Tataru, Kustos des Siebenbürgischen Museums Gundelsheim, dessen in dieser Zeitung (Siebenbürgische Zeitung Online vom 8. November 2008) publizierter Aufruf zur Dokumentation siebenbürgisch-sächsischer Heimatstuben und -sammlungen als ein erfreuliches Beispiel der Eigeninitiative herausgestellt und gelobt wurde.
Das Forschungsprojekt bezieht sich auf die ca. 400 Heimatsammlungen der Flüchtlinge, Vertriebenen und Aussiedler, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland gegründet wurden. Diese Einrichtungen, die bis heute ein Beispiel für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement darstellen, repräsentieren gleichzeitig ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte. Das vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Projektweg finanzierte Vorhaben hat zum Ziel, in enger Kooperation mit den Bundesländern, eine vollständige Erfassung und Präsentation der in Deutschland bestehenden Heimatsammlungen zu erstellen.
Die Ergebnisse werden laufend aktualisiert in der öffentlich zugänglichen Internet-Präsentation www. bkge.de/heimatsammlungen. Des Weiteren ist eine Gesamtdarstellung zur Geschichte und Bedeutung der Heimatsammlungen geplant, die die Thematik der Heimatsammlungen interdisziplinär im Kontext von Erinnerungskultur und kollektivem Gedächtnis wissenschaftlich aufgreift. In wechselseitiger Ergänzung sollen beide Projektteile die Bedeutung der Heimatsammlungen als Elemente der deutschen Erinnerungskultur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart dokumentieren. Die wissenschaftliche Bedeutung hat Prof. Göttsch-Elten herausgestellt. Es ginge nicht nur „um die Erinnerungen einer Erlebnisgeneration“, auch die „Positionierung der Heimatsammlungen in gegenwärtigen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen“ müsse geklärt werden. In diesem Zusammenhang stellte die Kieler Ethnologin vier Thesen vor, die bei dieser Positionierung hilfreich sein können:
1. Sie gehören zum kulturellen Erbe, sowohl die Exponate als auch die Art ihrer Präsentation;
2. Sie sind „Links zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis“, zeigen zum einen, wie die Erlebnisgeneration die Heimatstuben als „Räume des Austausches, der Begegnung und der Vergegenwärtigung eines gemeinsamen Schicksals“ gestaltet hat, als „eine Strategie der Sicherung von Identität, der Vergewisserung der verlorenen Heimat und des allmählichen Annäherns an die neue Umgebung.“ Mit dem Übergang zu den nachfolgenden Generationen vollziehe sich der Wandel der Heimatsammlungen zum Speichermedium, das der öffentlichen Deutung von Geschichte dienen könne.
3. Sie sind Orte, an denen ein Verständnis von Heimat verhandelt wird, und zwar im doppelten Sinne: Zunächst als Orte, an denen versucht wurde, den Verlust von Heimat zu kompensieren, sich aber auch eine neue Heimat anzueignen, wodurch sie „zwischen Verlusterfahrung und Gegenwart“ vermitteln, und heute als Orte, die davon erzählen, „wie Aneignung und Beheimatung funktionieren können.“
4. Sie sind Orte, an denen über Europäisierung von Kultur nachzudenken ist. Das verstärkte Interesse an den Heimatsammlungen hat sicherlich mit der Öffnung der Grenzen in Europa zu tun. „Selbstverständlicher, aber sicher nicht problemlos und unreflektiert, als je zuvor ist es möglich, deutsche Kultur als Teil der Kultur ost- und mitteleuropäischer Staaten zu sehen.“ Damit zeige sich, wie stark die Ereignisse zu Kriegsende und deren Folgen dazu herausfordern, uns mit unseren Bildern von nationaler und nationalisierter Kultur auseinanderzusetzen. „Europa als ein kulturelles Gebilde zu begreifen, das weit mehr ist als die Summe seiner nationalen Kulturen“, sei eine schwierige Aufgabe, meint Göttsch-Elten. Die wissenschaftspolitische Bedeutung des Projektes hob Ministerialrätin Sabine Deres hervor. „Sehnsucht nach Heimat ist – neben aller politischen und historischen Ratio – ein subjektives Schlüsselmotiv für unser Bestreben, unser kulturelles Erbe erhalten zu wollen“. Die Heimatsammlungen, die meist dank des jahrzehntelangen und hingebungsvollen Engagements ehrenamtlicher Betreuer entstanden sind und bestehen bleiben konnten, seien Teil dieses Erbes. Daher sei auch die Beratung und Betreuung bei der Präsentation der Sammlungen, aber auch bei der Sicherung bedrohten Kulturguts eine wichtige Aufgabe.
