11. Juli 2011

Pfingstsonntag – Heimattag in Dinkelsbühl Joh. 16,5-15

Predigt von Bischof Reinhart Guib im Gottesdienst am Pfingstsonntag beim Heimattag der Siebenbürger Sachsen in Dinkelsbühl 2011
Gnade sei mit euch und Friede, von dem der da ist und der da war und der da kommt.

Liebe Festgemeinde! Liebe Schwestern und Brüder!

Es ist für mich und Hauptanwalt Friedrich Gunesch eine große Ehre und eine noch größere Freude an diesem 60. Jubiläums-Heimattag der Siebenbürger Sachsen und ihrer Freunde in Dinkelsbühl teilnehmen zu dürfen. Auch wenn wir, Vertreter der Heimatkirche, immer wieder als Ehrengäste begrüßt werden, fühlen wir uns euch allen und jedem einzelnen ganz nah und als Landsleute, Freunde und Nachbarn, über die ehemaligen Hattertgrenzen und die heutigen Landesgrenzen hinaus, eng verbunden.

Diese Tage mit euch sind wohltuend, weil es ein Wiedersehen mit Freunden gibt, weil uns die Möglichkeit zur Erinnerung an unsere Wurzeln geschenkt wird – 800 Jahre Burzenland, weil sie uns staunen lassen über die gewachsenen Flügel – 25 Jahre Siebenbürger Jugend, weil sie uns dankbar machen für die Brücken die durch die 60 Heimattage geschlagen wurden und weil wir überdies das Pfingstfest gemeinsam feiern und erleben. Das was zusammengehört wird zusammengeführt.

So hörten wir es auch aus der heutigen Lesung der Pfingstgeschichte, wie es uns die Apostelgeschichte des Lukas erzählt. Der Evangelist Johannes wiederum, lässt uns einen Blick auf die Zeit vor Pfingsten werfen. Die war von Abschied, von Trennung geprägt. Schmerzliche Erfahrung für die Jünger Jesu damals, die voll Unverständnis und Trauer stumm wurden. Als Siebenbürger Sachsen können wir diese Trauer und dies Unverständnis gut nachvollziehen, sind wir doch in unserer Geschichte der letzten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts damit immer wieder konfrontiert worden. Gänzlich unverständlich ist, dass Jesus, der Herr, noch eins drauf legt wenn er sagt: „Es ist gut für euch, dass ich weggehe.“ Was soll an Abschied und Trennung, an Verlassenheit und Alleinsein einerseits und Ungewissheit und Bangen andererseits gut sein?

Nun, erst zu Pfingsten verstehen die Jünger, dass all das vor Pfingsten Erlebte nur Übergänge, nur Stationen sind, die sie reifer und stärker und einsichtiger werden ließen.
Bischof Reinhart Guib auf der Kanzel der ...
Bischof Reinhart Guib auf der Kanzel der Dinkelsbühler St.-Pauls-Kirche.
Liebe Schwestern und Brüder! Das Pfingstfest kann der Schlüssel auch für uns sein, zum Verstehen der uns so prägenden Geschichte. Erst im Nachhinein, nach etwas räumlichem und zeitlichem Abstand zur Geschichte, verstehen wir, dass Weggehen nicht nur Abschied und Trennung, Verlassenheit oder Bangen, sondern auch sehr viel Gutes gebracht hat: Ihr habt hier in Deutschland, aber auch in Österreich, USA und Kanada gelernt ohne die Wärme, die Vertrautheit und Sicherheit der irdischen Heimat auszukommen und damit euch ein Stück auf die ewige Heimat vorbereitet. Ihr wurdet herausgefordert eigene Initiativen zu entwickeln, eure in Siebenbürgen weniger genutzten Talente und Fähigkeiten, weil nur eingeschränkt möglich, zu entfalten. Ihr habt euch und der neuen Umgebung gezeigt was ihr alles könnt und wie weit ihr gehen könnt und ihr habt Anschluss und neue Freunde gefunden. Wir, Verbliebene in Siebenbürgen, haben gelernt zusammenzurücken, besonders die am Rand unserer sächsischen Gesellschaft Lebenden konnten in der Gemeinde und Kirche, durch den freigewordenen Raum neu Fuß fassen, aufleben und zur Verantwortung und Leitung der Gemeinde kommen. Wir durften uns öffnen und damit den Rumänen das Kennenlernen und Vertrautwerden mit dem Schatz unseres evangelischen Glaubens siebenbürgischen Gepräges, ermöglichen. Wir kamen uns näher und lernten Gemeinde-, Kultur-, Sprachgrenzen zu überwinden. Wir fanden Helfer und Freunde wo wir sie nicht erwartet hatten.

