31. Januar 2014

Leserecho: Die vielen Facetten der EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien

Die politischen Diskussionen bezüglich der am 1. Januar 2014 eingetretenen EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänien und Bulgarien berühren mich persönlich sehr. Aufgrund der tagtäglichen Diskussionen in den Medien besteht für uns in Siebenbürgen Geborene Gefahr, mit den Sinti und Roma, den so genannten „Cortorari“, gleichgestellt zu werden. Schuld daran ist eine presseungünstige Darstellung dieser Menschen. Wir Siebenbürger Sachsen genießen weltweit einen sehr positiven Ruf als fleißige Menschen und werden respektiert. In diesem Zusammenhang darf ich hinzufügen: Ich habe nichts gegen Sinti und Roma, im Gegenteil ich habe problemlos einen großen Teil meines Lebens mit diesen Menschen verbracht.
Derzeit bin ich in Therapie wegen einer Krebserkrankung – daher bin ich auf ein für REHA-Fahrten spezialisiertes Taxiunternehmen angewiesen. Vor einigen Tagen sprach mich mein 75-jähriger Taxifahrer an und bat mich, wissend dass ich der rumänischen Sprache mächtig bin, ihm in rumänischer Sprache einen schriftlichen Hinweis für sein Privateigentum fertigzustellen, aus dem hervorgehen soll, dass es in seinem Haus nichts gäbe, was für einen Dieb von Interesse sei. Dieser Vorfall hat mir etwas Angst gemacht, da wir viele Senioren unter uns haben. Sie haben Zeit, Nachrichten genauestens zu verfolgen, können sich aber körperlich nicht mehr wehren. Daher werden sie durch die zu erwartende Armutszuwanderung stark verunsichert. Einige Parteien haben es geschafft, die Angst der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu schüren – Grund: Die Wahlkampfmaschinerie ist in manchen Bundesländern in vollem Gange, die Parteien kämpfen um jeden Wähler – da kann schon mal ein Fehler passieren. Den Wahlkampfslogan der CSU „Wer betrügt, der fliegt“ finde ich sehr treffend, die CSU weist zu Recht auf den Missbrauch der europäischen Freizügigkeit hin. Dennoch hieß es dann in den Medien, Hermannstadt sei Partnerstadt von Landshut und die florierende Wirtschaft Bayerns profitiere sehr von den rumänischen Bürgern und Bürgerinnen, siehe auch Interview mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten Dr. Bernd Fabritius in dieser Zeitung.

Ich war und bin stolz auf meine Herkunft – dies habe ich auch immer kundgetan. Das hatte zur Folge, dass ich in meinem Berufsleben mit meinen sehr guten rumänischen Sprachkenntnissen sehr viele Vorteile verzeichnen durfte. So konnte ich in einem Projekt für EU-Bürger mitarbeiten. Mein damaliger Chef, Antonio Costanzo, EUCDA Generalsekretär im Europäischen Parlament in Brüssel, bekam die Federführung dieses Projektes –- u.a. unterstütze er auch den Demokratisierungsprozess in Rumänien. Als seine Assistentin unterstütze ich ihn sprachlich und organisatorisch bei seinen Besprechungen in der Rumänischen Botschaft und Rumänischem Konsulat – eine wunderschöne Aufgabe!

