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Thema: Kommentar: Rumänien ist besser als sein Ruf
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gogesch Moderator Beiträge: 430 Von:Deutschland Registriert: Nov 2000
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erstellt am 14.07.2004 um 08:09 Uhr
ich möchte mich gerne Johann anschliessen und Faeberer danken, dass er sich in diese Diskussion eingeschaltet hat.Eine Frage: kann es sein, dass die Einstellung bezüglich diesem Thema von frühester Kindheit geprägt werden. So lange ich mich erinnern kann hab ich sämtliche Spiele unserer Dorfmannschaft in meinem Heimatort Meschen besucht. Die Mannschaft setze sich aus Rumänen, Sachsen und Zigeunern (einen anderen Begriff kannte ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht) zusammen. Als Kind hab ich mir damals die Frage nach der jeweiligen Nationalität überhaupt nicht gestellt und heute bin ich sehr dankbar für diese Erfahrung: es fällt mir noch immer sehr leicht mit Leuten aus unterschiedlichen Kulturkreisen zu leben. IP: gespeichert |
Elfi Mitglied Beiträge: 219 Von: Registriert: Apr 2004
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erstellt am 14.07.2004 um 10:10 Uhr
F[Dieser Beitrag wurde von Elfi am 17.01.2007 editiert.] IP: gespeichert |
dannyboy Mitglied Beiträge: 130 Von:münchen Registriert: Aug 2002
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erstellt am 14.07.2004 um 11:53 Uhr
Zitat: Original erstellt von Elfi: Frage an faeberer:Weshalb nehmen soviele Zigeuner das Angebot des Rumänischen Staates an, ihre typischen Zigeunernamen abzulegen und stattdessen Rumänische Familiennamen anzunehmen? Gruß Elfi
das ist mir aber neu, bin gespannt auf die antwort. @faeberer: in rumänien regt sich niemand auf wenn in der zeitung steht, das dem politiker x etwas "zugeflogen" kam. das ist halt normal. natürlich kann man sich in rumänien schwer vorstellen das ein zigan eine rumänin heiratet, und es wird noch eine weile dauern bis man aus diesem kreis rauskommt (ähnlich wie ein obdachloser, der keinen job findet weil er keine wohnung hat, und keine wohnung, weil er kein job hat).
und vielleicht ist ja auch deutschland besser als sein ruf [Dieser Beitrag wurde von dannyboy am 14.07.2004 editiert.] IP: gespeichert |
hanzy Administrator Beiträge: 1805 Von:Heisede Registriert: Sep 2000
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erstellt am 14.07.2004 um 12:09 Uhr
Zitat: Original erstellt von dannyboy: und vielleicht ist ja auch deutschland besser als sein ruf
In Deutschland ist es dann aber "von Laster gefallen" IP: gespeichert |
pedimed Mitglied Beiträge: 154 Von:Bayern,80336 München Registriert: Jun 2003
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erstellt am 14.07.2004 um 12:28 Uhr
Würde eher glauben: vom Fernlaster zwischen Polen und Portugal nfUIP: gespeichert |
faeberer Mitglied Beiträge: 7 Von: Registriert: Jul 2004
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erstellt am 15.07.2004 um 02:46 Uhr
