7. Mai 2011

Verstoß gegen Denkmalschutz: Kläranlage unterhalb der Marienburg

Siebenbürgen feiert in diesem Jahr 800 Jahre seit der Ansiedlung des Deutschen Ordens im Burzenland (1211-1225), dessen erste Niederlassung bekanntlich die auf einem Hügel in unmittelbarer Nachbarschaft zur gleichnamigen Ortschaft Marienburg gelegene, seit Jahrhunderten als Ruine erhaltene Burg bei Kronstadt ist. Überschattet wird das Jubiläum durch den schon begonnenen Bau einer Kläranlage am Fuße der bereits auf der ersten Denkmalliste des sozialistischen Rumänien von 1959 enthaltenen Festung. Dass die Kläranlage gerade unter der Marienburg entsteht, zeugt vom fehlenden Bewusstsein der derzeitigen Verwaltungsstrukturen Rumäniens für das Kulturerbe des Landes – in diesem Falle leider jenes der Siebenbürger Sachsen.
Bauherr der Anlage ist die Gesellschaft „Compania Apa Brașov“, dessen Mehrheitseigner der Kreisrat Kronstadt ist. Den Auftrag zur Errichtung der Anlage hat die Gesellschaft „Hidroconstrucția“ aus Bukarest erhalten. Die Baukosten liegen laut Bautafel, die in Marienburg zu sehen ist, bei 50 Millionen Lei (das sind umgerechnet 13 Millionen Euro) und werden von der Europäischen Union mit 82 Prozent der förderfähigen Investitionskosten bezuschusst.

Wie kann es sein, dass die Kläranlage gerade in unmittelbarer Nähe der ersten Ansiedlung des Deutschen Ordens entsteht? Wie kann es sein, dass die zuständigen Genehmigungsbehörden – das Bürgermeisteramt in Marienburg, die Bauabteilung des Kreisrats Kronstadt, das Ministerium für Kultur und Kulturerbe – seit einem Jahr, bei Anfragen, was es mit dem Bauvorhaben auf sich hätte, keinerlei Auskünfte erteilen. Sie antworten nur stereotyp: „Uns ist das Projekt nicht bekannt“, oder „Wir haben keine Genehmigung erteilt“, „Wir sind nicht zuständig“. Offensichtlich ist keiner der Verantwortlichen zuständig, und kein Amtsträger will das Bauvorhaben genehmigt haben. Dennoch wird seit 2010 auf Hochtouren gebaut.
Vorne die Baustelle, im Hintergrund erkennt man ...
Vorne die Baustelle, im Hintergrund erkennt man die Ruine der Marienburg und den Kirchturm. Foto: Christine Chiriac
Eine auf die Erlaubnis bzw. Baugenehmigung gezielte Anfrage des Vorsitzenden des Siebenbürgisch-sächsischen Kulturrates, Dr. Christoph Machat (übrigens auch Mitglied der Rumänischen Nationalkommission für Denkmalpflege), bei der zuständigen Kulturerbekommission des Kreises Kronstadt hatte zur Antwort, dass die Entscheidung zur Erteilung der Erlaubnis und damit der Baugenehmigung nach Bukarest abgegeben worden sei, wo letztendlich das Kulturministerium die Erlaubnis ausgesprochen hatte. Merkwürdig ist auch, dass das Projekt bisher auf der Internetseite des Kreisrats Kronstadt nicht erwähnt wird. Da findet man unter der Rubrik „laufende Projekte“ Aussagen zu dem geplanten Flughafen in Weidenbach, zur Repser Burg usw.

In der rumänischen Gesetzgebung ist verankert, dass Denkmäler zu schützen sind und in ihrer unmittelbaren Nähe nicht in einer Weise gebaut werden darf, die das Ensemble beeinträchtigt. Die Erfahrung im Umgang mit dieser, übrigens aus der internationalen (auch deutschen) Gesetzgebung übernommenen Bestimmung ist freilich mehrschichtig, da ohne eine kartierte und legitimierte Grenzziehung des „unmittelbaren, umgebenden“ Schutzgebietes die Nähe zum Denkmal ein juristisch interpretierbarer und unbestimmter Begriff bleibt. Gleichwohl zeugt es von mangelnder Fachkenntnis, vom Fehlen jedwelchen städtebaulichen Verständnisses, von Missachtung aller Vorschriften, wenn 50 Meter von der Marienburg entfernt, 200 m Luftlinie vom evangelischen Pfarrhof und 400 m von der evangelischen Kirche von Marienburg Millionen Kubikmeter Erdreich ausgehoben werden und eine Kloake entsteht, deren Gestankwolke Marienburg in der Zukunft begleiten wird.
Blick von der Marienburg auf die Baustelle. Foto: ...
Blick von der Marienburg auf die Baustelle. Foto: Christine Chiriac
Ob wohl noch etwas unternommen werden kann, den Bau zu stoppen? Nach Auskunft des Umweltministeriums in Bukarest kann und sollte eine schriftliche Beschwerde bei der Nationalen Umweltaufsichtsbehörde (Garda Națională de Mediu) eingereicht werden, die beim Umweltministerium angesiedelt ist. Dieses wickelt übrigens, zusammen mit dem rumänischen Finanzministerium, die EU-Zuschüsse ab. Innerhalb von 30 Tagen nach Eingang der Beschwerde muss die Behörde darauf antworten. Ebenso kann und sollte bei der zuständigen Stelle der EU-Kommission in Brüssel Beschwerde erhoben werden. Danach begeben sich die zuständigen Kommissare vor Ort, prüfen den Sachstand und ergreifen die notwendigen Maßnahmen.

Die EU-Zuschüsse werden abschnittweise nach Baufortschritt ausgezahlt, erst dann, wenn die Leistung bereits erbracht ist. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass der Bauherr in Marienburg noch nicht über den gesamten EU-Zuschuss verfügt, um das Bauwerk aus eigener Kraft zu Ende zu führen. Zur Fortführung der Bauarbeiten benötigt er den Nachschub der EU-Gelder.
Die Bautafel. Foto: Christine Chiriac ...
Die Bautafel. Foto: Christine Chiriac
In vielen Gesprächen, die ich in den letzten Monaten mit den Behörden in Rumänien in dieser Sache geführt habe, kam häufig die Gegenfrage: „Gönnen Sie uns die Anlage nicht? Auch wir benötigen sauberes Wasser.“ Sicherlich sind Infrastrukturmaßnahmen in Marienburg nötig. Aber der Hattert der Gemeinde ist groß genug, um einen anderen Standort zu finden.

Dass die riesige Kläranlage gerade unterhalb der Marienburg angesiedelt wurde, zeugt von einem fehlenden Bewusstsein Rumäniens für das Kulturerbe – wovon wir Siebenbürger Sachsen, und in diesem Fall unsere Burzenländer, schmerzlich betroffen sind.

Waltraut Eberle

Schlagwörter: Denkmalpflege, Kulturerbe, Minderheiten, Burzenland

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