Als Unternehmerin in der internationalen Modewelt habe ich meine ehemalige Heimat unterstützt, indem ich eine spezielle und exklusive Mode aus Rumänien nach Bonn holte. Unterstützung bekam ich vom Wirtschaftsrat des Rumänischen Konsulats in Bonn – im Rahmen einer internationalen Modenschau zeigte er meinen Gästen die positiven Seiten Rumäniens auf. In diesem Zusammenhang ein kleines sehr nettes Erlebnis: Viele der Sinti und Roma aus Rumänien leben im Ballungsgebiet Köln. Sie kommen nach Bonn und versuchen beispielsweise mit dem Verkauf von Rosen, ein wenig Geld zu verdienen. Einer davon stand am Schaufenster meines Modegeschäftes. Ich sprach ihn an und unterhielt mich mit ihm über seine Familie, politische Situation in Rumänien etc. Die Konversation fand natürlich in rumänischer Sprache statt. Seine Augen leuchteten, er freute sich, bedankte sich für das nette Gespräch und verabschiedete sich mit den Worten: „Sărut mâna, doamnă – dumnezeu să vă ajute“ (Küss die Hand, Frau. Gott möge Ihnen helfen). Seit diesem Tag bekam ich fast jeden Tag eine „rote Rose“ von ihm und seiner Familie geschenkt.

Insbesondere darf ich bemerken, dass ich mich gerne an meine Kindheit erinnere. Ich bin in Frauendorf geboren, Tochter von Maria und Gustav Schuster. Seit 1980 lebe ich in Bonn – davor eine kurze Zeit im Oberbergischen Kreis. Unser Haus befand sich am Anfang der Gemeinde, ein kleiner Bach trennte Frauendorf von Kleinkopisch. Einen Teil der Grundschule absolvierte ich in der deutschen Schule und den zweiten Teil bis zur achten Klasse in der rumänischen Schule und anschließend besuchte ich das rumänische Real-Humanistische Gymnasium in Kleinkopisch, also hautnahes Zusammenleben mit Ungarn, Rumänen und Zigeunern – und es war ein gutes Miteinander. Diese Erfahrung zeigt, dass verschiedene Nationen auf engem Raum problemlos miteinander leben können. Könnte das nicht auch in Deutschland Schule machen? Des Weiteren war ich einige Monate als Info-Service-Assistentin bei der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung tätig. Zu meinen Aufgaben gehörte unter anderem die damals geltende „Eingeschränkte Arbeitserlaubnis Rumänien/ Bulgarien“. Dabei stellte ich fest, dass viele fleißige Bürger und Bürgerinnen aus Rumänien die deutsche Wirtschaft bereichern und unterstützen, etwa als Au pair, Schaustellergehilfen, Saisonarbeiter oder Haushaltshilfen in Familien mit Pflegebedürftigen.

Resümierend darf ich Folgendes raten:

Städte, Gemeinden, Politik und Wirtschaft müssen zusammenarbeiten, damit Menschen, die ohne ausreichende Qualifikation zu uns kommen, integriert und qualifiziert werden. Dabei wäre es wichtig, die soziale Unterstützung einzuschränken und den Missbrauch der geplanten, einzurichtenden Sozialfonds zu verhindern. Sonst würde es zu einer schnellen Bereicherung dieser Menschen kommen und die Kassen unserer Städte und Kommunen würden sich ganz schnell leeren (den Presseberichten zufolge sind sie bereits arm). Schuld an der ganzen Misere sind meiner Meinung nach die von der EU zur Verfügung gestellten Mittel u.a. für Sinti und Roma aus Osteuropa, die teilweise nicht abgerufen oder falsch eingesetzt werden. Es sollte dringend in den jeweiligen Ländern Rumänien und Bulgarien überprüft werden, was mit diesen Geldern passiert ist und in welche dunkle Kanäle sie geflossen sind. Damit die bürgererschreckenden Bilder aus den Ballungszentren Duisburg, Dortmund und Neukölln keine Wiederholung auch in anderen Stadtgebieten finden, sei unseren Politikern geraten, sich ein Beispiel an der Stadt Köln zu nehmen und so schnell wie möglich projektbezogene Stellen mit Dolmetschern und, nach meiner Meinung ganz wichtig, ein Bürgertelefon einzurichten, um somit eine fachkompetente Information der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Nun warten wir mal die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zu diesem Thema ab.

Karin Schuster, Bonn

Schlagwörter: Leserecho, Armutszuwanderung

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