24. Januar 2010

Banater Volksdichter Hans Kehrer gestorben

Wenige Tage vor Weihnachten 2009 hat das Banat seinen Volksdichter verloren. Wie soll man ihn nennen? Er wurde Stefan Heinz getauft. Dann hieß er aber auch Hans Kehrer oder Vedder Matz. Ein langes, ereignisreiches, durch unermüdliche Arbeit geprägtes Leben hat ein Ende gefunden.
1913, als noch Kaiser Franz in Wien residierte, wurde Stefan Heinz in Totina, einem kleinen Ort in der Banater Heide, geboren. Seither ist fast ein Jahrhundert verflogen, das die Welt völlig verändert hat. Weltreiche zerfielen, Diktatoren wurden gestürzt, verjagt, exekutiert. Radio, Auto, Flugzeug, Fernsehen, Penicillin und Atom bestimmten das Geschehen. Und mitten drin, der kleine Schwab! Er wurde Volksschullehrer mit Leib und Seele. Er blieb es sein Leben lang – dem schwäbischen Dorf mit allen Fasern seines Seins verbunden.

Der Banater Volksdichter und Schauspieler Heinz ...
Der Banater Volksdichter und Schauspieler Heinz Kehrer (1916-2009).
Bald wurde man auf den unermüdlichen Erzieher, der Gedichte schrieb, kleine Theaterstücke verfasste und mit seinen Schülern inszenierte, der eine Messe für die kleine Kirche komponiert hatte, aufmerksam und bald bereiste er das Land als Schulinspektor der deutschen Schulen des Banats und Siebenbürgens. Doch dunkle Wolken zogen sich zusammen, und wie es so oft in der Geschichte geschieht: Schwierige Zeiten schaffen Persönlichkeiten! Nach dem völligen Zusammenbruch, bei den ersten zagen Schritten um das Überleben deutscher Kultur und Literatur wuchs Hans Kehrer – der nicht mehr Stefan Heinz heißen durfte, zu einer der Säulen schwäbischer Überlebensstrategie heran. Bei der Gründung des Deutschen Theaters in Temeswar stand er in erster Reihe. Er spielte, schrieb, wer erinnert sich nicht an die herrliche Volkskomödie „Es geht um die Heirat“ oder „Meister Jakob und seine Söhne“ und er erfand seine dritte Identität – den Vedder Matz, eine Gestalt, die aus dem Banater Kulturgut nicht wegzudenken ist. Vielleicht erfand er den Vedder Matz auch gar nicht. Vielleicht war es er selbst, vom ersten Tag an!

Als er mit seinen späteren Stücken „Viehwaggon 21“ Und„Zwei Schwestern“ Themen aufgriff, die „Partei und Regierung“ nicht genehm waren, wurden die Winke des Unwillens der lokalen Obrigkeiten deutlich: Er sei nicht mehr gewünscht. Eine weitere Tätigkeit oder auch nur ein Bleiben war „gefährlich!“

Wie schwer es ihm fiel, wird wohl niemand erfahren. Er entschloss sich jedenfalls 1980, sein Banat zu verlassen, unglücklich, in dem Bewusstsein, dass dieses für viele ein Zeichen sein würde. Er fand eine Bleibe in Bielefeld. Eine neue Heimat ist es nie geworden. Ein alter Mann, den bald auch seine geliebte Frau verlassen sollte, entfernt von allem, was ehedem sein Leben bestimmt hatte, der nun Zeit hatte, seine Memoiren zu schreiben Ordnung in seine Papiere zu bringen, von Zeit zu Zeit mit Banater Laiengruppen Theater zu spielen. Ja sogar eine Tournee nach Südamerika war ihm vergönnt!

Da trat noch einmal eine große Aufgabe in sein Leben. Ein ehemaliger Kollege, der schon bei „Es geht um die Heirat“ mit ihm zusammengearbeitet hatte, verführte ihn, etwas völlig Neues zu versuchen. Ein großes historisches Schauspiel über den„Bauernkrieg im Allgäu 1525“ zu schreiben.

Begeistert stürzte er sich in die Arbeit. Mehr als ein Jahr lang wurde um das Stück gerungen. Dann lag es fertig da! l982 erfolgte die Uraufführung bei den Allgäuer Freilichtspielen in Altusried, einer der größten und ältesten Freilichtbühnen Deutschlands. 500 Darsteller, 40 Pferde, Musikzüge, Pferde, Kutschen, Kanonen ... und, nicht zu vergessen ... 2 500 Zuschauer bei der Premiere! Das Stück wurde ein gewaltiger Erfolg. In der Spielzeit l982 besuchten 60 000 Zuschauer die über vierzig Aufführungen. Dasselbe wiederholte sich, als Steffis „Bauernkrieg“, in überarbeiteter Fassung, abermals gespielt wurde. Zusammen hundertzwanzigtausend Zuschauer für unseren Vedder Matz! Welch später Triumph für den greisen Autor, der auch mit seinem späten Stück „Zwei Schwestern“ bei Aufführungen des Deutschen Theaters Temeswar in Deutschland Aufsehen erregte.

Nun ist Stephan Heinz mit 96 Jahren von uns gegangen. Aber der Veddder Matz streift sicher noch lang durch die Banater Heide. Und wenn er einen trifft, er kennt ja alle, und alle kennen ihn, streckt er ihm vertraut die Hand entgegen und sagt:– „Verzell!“

Hanns Schuschnig

Schlagwörter: Nachruf, Banat, Theater

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