Hallo allerseitsZuerst möchte ich mich bei allen SchreiberInnen bedanken für die weitestgehend gehaltvollen und manchmal auch witzigen und ironischen Beiträge und das Ertragen meiner Elegien.... Lieber Johann Wie hier auch schon richtig bemerkt wurde, gibt es einige, ob Sinte, Roma, Jenische, die mit dem Wort "Zigeuner" ganz gut leben. Obwohl ich mich selbst auch dazu zähle, bringe ich in der Oeffentlichkeit Korrekturen und Bemerkungen an. Speziell die Sinte in Deutschland, die dort seit 600 Jahren leben und mit der deutschen Sprache (und der jüngeren deutschen Geschichte) aufgewachsen sind, distanzieren sich vom deutschen Gebrauch des Wortes sehr vehement. Auch wenn es sprachhistorisch völlig inkorrekt ist, ist es doch eine Tatsache, dass Literatur und Volksmund mindestens in den letzten 150 Jahren aus dem wohl griechisch-stämmigen"Atinganoy" einen "ziehenden Gauner" formten. Die meisten Sinte aber "gaunern" nicht im Land herum und sind entweder sesshaft oder wollen ihren Standplatz dann wechseln, wenn es für sie richtig und sinnvoll ist und nicht dann, wenn der Nachbar ruft: "Zieh weiter Gauner!". Ich träume deshalb davon, dass das Wort "Zigeuner" von alleine immer weniger gebraucht wird. Wenn nämlich Leute sich die Mühe nehmen, freundlich etwas genauer hinzuschauen und nachzufragen, wird Ihnen jeder gerne erzählen, ob er Sinto oder Jenischer ist. Mit grösster Selbstverständlichkeit wissen Sie doch nach dem Belauschen weniger Sätze, ob Ihr Gegenüber Niederländer, Franzose, Oesterreicher ist. Wenn wir alle lernen würden, die rund 20 Millionen "Zigeuner" Europas genauso differenziert als eigenständige Menschen und Kulturen wahrzunehmen wie die Mehrheitsvölker, könnte es vielleicht schon in der nächsten Generation ebenso überflüssig sein, dauernd (mangels besseren Wissens) von "Zigeunern" zu reden wie auch heute kaum noch jemand ernsthaft fragt: "Sind Sie ein Germane?". Da die "Zigeunerkapelle" selbst oft ein buntes Völkergemisch ist und von der Mehrheitsbevölkerung eben nicht abwertend, sondern klassierend bis bewundernd so benannt wird, treffen sich in diesem Wort unsere Ansichten, dass der Respekt und der Umgangston die Grundlage des menschlichen Zusammenlebens sind, die Sprache hingegen nur der Spiegel ist. Lieber Gogesch Sehr schön beschreiben Sie Ihre Kindheit in einer pluralistischen Gesellschaft, die mit grösster Selbstverständlichkeit das lebte, was die heutige Welt zumindest im westlichen Teil weitgehend verloren hat und als "Multikulti-Gesellschaft" wieder einzufordern sucht. Genau weil aber so viel verloren ging, ringen wir heute um Worte, die helfen sollen, das zerbrochene Geschirr zu kitten. Liebe Elfi Da ich selbst weit weg von Rumänien wohne, kann ich Ihnen leider auch nur eine "Secondhand-Antwort" geben. Unsern Familien wurden in den letzten 100 Jahren von Behörden die Kinder weggenommen. Trotzdem fragte mich noch kürzlich eine Dame: "Stimmt es, dass Ihr Zigeuner Kinder klaut?" Diese seltsame Verkehrung der Tatsachen sitzt in vielen Köpfen viel tiefer drin als die Bereitschaft, mit mir "von Mensch zu Mensch" zu verkehren. Ich kann deshalb keinem unserer Leute verdenken, wenn er seine Herkunft bestmöglich verschleiert, um sein berufliches und gesellschaftliches Weiterkommen nicht unnötig zu erschweren. Lieber Dannyboy Wenn ich nur schon an die Diäten, Pensionen, Renten unserer Politiker im Westen denke, drängt sich der Verdacht auf, dass diesen Herren tatsächlich oft etwas "zufliegt", das grösser ist als ein Huhn.... Trotzdem (oder deshalb??) bemühen sich die Politiker um ein gutes Image ihrer Kaste in den Medien. Wenn ich hier im Internet "Lobbyarbeit für uns Zigeuner" betreibe, ist das sicher nur "ein Tropfen auf einen heissen Stein". Wo immer mir vorurteilsbeladenes Denken, Schreiben, Reden begegnet, versuche ich mit einem "seht her: der bin ich und so sind wir" den Vorurteilen Eindrücke gegenüber zu stellen. Sie beschreiben einen Teufelskreis, den ich gerne verlassen würde... Das schlechte