Das Projekt führe „nicht nur Wissenschaft und Zivilgesellschaft, Bund und Länder zusammen – nein, zudem hat sich hier Althergebrachtes aus einer Art würdevollem Dornröschenschlaf auf den Weg in die Supermoderne – ins world wide web – begeben. Die internetgestützte Datenbank wächst und wächst und erfreut sich bereits im Stadium des Entstehens regen Zuspruchs von Seiten der Betreuer von Heimatsammlungen. Welch beeindruckende Vorstellung, dass am Ende tatsächlich erstmals eine Dokumentation und Präsentation aller Heimatsammlungen in Deutschland stehen kann. Fast so etwas wie ein virtuelles Denkmal für die Leistungen und Akzentsetzungen der Vertriebenen und Flüchtlinge und deren Integration in Deutschland.“
Auf der weiter oben genannten Internet-Präsentation sind vorerst nur vier siebenbürgisch-sächsische Heimatsammlungen aufgeführt. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn sich – dank der Initiative des Siebenbürgischen Museums – die Karte der Standorte sowie der Herkunftsorte siebenbürgisch-sächsischer Erinnerungsstätten verdichten würde.
Das Forschungsprojekt bezieht sich auf die ca. 400 Heimatsammlungen der Flüchtlinge, Vertriebenen und Aussiedler, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland gegründet wurden. Diese Einrichtungen, die bis heute ein Beispiel für ehrenamtliches und bürgerschaftliches Engagement darstellen, repräsentieren gleichzeitig ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte. Das vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien im Projektweg finanzierte Vorhaben hat zum Ziel, in enger Kooperation mit den Bundesländern, eine vollständige Erfassung und Präsentation der in Deutschland bestehenden Heimatsammlungen zu erstellen.
Die Ergebnisse werden laufend aktualisiert in der öffentlich zugänglichen Internet-Präsentation www. bkge.de/heimatsammlungen. Des Weiteren ist eine Gesamtdarstellung zur Geschichte und Bedeutung der Heimatsammlungen geplant, die die Thematik der Heimatsammlungen interdisziplinär im Kontext von Erinnerungskultur und kollektivem Gedächtnis wissenschaftlich aufgreift. In wechselseitiger Ergänzung sollen beide Projektteile die Bedeutung der Heimatsammlungen als Elemente der deutschen Erinnerungskultur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis in die Gegenwart dokumentieren. Die wissenschaftliche Bedeutung hat Prof. Göttsch-Elten herausgestellt. Es ginge nicht nur „um die Erinnerungen einer Erlebnisgeneration“, auch die „Positionierung der Heimatsammlungen in gegenwärtigen gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Diskursen“ müsse geklärt werden. In diesem Zusammenhang stellte die Kieler Ethnologin vier Thesen vor, die bei dieser Positionierung hilfreich sein können:
1. Sie gehören zum kulturellen Erbe, sowohl die Exponate als auch die Art ihrer Präsentation;
2. Sie sind „Links zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis“, zeigen zum einen, wie die Erlebnisgeneration die Heimatstuben als „Räume des Austausches, der Begegnung und der Vergegenwärtigung eines gemeinsamen Schicksals“ gestaltet hat, als „eine Strategie der Sicherung von Identität, der Vergewisserung der verlorenen Heimat und des allmählichen Annäherns an die neue Umgebung.“ Mit dem Übergang zu den nachfolgenden Generationen vollziehe sich der Wandel der Heimatsammlungen zum Speichermedium, das der öffentlichen Deutung von Geschichte dienen könne.
