7. Juli 2014

Nach dem Abschied positive Veränderungen

„Wir mussten Abschied nehmen von Menschen, die durch Auswanderung von uns gegangen sind“, sagte Altbischof Dr. Christoph Klein in einem Vortrag zum Thema „Die Evangelische Kirche A.B. in Rumänien zwischen 1990 und 2014“, den er am 16. Mai im evangelischen Gemeindehaus Drabenderhöhe hielt. Die Zahlen, die er nannte, machten betroffen: 1989 gehörten über 100 000 Glaubensgenossen (vor allem Siebenbürger Sachsen) zur Kirche. Heute seien es knapp 13 000 Seelen.
Von 265 Kirchengemeinden stellen heute mehr als die Hälfte kleine Gemeinden mit weniger als 20 Seelen dar. 112 Pfarrer standen 1989 für den geistlichen Dienst zur Verfügung, heute gebe es nur noch rund 40 Pfarrer. Das Leben in den Gemeinden habe sich völlig verändert. Ein Pfarrer müsse heute zeitweise bis zu zehn Gemeinden betreuen mit zusätzlichen Aufgaben, die früher von Kuratoren, Kirchenvätern und Presbytern wahrgenommen worden seien. Religionsunterricht, diakonische Tätigkeiten, Gefängnisseelsorge, Kirchenmusik sowie Öffentlichkeitsarbeit gehören dazu. Es bleibe wenig Zeit und Kraft für Seelsorge und Pflege der Gemeinschaft.

Dieses „Leben im Abschied“ habe einen Trauerprozess mit sich gebracht, sagte der Altbischof, denn jede Trennung reiße Wunden auf, die zum Trauma werden können. Wie tief diese Wunden seien, habe er in den 90er Jahren bei seinen ersten Besuchen in den Gemeinden erfahren. Da sei der Kurator, umgeben von einem kleinen Häuflein Gemeindemitglieder, in Tränen ausgebrochen, als er als damaliger Bischof darauf hingewiesen habe, wie wenig noch in der Gemeinde lebten.

Unvergessen für den Altbischof ein Gemeindebesuch, wo etwa 20 Sachsen auf ihn warteten: Kurz bevor der Gottesdienst begann, öffnete sich die Kirchentür und herein sei eine „große Schar von Menschen getreten“. Es seien rumänisch-orthodoxe Christen gewesen, die vom Besuch des Bischofs gehört hatten, diesem seltenen Ereignis beiwohnen und so ihren Nachbarn gegenüber Solidarität erweisen wollten. Das sei ein Lernprozess gewesen und habe die Augen geöffnet für neue Möglichkeiten, für Offenheit, Freimut und neue Bindungen.

Aber auch viel Neues sei von der klein gewordenen Kirche bewegt worden, so der Altbischof, dazu gehöre beispielsweise der Aufbau von Altenheimen, Sozialstationen und Hospizen, die Frauen- und Jugendarbeit sowie die Ökumene. Seiner Meinung nach habe die Kirche angesichts zunehmender Spannungen und Konflikte politischer, wirtschaftlicher und religiöser Natur eine wichtige Funktion zwischen Ost und West, in der sie Verantwortung zur Lösung von schwelenden Fragen wahrnehmen könne.

Das Zusammenwachsen von Ost und West sei nach 1989 für die sächsische Gemeinschaft ein wichtiges Ziel gewesen. In diesem Sinne habe man sich bemüht, mancherlei Verletzungen und Spannungen zwischen den nach Deutschland ausgewanderten und den in Rumänien verbliebenen Glaubensgenossen zu überwinden. Daraus seien spürbare positive Veränderungen gewachsen. Engere Beziehungen und eine vertiefte Zusammenarbeit hätten sich zwischen dem Hilfskomitee, der Landsmannschaft, dem Freundeskreis der Siebenbürger Sachsen und der Gemeinschaft ehemaliger Pfarrer entwickelt.

Zu einem Schlüsselerlebnis sei für den Altbischof ein Besuch in Pforzheim-Haidach im Jahr 1993 geworden. Als er dort von Landsleuten als „Heimatbischof“ begrüßt worden sei, habe er zum ersten Mal in aller Deutlichkeit erfahren: „Wir gehören zusammen, und was zusammengehört, muss auch zusammenwachsen.“ Dieses heimatliche Gefühl, so Klein, habe er auch jedes Mal, wenn er in Drabenderhöhe sei – und das sei nicht selten der Fall.

Ursula Schenker

Schlagwörter: Drabenderhöhe, Vortrag, Kirche und Heimat, EKR

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