Gewissen ist auch ein schlechtes Ruhekissen. Sosehr sich (Teile in) Deutschland bemüht, bis die deutsche Gesellschaft die von Gogesch beschriebene Normalität wiederfindet, werden wohl noch etliche Liter die Donau hinabfliessen. Liebe Hanzy und Pedimed Diese Fernlasthühner werfe ich nicht mal meinem Hund hin. Ich will meinen Beschützer ja nicht vergiften ;-). Heinrich Heineschrieb: Wie man im Himmel lebt, Madame, können Sie sich wohl vorstellen, um so eher, da Sie verheuratet sind. Dort amüsiert man sich ganz süperbe, man hat alle mögliche Vergnügungen, man lebt in lauter Lust und Plaisir, so recht wie Gott in Frankreich. Man speist von Morgen bis Abend, und die Küche ist so gut wie die Jagorsche, die gebratenen Gänse fliegen herum mit den Sauceschüsselchen im Schnabel, und fühlen sich geschmeichelt, wenn man sie verzehrt, butterglänzende Torten wachsen wild wie Sonnenblumen, überall Bäche mit Bouillon und Champagner, überall Bäume, woran Servietten flattern, und man speist und wischt sich den Mund, und speist wieder, ohne sich den Magen zu verderben, man singt Psalmen, oder man tändelt und schäkert mit den lieben, zärtlichen Engelein, oder man geht spazieren auf der grünen Halleluja-Wiese, und die weißwallenden Kleider sitzen sehr bequem, und nichts stört da das Gefühl der Seligkeit, kein Schmerz, kein Mißbehagen, ja sogar, wenn einer dem andern zufällig auf die Hühneraugen tritt und excusez! ausruft, so lächelt dieser wie verklärt und versichert: Dein Tritt, Bruder, schmerzt nicht, sondern au contraire, mein Herz fühlt dadurch nur desto süßere Himmelswonne." ...womit bewiesen wäre, dass Siebenbürgen ein himmlisches Gefielde sein muss!! Wer noch mehr über Heinrich Heines kulinarischen Vorlieben wissen will, liest Aus den Memoiren des Herren von Schnabelewopski Einen schönen Tag wünscht der Fäberer
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helle Mitglied Beiträge: 103 Von:NRW Registriert: Jun 2001
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erstellt am 15.07.2004 um 13:05 Uhr
Zitat: Original erstellt von faeberer: Hallo allerseitsZuerst möchte ich mich bei allen SchreiberInnen bedanken für die weitestgehend gehaltvollen und manchmal auch witzigen und ironischen Beiträge und das Ertragen meiner Elegien....
Gerne, kein Problem und weiter so. Die Mehrheit ist das gewohnt, wir hatten hier schon mal einen Journalisten, einen Herrn Oliver. Dessen Schreibstil war dem Ihren ganz aehnlich. Da scheint noch der Drill von der Journalistenschule nachzuwirken -Helle
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schully Mitglied Beiträge: 339 Von: Registriert: Mai 2003
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erstellt am 15.07.2004 um 17:36 Uhr
hallo, faerberer, inwieweit bist du über die situation der "zigeuner" in rumänien informiert? ihre situation ist überall schwer. wegen ihrer herkunft kriegen sie fast nie einen job. aussichtslos ist ihre situation aber in orten wo sie die mehrheit bilden. mir bekannt sind prislop (bei rasinari) und reußdörfchen. hier haben sie sich aufgegeben. das schlimmste: sie schicken die kinder nicht mehr zur schule!! diese haben kaum eine chance auf eine "normale" zukunft. sie werden dem teufelskreis so nie entkommen. die politiker versprechen ihnen besserung, sind aber froh wenn sie wieder gehen. hier erwarte ich mir den einsatz ihrer repräsentanten, politiker, kaiser, könige usw.. wenn es um ihre rechte geht (siehe die berühmte hochzeit), dann wissen sie sich zu wehren und einzusetzen. um die armen hungerleider aber kümmern sie sich wenig bis gar nicht. nun blicke ich nicht so durch, wen die politiker, wen der kaiser und wen der oder die könige vertreten: diese armen der ärmsten jedenfalls nicht!! servus IP: gespeichert |
