10. März 2010

Ein Buch, das die siebenbürgisch-sächsische Seele in ihren Tiefen berührt

Schon am 4.11.2009 ging beim Vorsitzenden und Herausgeber des Jahrbuches eine E-Mail mit folgendem Inhalt ein: „Heute kam ganz unerwartet bereits das Jahrbuch 2010 hier an. Der erste Eindruck ist hervorragend. Ich glaube, das Buch ist in seiner thematischen Geschlossenheit und mit der Vielfältigkeit der Artikel eines der besten (mir bekannten) Jahrbücher“. Und das von Heinz Acker, einem Berufsmusiker und Dirigenten, der das Musikleben als solcher sowohl in Hermannstadt, als auch später hier in Deutschland, erlebt, verfolgt und mitgestaltet hat.
Und kein Geringerer, als der zur Zeit am besten dokumentierte siebenbürgisch-sächsische Musikhistoriker und ebenfalls Berufsmusiker, Karl Teutsch, schrieb unter anderem: „Ich beglückwünsche Sie herzlich zu diesem Buch. Es ist dankenswert und erstaunlich, wie vielfältig, kurzweilig und aufschlussreich Sie das Buch angelegt und gestaltet haben... Besonders begrüßenswert finde ich, dass Sie auf Beiträge über das dörfliche Musikleben, auf das geistliche Musizieren und auf musikalische Aktivitäten und die Bedeutung der Musik im Leben der Menschen Wert gelegt haben.“
Wenn man inzwischen darin liest, erlebt man, wie die unvergleichlichen musikalischen Erinnerungen einen anrühren, weil sie zugleich mit Menschen und mit wichtigen, großen und schönen gemeinschaftlichen Erlebnissen verbunden sind.

Es kann einem dabei auch bewusst werden, diesen Schatz, den wir, zumindest die ältere Generation, im Erleben der Musik und im gemeinsamen Gesang in unserer siebenbürgischen Heimat erhalten haben, konnte uns der Zoll an der Grenze nicht wegnehmen und es ist ein gutes Stück Heimat, die auch hier und überall im gemeinsamen Gesang lebendig wird. So trägt der historische Eingangsartikel von Karl Teutsch zur Geschichte der Musik bei den Siebenbürger Sachsen die bezeichnende Überschrift: „Musik in der Lebensgemeinschaft der Siebenbürger Sachsen“. Darin erfahren viele von uns zum ersten Mal, wie reich das musikalische Leben in unseren Städten und Dörfern in den vorausgegangen Jahrhunderten war und wie musikalisch die Siebenbürger Sachsen eingeschätzt wurden, geradezu mit einer„ überdurchschnittlichen Begabung“. (S. 43) Hier und auch in seinem Beitrag über die unvergessliche „Grete Lienert-Zultner und der Volksgesang“ (S.191), in dem er ihre Vorgänger benennt, wird einem bewusst, welchen Reichtum der eigenen Kulturvergangenheit einem vorenthalten und verboten worden ist.

Es folgen dann die musikalischen Gipfelgrößen. Allen voran das Wunderkind der siebenbürgisch-sächsischen Musikgeschichte, Carl Filtsch, aus Mühlbach. Von ihm, so lässt uns der Autor, Peter Szauning, (S. 52) unter vielem andern wissen, schreibt die „Musical World“ 1843 nach einem Konzert in London: „Carl Filtsch ist eine der wunderbarsten Erscheinungen, welche die Geschichte der Kunst aufzählen kann.“ Er ist nur 15 Jahre alt geworden.

Dann sind es die beiden großen Organisten, Dirigenten und Komponisten, die aus dem Westen kommend, sich auf die Organistenstellen nach Kronstadt, Prof. Victor Bickerich und nach Hermannstadt, Prof. Franz Xaver Dressler, bewerben. Beide beginnen ihren Dienst 1922, noch zwischen den Kriegen und bleiben diesen beiden bedeutendsten Städten unserer alten Heimat auch in schwerster Zeit und bis ans Lebensende treu. Die Gemeindeglieder beider Städte, bekommen beim Nennen ihrer Namen glänzende Augen. Und die vielen ehemaligen Schüler kommen ins Schwärmen. Aber auch über Prof. Ernst Irtel, den Musiklehrer in Hermannstadt, Schäßburg und Mediasch ist ein sehr einfühlsamer, persönlicher Beitrag zu lesen. Wie er seinen Schülern den Zugang zur klassischen Musik eröffnet hat und die, etwa 500 werdenden Volksschullehrern, im Seminar in Schäßburg, von 1948-1955, so gut vorbereitet hat, dass sie „die Freude am Singen und Musizieren bis ins entlegenste Dorf Siebenbürgens getragen haben.“ (W.Bielz ) Wer weiß schon etwas über den Komponisten Rudolf Wagner-Regeny (aus Sächsisch-Regen), der in den 30-ger Jahren in Deutschland und nach 1950 in der DDR als Opernkomponist einen Namen hatte? (Peter Szauning S.127). Oder wer weiß, dass Horst Fröhlich, in Leschkirch als Pfarrersohn geboren, Semschüler in Schäßburg, eine vielbeachtete kirchemusikalische Arbeit in Jena und Umgebung als Organist und Chorleiter geleistet hat? (S. 71)