Erst im Nachhinein haben wir alle, Ausgewanderte oder Verbliebene, im Mutter -wie im Vaterland, erkannt welch große Bedeutung die Gemeinschaft mit den Gleichgesinnten und Gleichglaubenden hat, sodass wir Gelegenheiten zu Begegnungen, zur gegenseitigen Stärkung und gemeinsamen Neuorientierung suchen und wahrnehmen. Erst im Nachhinein erkennen wir Gottes Wege mit uns, dass sie ganz anders geworden sind als wir es dachten und dennoch sind es seine Wege mit uns. Er hat uns hier und dort niemals allein gelassen und uns gezeigt, dass er weiter sieht als wir.

Vor der Wende gab die Kirche die Parole aus: „Die Kirche wandert nicht aus.“ Das hat Vielen weh getan und Leid verursacht, wofür ich heute um Vergebung bitte. Nach der Wende war das Motto der Kirche „von einer Kirche der Ordnung zu einer Kirche der Liebe“ zu werden. Dabei haben wir lernen müssen, dass Liebe Ordnung nicht ausschließt, sondern gerade braucht. Und auch heute wage ich als Bischof eine Vision auszusprechen: „Unsere Kirche will da sein für alle, damit alle für die Kirche sind.“ Das bedeutet, dass wir, als Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, bereit sind auf das aufzubauen was das Hilfskomitee, der Verband der Sb. Sachsen und der Verband der HOGs, an Integration in Gesellschaft und Kirche schon getan haben und beabsichtigen vermehrt und verstärkt auch hier in Deutschland dahingehend mitzuwirken.

Aber wie wir Gottes Wege mit uns in der jüngsten Geschichte erlebt haben, wird er durch seinen guten Geist auch diese Vision so umwandeln wie es seinem Willen und unserem Heil entspricht. Und das ist gut so. Er will uns haben als Kirche und Teil seiner weltweiten Christenheit, als Menschen die an Jesus Christus glauben und auf ihn hoffen, versammelt aus allen Völkern und Ländern. Das ist der Weg auf dem wir wieder zusammenwachsen können, zu einer Einheit in Verschiedenheit, als evangelische Siebenbürger Sachsen in Deutschland. Österreich, USA, Kanada und Rumänien.

Der Heilige Geist Gottes will uns gewiss machen, dass der Herr für die Seinen, ob hier oder dort, sorgt. Und dass wir gemeinsam auf dem Weg zu Gott sind. Und dass wir uns noch viel geben und bereichern können mit unseren unterschiedlichen Erfahrungen und dem uns verbindenden Gemeinschaftsgefühl. Der gute Geist Gottes will uns helfen auch Schmerz, Trauer, Einsamkeit und Ungewissheit zu überwinden, uns auf die von ihm geschenkten Gaben zu besinnen, neue Anfänge zu wagen und mit seinem Trost und Beistand Dankbarkeit und Freude zu empfinden. Gottes Geist will uns stärken zu entdecken und zu schätzen, was wir an Gott und aneinander haben.

Ich wünsche euch, euren Familien und Freunden und uns allen als Evangelische Siebenbürger Sachsen und als Kirche Jesus Christi ein frohes und gesegnetes Pfingstfest. Amen.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Schlagwörter: Kirche und Heimat, Predigt, Heimattag 2011, Bischof, Siebenbürgen

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