lori Mitglied Beiträge: 1089 Von:D 90766 Fürth Registriert: Okt 2002
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erstellt am 15.07.2004 um 20:45 Uhr
Hallo Allerseits,An faeberer wenn Du tatsächlich Lobby betreiben willst, dann müßtest Du es auf rumänischen Seiten tun. Natürlich ist es schwierig, weil Du wahrscheinlich der Sprache nicht mächtig bist. Das "ofizielle Rumänien" nennt die Zigeuner zwar Roma ( Sinti auch, aber nicht so häufig) aber das ist m.E. die mir größte bekannte Diskriminierung, die ich als ofiziell bezeichnen würde. Das Pendant zum deutschen Plural Roma müßte auf rumänisch "Romi" heißen. Damit es jedoch zu keinen Verwechslungen mit dem "edlen" Volk der Römer kommen kann- von denen die heutigen Rumänen meinen, direkte Nachfolger zu sein- wurde die rumänische Grammatik "vergewaltigt" und es wird "RROMI"geschrieben. Mir ist kein anderes Wort in der rumänischen Grammatik bekannt, welches mit 2 gleichen Konsonanten beginnt. Worte, Begriffe, Bezeichnungen, sind auch dem Wandel der Zeit und Gesellschaft ausgesetzt(ZB:Neger,Walach, Weib ist mittlerweile auch abwertend) In Rumänien haben m.E. die Zigeuner kein Problem mit ihrer Bezeichnung. In Budapest gibt es "das Zigeunerorchester". Wichtig ist jedoch für mein Verständnis von Menschenwürde, daß sich niemand beleidigt fühlt! Gruß Lori IP: gespeichert |
Johann Mitglied Beiträge: 490 Von: Registriert: Nov 2001
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erstellt am 15.07.2004 um 21:28 Uhr
Zitat: Original erstellt von faeberer:
Da die "Zigeunerkapelle" selbst oft ein buntes Völkergemisch ist und von der Mehrheitsbevölkerung eben nicht abwertend, sondern klassierend bis bewundernd so benannt wird, treffen sich in diesem Wort unsere Ansichten, dass der Respekt und der Umgangston die Grundlage des menschlichen Zusammenlebens sind, die Sprache hingegen nur der Spiegel ist.
Ich habe auch die Einträge in Wikipedia ( http://de.wikipedia.org/wiki/Zigeuner )und die Stellungnahmen unter http://www.zigeuner.de und kann nur sagen, dass der Begriff "Zigeuner" und die Begriffe "Sinti", "Roma" etc. nicht auf der selben logischen Ebene sind. Sie könnten jetzt ein anderes Wort suchen. Ich bezweifle, dass Sie damit etwas erreichen. Die Chauvinisten verwenden sowohl alle Begriffe, die Juden bezeichnen (Juden, Semiten, Israeli) abwertend. Die Mehrheit, hoffe ich mindestens, dürfte dieses Wort nicht abwertend benutzen.Ich habe nichts dagegen Sie als Jenischen zu bezeichnen, sofern Sie das wünschen und derselbe Herr sind, der im Redaktionsteam von zigeuner.de für die Jenischen verantwortlich ist. Die meisten Europäer haben Schwierigkeiten die verschiedenen asiatischen Nationen auseinanderzuhalten, ich kann gerade mal mit Ach und Krach, Chinesen, Koreaner und Japaner in der Regel unterscheiden, alle andere eben nicht. Auch den Asiaten geht es mit den Europäern nicht anders und ein Norddeutscher dürfte auch Schwierigkeiten haben Bayern und Österreicher auseinanderzuhaltn, obwohl es zwischen letzteren fundamentale Unterschiede gibt So geht es uns mit den "Zigeunern". Meiner Meinung nach hiflt es mehr, wenn Sie Ihre Energie für inovative PR-Maßnahmen verwenden, statt jeden zu Maßregeln, der nicht die verschiedenen ciganischen Stämme kennt.