3. Sie sind Orte, an denen ein Verständnis von Heimat verhandelt wird, und zwar im doppelten Sinne: Zunächst als Orte, an denen versucht wurde, den Verlust von Heimat zu kompensieren, sich aber auch eine neue Heimat anzueignen, wodurch sie „zwischen Verlusterfahrung und Gegenwart“ vermitteln, und heute als Orte, die davon erzählen, „wie Aneignung und Beheimatung funktionieren können.“
4. Sie sind Orte, an denen über Europäisierung von Kultur nachzudenken ist. Das verstärkte Interesse an den Heimatsammlungen hat sicherlich mit der Öffnung der Grenzen in Europa zu tun. „Selbstverständlicher, aber sicher nicht problemlos und unreflektiert, als je zuvor ist es möglich, deutsche Kultur als Teil der Kultur ost- und mitteleuropäischer Staaten zu sehen.“ Damit zeige sich, wie stark die Ereignisse zu Kriegsende und deren Folgen dazu herausfordern, uns mit unseren Bildern von nationaler und nationalisierter Kultur auseinanderzusetzen. „Europa als ein kulturelles Gebilde zu begreifen, das weit mehr ist als die Summe seiner nationalen Kulturen“, sei eine schwierige Aufgabe, meint Göttsch-Elten. Die wissenschaftspolitische Bedeutung des Projektes hob Ministerialrätin Sabine Deres hervor. „Sehnsucht nach Heimat ist – neben aller politischen und historischen Ratio – ein subjektives Schlüsselmotiv für unser Bestreben, unser kulturelles Erbe erhalten zu wollen“. Die Heimatsammlungen, die meist dank des jahrzehntelangen und hingebungsvollen Engagements ehrenamtlicher Betreuer entstanden sind und bestehen bleiben konnten, seien Teil dieses Erbes. Daher sei auch die Beratung und Betreuung bei der Präsentation der Sammlungen, aber auch bei der Sicherung bedrohten Kulturguts eine wichtige Aufgabe.
Das Projekt führe „nicht nur Wissenschaft und Zivilgesellschaft, Bund und Länder zusammen – nein, zudem hat sich hier Althergebrachtes aus einer Art würdevollem Dornröschenschlaf auf den Weg in die Supermoderne – ins world wide web – begeben. Die internetgestützte Datenbank wächst und wächst und erfreut sich bereits im Stadium des Entstehens regen Zuspruchs von Seiten der Betreuer von Heimatsammlungen. Welch beeindruckende Vorstellung, dass am Ende tatsächlich erstmals eine Dokumentation und Präsentation aller Heimatsammlungen in Deutschland stehen kann. Fast so etwas wie ein virtuelles Denkmal für die Leistungen und Akzentsetzungen der Vertriebenen und Flüchtlinge und deren Integration in Deutschland.“
Auf der weiter oben genannten Internet-Präsentation sind vorerst nur vier siebenbürgisch-sächsische Heimatsammlungen aufgeführt. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn sich – dank der Initiative des Siebenbürgischen Museums – die Karte der Standorte sowie der Herkunftsorte siebenbürgisch-sächsischer Erinnerungsstätten verdichten würde.
KG
Schlagwörter: Heimatsammlungen, Museum
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Neueste Kommentare
- 01.12.2008, 17:23 Uhr von Johann: Ein Link funktioniert nicht und zwar www. bkge.de/heimatsammlungen. Da ist ein Leerzeichen zu viel. [weiter]
- 01.12.2008, 09:08 Uhr von gogesch: In der Liste auf der genannten Homepage fehlen mindestens 2 weitere Häuser: 1. Haus der ... [weiter]
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