Aber Musik in vielfältigen Weisen erklang auch in den Tälern und in dem Hügelland unserer siebenbürgisch-sächsischen Dörfer. Zuerst, wie überall in Stadt und Land, in den Elternhäusern. In den Städten von Instrumenten aller Art unterstützt, auf dem Dorf von Mutter und Großmutter vorgesungen und in der Jugend mitgesungen. In einem Bericht heißt es von dem Gesang der Jugend: „An Wochenenden, vor allem aber in den Ferien, wurde die Dorfstraße zur „Konzertbühne“. (S.190) Hierzu findet man vielerlei Liedgut mitgeteilt in den Berichten des Jahrbuches. Am eindrücklichsten waren meist die mundartlichen Lieder. Dafür ist der Beitrag „Grete Lienert-Zultner und der Volksgesang“ (K. Teutsch S. 191) besonders aufschlussreich.

Auf die Berichte über die Bedeutung der Chöre in den Städten und auf dem Land, auf die Beliebtheit und Wichtigkeit der Blasmusik auf unseren Dörfern, auf die Tatsache ,wie unsere Lehrer bei allem ideologischen Druck immer auch durch Musik und Gesang Volks- und Mundartlieder vermittelt haben, kann nur hingewiesen werden. Eindrücklich sind die Beiträge, die uns bewusst machen, was der gottesdienstliche Gesang der Choräle und die geistliche Chormusik durch die Jahrhunderte, und insbesondere in den Jahren der äußeren Verluste, bedeutet hat. Zum ersten Mal liest man einen ausführlicheren Bericht über Werden und Wirkung der von Pfarrer Ernst Chrestel begründeten und geleiteten Kantorenschule und erfährt, welch reiches kirchenmusikalische Leben in den 1980-ger Jahren in der Kirchengemeinde Bukarest ausgeübt wurde.

Bedenkenswert sind die Abschlussworte des Beitrages von Dieter Barthmes (S. 117): „So erlebten wir denn nach der großen Schicksalswende den großen „Abgesang“ unserer Nation zunächst als großen, ja einzigartigen „Aufgesang“... Dieser ist zwar seit der zweiten Schicksalswende 1989 in Siebenbürgen selbst viel leiser geworden, jedoch wie man weiß, nicht verklungen.“ Wie er hier wieder aufgeklungen ist, darüber liest man in dem Jahrbuch 2010 ebenfalls manche, interessante, erfreuende Berichte. (Für mich besonders interessant „De Lidertrun“).

Peter Szauning schreibt dem Herausgeber: „Herzlichen Dank für das wunderschöne "Jahrbuch 2010" - mit dem Sie ein beeindruckend-breitgefächertes über alle (meine) Erwartungen erhabenes wie komplexes Kompendium praktisch gelebter heimatlicher Musikkultur zusammengestellt haben, welches für mich erstaunlich viel Neuland beinhaltet, eben auch als ein „vermittelndes auch völkisches Musikgut zwischen Geist und Materie...“! Herzlichen Glückwunsch und nochmals tausend Dank.“

Der Dank gebührt allen, die es mit ihren Beiträgen ermöglicht haben. Es kann nur weiterempfohlen werden.

Michael Fabi

Das Jahrbuch 2010 mit dem Leitgedanken „Der schönsten und herrlichsten Gaben Gottes eine, ist die Musica“ (Martin Luther) als 55. Jahrgang des Siebenbürgisch-Sächsischen Hauskalenders vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater im Diakonischen Werk der EKD erschienen. Zu bestellen ist es zum Preis von 9 Euro, zuzüglich Versand, bei Hermann Schuller, Nelkenstraße 5, 68309 Mannheim, Telefon: 0621/7188446, Fax: 0621/7188447, E-Mail: HermannSchuller [ät] web.de.

(gedruckte Ausgabe: Beilage "Kirche und Heimat", herausgegeben vom Hilfskomitee der Siebenbürger Sachsen und evangelischen Banater im Diakonischen Werk der EKD, Siebenbürgische Zeitung vom 10. März 2010, Seite 13)

Schlagwörter: Rezension, Jahrbuch

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