Zitat: Original erstellt von faeberer:
"Stimmt es, dass Ihr Zigeuner Kinder klaut?" Diese seltsame Verkehrung der Tatsachen sitzt in vielen Köpfen viel tiefer drin als die Bereitschaft, mit mir "von Mensch zu Mensch" zu verkehren.
Wir sprachen in Siebenbürgen auf dem Dorf siebenbürgisch-sächsisch miteinander. Wenn es ernst und belehrend wurde, dann wechselte man und sprach Hochdeutsch: So predigte der Pfarrer von der Kanzel, belehrte der Lehrer vom Kateder, kommandierte das Herrchen seinen Hund und eben die Großeltern und Eltern Ihre Kinder (wenn man schimpfte, dann tat man dies in der Regel in rumänisch). Jedes Kleinkind wurde in einem sächsischen Hochdeutsch irgenwann mit dem Satz erschreckt "Seid brav, sonst kommen die Zigeuner und klauen Euch oder ich geb Euch den Zigeunern". Das bedeutete soviel wie "Seid brav, oder der Wolf kommt und frißt Euch oder ich werfe Euch zum Wolf". Wölfe und Zigeuner spielten in der prämodernen Erziehungsmethoden eine herausragende Rolle. Mit der Realität hat das aber nichts zu tun. Weder wurden Kinder von Wölfen gefressen, noch dürften Zigeuner Kinder geklaut haben. Warum auch, wenn es etwas gab, was diese Menschen im Überfluß hatten, dann waren dies Kinder. Wenn durch unser Dorf (bin 1959 geboren, also 60er und 70er Jahre) Zigeuner fuhren, dann haben wir Kinder den Fußball stehen lassen und sind neugierig zu den Wägen gelaufen. Wir waren faszienirt von diesen Menschen, aufgrund Ihrer völlig anderer Lebensweise (Kleidung, Sprache, Verhalten etc.). Ablehnung und Faszination gingen ineinander über. Aber ist das mit anderen Menschen nicht auch so? Unsere Eltern ließen uns den Wägen hinterherlaufen, keiner brach jemals in Panik aus, weil er Angst hatte, sein Kind würde entführt. Grüße [Dieser Beitrag wurde von Johann am 15.07.2004 editiert.] IP: gespeichert |
faeberer Mitglied Beiträge: 7 Von: Registriert: Jul 2004
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erstellt am 16.07.2004 um 19:39 Uhr
Hallo allerseitsIch schon wieder ;-) Hallo Helle Meine "Journalistenschule" ist das Leben und das kann manchmal auch ganz schön drillen ;-) Hallo Schully Vielen Dank für die Informationen "vor Ort". Ueber die "Zigeuner in Rumänien" bin ich tatsächlich nur "secondhand" informiert, denn auch die rumänischen Roma die ich hier in Westeuropa treffe, erzählen natürlich meist (menschlich, wie wir alle denken und erzählen) mit gewissen "Filtern im Kopf". "Selbst gesehen" ist deshalb immer die beste Quelle und ich war leider noch nie in Rumänien. In den neuen EU-Ländern halten sich EU-Behörden und lokale Regierungen "ihre Zigeuner" und "ihre Zigeuner-Organisationen". Diese Menschen und ihre Verbände sind (finanziell) total abhängig. "Wes Brot ich ess..." gilt natürlich auch hier. Und so ist es nicht verwunderlich, dass diese Vereine die "Romapolitik" ihrer Regierungen mehr oder weniger lauthals unterstützen. Hallo Lori Du hast natürlich recht, dass ich auch auf rumänischen Seiten schreiben sollte. Bloss fehlen mir dazu tatsächlich jegliche Sprachkenntnisse, da wir im Westen "natürlich" mit Westsprachen vollgestopft wurden, in der Annahme, dass Westeuropa der "Bauchnabel der Welt" sei... Meine "Lobbyarbeit" führt mich deshalb im Internet kreuz und quer durch die Länder, deren Sprache ich einigermassen mächtig bin. Mein "Gastspiel" hier wird deshalb auch ein absehbares Ende finden, die "Zigeuner-Diskussion" wird hier nicht unendlich sein. Dafür ist diese Seite nicht gemacht, dafür gibt es andere Organe. Hingegen besuche ich so sympathische Foren wie dieses hier immer wieder mal gerne lesenderweise und weiss vielleicht auch mal meinen "Senf" zu einem andern Thread zu plazieren... In Rumänien gibt es meines Wissens keine Sinte. Wenn offizielle Stellen tatsächlich von "Roma und Sinti" schreiben, ist es wohl eher eine Adaption der deutschen Sprachregelung, die mir auch nicht behagt. Die Bürgerrechtsgruppen der Sinte haben es innert weniger Jahre geschafft, dass in deutschen Medien das Wort "Zigeuner" faktisch durch das "Wort" "Sinti und Roma" ersetzt wurde. Ich finde das eine nicht ungefährliche Entwicklung. Denn in sehr vielen, um nicht zu sagen: den meisten, Fällen wird "Zigeuner" pejorativ gedacht und "Sinti und Roma" geschrieben, so als ob es einfach ein synonymes Wort wäre. Genau das gefällt mir an unserer bisherigen Diskussion hier, dass die SchreiberInnen zwischen eigenem gesellschaftlichem Erleben und gedankenlosem Rezitieren von (Vor-)Urteilen und Positionen unterscheiden. "Roma" ist aber nicht der deutsche Plural, sondern der Plural des Romanes. Deshalb wird in Deutsch oft falsch "Romas" als eingedeutschter Plural gebildet im Glauben, "Roma" sei der Singular. Ich glaube deshalb annehmen zu dürfen "Romi" eine ebenso falsche "einrumänisierung" des Romanes-Wortes wäre. Hingegen gibt es in der Schweiz eine Organisation namens "Rroma Foundation" ( www.rroma.org ), wo akademisch gebildete Roma darauf bestehen, "Rroma" mit Doppel-R zu sein. Das scheint also keine Erfindung der rumänischen Regierung zu sein. Ganz klar, unsere Sprache ist täglich im Fluss. Wenn wir heute deutsche Tonbandaufnahmen aus dem Mittelalter hören könnten, würden bestenfalls eine Handvoll Sprachhistoriker den Inhalt verstehen können. Trotzdem denke ich, dass viele Worte wie z.B. "Neger" quer durch die Sprachgeschichte die damit Benannten zumindest nicht als gleichwertige Gesprächspartner ernst nehmen. Schon der "Neger" der ersten Kolonialisten und Seefahrer war doch bestenfalls ein "edler Wilder". Auch bei den "Zigeunern" dominiert (unbesehen der Herkunft und Entstehung des Wortes) eine Fremdsicht, die seit zumindest 100 - 150 Jahren geprägt ist vom Wechselspiel zwischen romantisierender ("freies Leben am Lagerfeuer, Musik, Tanz") und dämonisierender (Kinderklau, Brandstifterei, usw.) Darstellung. Wie im letzten Beitrag meinerseits angetönt, haben vor allem deutsche Sinte heute kaum mehr ein Fünkchen Verständnis für den Gebrauch des Wortes "Zigeuner", ausser sie spielen selber in einer Zigeunerkapelle... Da wir hier ja in einem deutschsprachigen Forum sind war und ist der Sprachgebrauch auch ein Punkt meiner Antwort auf den Zeitungsartikel von Frau Traiser. Hauptpunkt war aber eigentlich nicht das "ominöse Z-Wort" ;-) , sondern die dortige Reproduktion des "Klau-Zigeuner-Bildes". So, wie Frau Traiser schrieb, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie mit den Zigeunern an einem Tisch sass und Gespräche führte wie die von Fa am 10.7. hier beschriebenen. Sogar wenn ich dann in meiner Antwort wohlmeinend von leeren Geldbörsen und Mundraub schrieb, steckt da zwar in vielen