9. Januar 2010

Reise ins Ungewisse: Spurensuche im Donbass

Anfang September unternahmen zwölf Landsleute aus Siebenbürgen, dem Banat und dem Sathmarland, geleitet von Friedrich Juschin und Regisseur Günter Czernetzky, eine Reise auf Spurensuche in den Donbass/Ukraine – Spurensuche zu Orten des Leidens der ungefähr 70 000 Rumäniendeutschen, die 1945 in die Arbeitslager der Sowjetunion verschleppt worden waren, um den „Wiederaufbau“ der durch den Krieg zerstörten Wirtschaft zu unterstützen.
Der Organisator stellte vier Arbeitsgruppen auf, die von der Basisunterkunft in Makeewka aus koordiniert wurden. Anreise mit der Lufthansa und Unterkunft waren bestens organisiert worden. Unterstützende Mitorganisatoren waren Repräsentanten der deutschen Minderheit vor Ort, Donezk und Kriwoj Rog; auch standen zum Teil kompetente Dolmetscher zur Verfügung. Angesteuert wurden von Donezk (ehemals Stalino) folgende Ziele: Kriwoj Rog (vom Guttenbrunner Klaus Kawelius, dem Agnethler Johann Winkler und dem Hermannstädter Wolfgang G. Binder), Dnjepropetrowsk (vom Hermannstädter Mathias Huber), Chanschenkowo (von Wiltrud Wagner, geb. Hager), Dimitrowa (von der Temeswarerin Else Hent-Hubert), Lissitschansk und Petrowka (von Ilse Welther aus Felmern), Tschassow Jar von Dieter Fabritius und Tschistjakowa/Torez (von Eva Binder-Hauler aus Maitingen/Sathmar). Zu den anwesenden Überlebenden der besuchten Orte und Lager gehören: K. Kawelius, J. Winkler und M. Huber sowie die im Lager Chanschenkowo gezeugte Wiltrud Wagner, deren Mutter daselbst als Krankenschwester tätig sein musste.

Im Folgenden sollen einige bewegende Erlebnisse Erwähnung finden. K. Kawelius und J. Winkler besichtigten die Bergwerke, in denen sie tätig waren, leider nur von außen, da ihnen von der Obrigkeit der Eintritt verboten wurde. Selbst in die Nähe der Lager Woroschilow gefahren zu werden, scheiterte an Missverständnissen mit den Organisatoren. W. G. Binder gab den Kampf nicht auf und gelangte auf das Gelände, auf dem das berüchtigte „Krepierlager“ Selenaja Hora stand, in dem sein Vater im Winter 1946 verschied und wo dieser entlang des Stacheldrahts verscharrt wurde. Gräber waren nicht zu erkennen; die Stelle wurde uns von russischen Begleitern angezeigt. M. Huber konnte ungehindert alle Stellen seines Leidens in Dnjepropetrowsk aufsuchen und hatte Zugang zu den Archiven. E. Hent-Hubert gelang es, im Betriebsarchiv in einem Register den Eintrag über den Tod des Vaters zu fotografieren. Wiltrud Wagner hinterlegte ihre Suchmeldung bei dem derzeitigen Geheimdienst FBU, dem ehemaligen KGB in Donezk. Eva Binder-Hauler ist zufrieden, da sein nun weiß, dass ihr Onkel an einer Stelle des Lenin-Parks in Tschistjakowa unter einem Spielplatz liegt. Die Stellen, an denen ihr Vater mit seinen fünf Geschwistern ihr Leid verlebten, waren mit Wahrscheinlichkeit die, die von freundlichen Einheimischen angezeigt wurden. Ilse Welther suchte in Lissitschansk und Petrowka die Stellen des Leidens ihres Großvaters, ihrer Tante und der 94 Landsleute aus Felmern auf und stieß auf freundliches Entgegenkommen der Betriebsleitung und der Einheimischen. Sie wird als Leiterin der HOG Felmern ihren Landsleuten Bericht erstatten können. Leider fehlten die notwendigen Lagerskizzen, um konkrete Sucharbeit zu leisten.

Insgesamt kann man von einer gelungenen Aktion des Regisseurs Günter Czernetzky sprechen, was Anlass für weitere Unternehmungen dieser Art geben sollte. Denn es ist auch festzustellen, dass der Umgang mit den Einheimischen sehr herzlich verläuft, und dass sogar Kriegsgeschädigte den deutschen Gästen gegenüber freundlich gesinnt sind. In Kriwoj Rog wurden wir auch vom evangelischen Pfarrer O. Fischer empfangen, dessen Sohn in Hermannstadt Theologie studiert. In Makeewka war es die deutsche Organisation „Wiedergeburt“, mit der wir einen unterhaltsamen Abschiedsabend verbrachten. Einen ausführliche Aufsatz zur Ukraine-Expedition kann W. G. Binder gerne an Interessierte Beteiligte und andere Landsleute schicken (E-Mail: wolfganggerhardbinder [ät] hotmail.com).

Wolfgang Gerhard Binder

Schlagwörter: Depportation, Reisebericht

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