22. März 2009

Deportation in die Sowjetunion – Zeichner identifiziert

Im Jahre 1945 wurden etwa 75 000 Deutsche aus Rumänien, darunter etwa 30 000 Sachsen, zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert. Dieses Verbrechen gegen die Menschheit ist nach wie vor ein wichtiges Thema und jedes einzelne Dokument ist von größter Bedeutung. Fritz Göckler weist auf den wahren Urheber einer häufig veröffentlichten Zeichnung hin. Die Zeichnung des Lagers Petrovka stammt von seinem Vater, Fritz Göckler.
Die hier abgebildete Zeichnung des Lagers Petrovka stammt aus den Jahren 1945/1949. Sie ist in drei Büchern über die Deportation in die Sowjetunion erschienen, ohne dass der Name des Urhebers erwähnt wurde. Im Buch „Doswidanija Stalin“ von Bernhard Ohsam, Westkreuz-Verlag Berlin/Bonn, erscheint die Zeichnung auf der zweiten Seite. Im Text zur Zeichnung (S. 8) heißt es: „Über einen etwas verschlungenen Umweg gelangte plötzlich eine grafische präzise Darstellung des Lagers auf meinen Schreibtisch. In Form einer Postkarte des Genfer Internationalen Roten Kreuzes, auf der die Häftlinge ab 1946 in vorgeschriebenem Zeittakt Lebenszeichen an ihre Angehörigen schicken durften. Ein deportierter Architekt hat dieses kleine Kunstwerk für ein paar Rubel für seine Mitinsassen angefertigt, und so konnte ich inzwischen viele Stunden die Vedute unseres Lagers Petrovka betrachten. Mit der Lupe jeden Winkel wiederentdecken, der bei Niederschrift meines Romans eine Rolle spielte.“
Fritz Göckler: Lagerkarte Petrowka 1945/1946 ...
Fritz Göckler: Lagerkarte Petrowka 1945/1946
In dem Buch „Das große Leid: Deportationsberichte“, herausgegeben von Rose Schmidt, ist die gleiche Zeichnung auf Seite 198 abgebildet. Darunter steht: „Lagerkarte von Petrowka (Zeichnung eines Deportierten: Hermann Schmidt)“. Anhand dieser Beschriftung könnte man annehmen, Hermann Schmidt sei der Zeichner. Er war jedoch nur Einsender der Karte. Im gleichen Buch schreibt der Mitinsasse Willi Krempels in seinem Erlebnisbericht: „Als technischer Berater und Zeichner des Bauunternehmens ‚Stroikantora‘ war der Bauingenieur Glöckner [richtig Göckler] aus Mediasch tätig. Der Leiter des Unternehmens hatte in ihm eine große Hilfe und Stütze. Er wurde nicht nur vom Leiter Kowalenko geschätzt und geehrt, sondern auch von den russischen Meistern und einfachen Arbeitern.“

In einer weiteren Publikation, „Deportation der Südostdeutschen in die Sowjetunion 1945-1949“, herausgegeben von Hans-Werner Schuster und Walther Konschitzky, erscheint die gleiche Zeichnung ein drittes Mal. Diesmal im Anhang, als Dokument mit dem Vermerk: „Ansicht des Lagers Petrowka, Kreis Stalino (heute Donezk) Bleistiftskizze. Leihg.: Günter Czernetzky“.

Ich erachte es als richtig und empfinde es als persönliche Pflicht gegenüber meinem Vater und als Herzensangelegenheit, diese Richtigstellung zu veröffentlichen. Der Urheber dieser oft erwähnten und abgebildeten Zeichnung ist Fritz Göckler, Baumeister und Architekt aus Mediasch. Er hat sich durch das Zeichnen von Karten ein bescheidenes Zubrot verdient. Über Umwege erhielt ich sein Tagebuch, welches er vom 21. August 1946 bis zum 7. Februar 1947 führte. Darin schreibt er am 5. September: „Habe einen neuen Entwurf für eine Karte mit dem Sägewerk drauf“ und am 30. Oktober: „Soll heute eine Lampe in meinen Winkel bekommen, vielleicht kann ich wieder etwas verdienen mit zeichnen von Lagerkarten … sonst ist es schlimm“.

Fritz Göckler starb im Lager von Petrowka am 21. Februar 1947. Er hatte ein Magenleiden und wurde leider nicht mit einem Krankentrans port nach Hause entlassen. Ich selbst bin im Besitz des Originals einer solchen Karte. Isolde Honig (geb. Solich), Mitinsassin des Lagers, hat sie mir freundlicherweise überlassen, obwohl Fritz Göckler ihr diese persönlich gewidmet hat.

Fritz Göckler

Schlagwörter: Deportation

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