25. Dezember 2008

Ein Weihnachtsbrauch in Siebenbürgen: Der „Lichtert“

Vor dem Zweiten Weltkrieg und vereinzelt bis heute wird zu Weihnachten in Siebenbürgen der von alters her gepflegte siebenbürgisch-sächsische „Lichtertbrauch“ gefeiert. Der „Lichtert“ (Leuchter) ist an und für sich ein Lichtträger. Er dient zu Weihnachten als Lichtquelle beim Leuchtertsingen der Schulkinder in der „Lächtschenkirich“, der Lichterkirche, auch Frühkirche genannt. Sie wird nach 1945 vielerorts auf Heiligen Abend vorverlegt. Die Ursprünglichkeit dieses Brauches liegt im Dunkeln.
Gebietsweise findet man eine Ähnlichkeit in der Fertigung des Lichtertgestells. So zum Beispiel ist in der Repser Gegend der Lichtert der Form nach dem „Baibes“, dem Bienenkorb ähnlich. Am Lichtertstab, welcher dem fertigen Gestell Halt gibt, werden Reifen (Kränze), gebogene Überschienen und in deren „Öffnungen“, zwischen Reifen und Überschienen, kreuzweise Schienchen (gebogene Haselruten) befestigt. Reifen, Überschienen und Schienchen werden meistens mit Wintergrünblättchen schuppenartig bekleidet. Dafür sammelt man rechtzeitig das Wintergrün.

In der Adventszeit besorgen die größeren Schulkinder das Wintergrün für ihren Lichtert. Vor dem Wintergrünholen beachten sie überlieferte Gepflogenheiten. So werden vorher zum Beispiel die ältesten oder die besten Schulkinder, je nach der Anzahl der Lichtert, als „Lichtertträger“ bestimmt. Sie wählen nun ihrerseits für ihre Gruppe zuerst die besten Sänger/-innen aus, bis alle Kinder ausgewählt werden. Unter Aufsicht des Lehrers oder eines Erwachsenen gehen sie geschlossen Wintergrün holen. Jede Gruppe füllt ihre Körbe und Quetschen (gespaltene Haselnussstöcke) für die gesammelten Wintergrünsträußchen. Das gesammelte Gut wird in den Körben und der „Quetsche“ an einem kühlen Ort bis zum Leuchtertbinden aufbewahrt. Mancherorts feiert man das Wintergrünholen als einen Ausflug mit Gesang und Lagerfeuer, gebratenem Speck und Brot. In anderen Orten wird das Wintergrünholen ganz anders gestaltet.

Deutschkreuzer Lichtert 2007. Foto: Werner ...
Deutschkreuzer Lichtert 2007. Foto: Werner Förderreuther
Das Schmücken des Leuchters besorgen die Kinder unter Anleitung Erwachsener. Es reicht vom einfachen Anbringen handgefertigter bunter Papierblumen und Fähnchen an den Lichtert (Leblang, Schweischer) bis hin zum Behängen der Leuchter mit von Hand gefertigten Ketten aus Buntpapier, Popcorn, gekauftem Flitter sowie verschiedener Glaskugeln und Vögelchen. Auch vergoldete Nüsse, unterschiedliche ausgesägte oder gekaufte Figuren trifft man gelegentlich als Lichtertschmuck an. Mancherorts bindet man Ketten wie Girlanden um den Lichtert. Zum Schmücken des Lichterts werden heute auch die im Handel angebotenen Weihnachtsfiguren verwendet. Ein „Siebengestirn“ krönt den Deutschkreuzer Lichtert. Bunte Papierformen, mit Kerzen bestückt, schmücken ihn. „Lichter“ (Kerzen) und Wintergrün fehlen an kaum einem Lichtert.

In der letzten Adventswoche vor Weihnachten wird der Lichtert fertiggestellt. Abend für Abend sitzen die Kinder um die Reifen (Kränze) und Schienen, auf der Vorderseite mit abgepflücktem Wintergrün schuppenartig bekleidet, zu binden. Andere fertigen den letzten Lichtertschmuck an. Die selbstgezogenen oder gekauften Kerzen und die mit Scherenschnitt beklebten oder beschrifteten bunten, bemalten Fähnchen werden zuletzt am Lichtert befestigt. Die Kerzen zündet man kurz an. Der geschmückte Lichtert wird nun an einem kühlen Ort bis Weihnachten aufbewahrt.

Die Lichtertsänger versammeln sich vor Beginn der Frühkirche im Kirchenhof. Sie scharen sich um ihren Lichtertträger und gehen hinter ihm auf den ihnen angewiesenen Platz in die Kirche. Der Lichtertstab wird in eine Nabe gesteckt und langsam gedreht. So kann der Lichtert von allen Seiten begutachtet und bewundert werden. Seine Kerzen leuchten hell in den Kirchenraum. Die Orgel beginnt zu spielen und gibt den Einsatz zum „Lichtertsingen“. Im Wechselgesang singen die Kinder des ersten Lichterts die erste Zeile des vorgegebenen Liedes, dann setzen die des zweiten Lichtert ein, wenn mehrere sind, die Kinder des dritten, vierten ... Die letzte Strophe singt gewöhnlich die ganze Gemeinde mit. Bekannt ist das „Lichtertsingen“ auch zu Neujahr und am Epiphaniastag.

Der Lichtertbrauch hat sich heute fast in allen siebenbürgisch-sächsischen Orten ausgelebt. Doch erfreulicherweise erstehen „Lichtert“, meist aus Kunststoff gefertigt, nun hier in Deutschland, in der neuen Heimat der Siebenbürger Sachsen.

Rose Schmidt

Schlagwörter: Weihnachten, Brauchtum

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Neueste Kommentare

  • 28.12.2008, 19:21 Uhr von der Ijel: Bairewaund uch Påppeschjer! Diese Beiden Begriffe fallen mir ein wenn ich an unseren ... [weiter]

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