Fällen die Wahrheit drin, kann aber auch eine Verkennung der Situation sein. Gerade so gut kann es doch sein, dass dieses Hühnchen, das Frau Traiser sah, tatsächlich gekauft war. Bei mir hat die Polizei auch schon nach Geflügelknochen im Abfall gesucht, weil im Nachbardorf ein Huhn fehlte. Was wäre wohl geschehen, wenn ich zufällig an diesem Tag ein gekauftes Huhn gegessen hätte? Und das mitten in Westeuropa, nicht etwa in Rumänien; mitten im 20. Jahrhundert, nicht etwa vor 200 Jahren.... In diesem Sinne bin auch ich sensibilisiert gegenüber dem Sprachgebrauch. Meine Menschenwürde wird, wie Du richtig feststellst, verletzt, wenn die Polizei das Huhn nur bei mir sucht obwohl der Bauer unzählige Nachbarn in seinem Dorf hat und nicht wenn mich mein Zechkumpan fragt: "He, Zigeuner, magst Du noch ein Bier?" Hallo Johann Wir spiegeln hier doch in kurzen Zügen nur die Debatte, die bei den betroffenen Völkern im deutschsprachigen Raum seit mindestens 20 Jahren kein endgültiges Ergebnis brachte. Zwar wurde die Seite www.zigeuner.de nicht von Zigeunern gegründet. Aber sie wird täglich tausendfach von Leuten genutzt, die diese Diskussion auch dort führen und mit zum Teil brillanten Argumenten sich wehren, "Zigeuner" genannt zu werden. Die jüngsten Beiträge zu diesem Thema stehen wohl im jenischen Forum von www.zigo.de . Dank den Registrierungsmöglichkeiten in den diversen Foren bin ich tatsächlich überall "der Fäberer". Bis heute (Holz berühren!!) ist mir noch kein Plagiat meiner Person begegnet. ;-) Unsere Kenntnisse asiatischer Völker dürften wohl vergleichbar sein ;-) Die asiatischen Völker bevorzugen aber bis heute, in Asien zu leben. Die Sinte und Roma hingegen sind seit mindestens 600 Jahren in Deutschland zuhause, die Jenischen sogar noch länger. Manche gehen davon aus, dass wir Jenischen "die Ureuropäer schlechthin" seien. Dass alle diese Völker aber in Schulbüchern gar nicht und in Medien meistens diffamierend vorkommen, führt dazu, dass ausserhalb Siebenbürgens die meisten Menschen von "Zigeunern" weniger als gar nichts wissen. Ich bin lange genug auf diesem Planeten zuhause, dass ich bis hin zur Gründung des "Zigeuner-Kultur-Zentrums" (dessen Namensgeber ich war) schon eine schöne Liste der von Ihnen eingeforderten "innovativen PR-Massnahmen" in meiner Vita aufführen kann. Wenn hier der Eindruck entstanden ist, ich wolle "jeden Massregeln, der nicht die verschiedenen cyganischen Stämme kennt", möchte ich mich dafür entschuldigen. Tatsächlich versuche ich "quer durch's Internet" den "zugeflogenen Hühnern" ein differenzierteres Zigeunerbild mit ein paar Brocken Detailwissen gegenüber zu stellen, in der Hoffnung, damit ein paar Tropfen ins "Wissensfass" giessen zu können bei Leuten, die (hier scheint ein grundsätzlicher Unterschied zur Situation in Siebenbürgen zu bestehen) kaum je in ihrem Leben einen "Zigeuner" bewusst wahrgenommen haben, obwohl sie bestimmt schon in der Strassenbahn direkt neben ihm sassen. Ich danke Ihnen für die schöne Beschreibung Ihrer Siebenbürgischen Kindheit, die sich leider kaum ein deutsches Kind vorstellen kann. An dem Tag, wo in ganz Europa die von Ihnen beschriebenen Zustände herrschen. lege ich meine Tastatur beiseite ;-) Als Wunschvorstellung stelle ich deshalb an den Schluss meines Beitrags Ihre Worte: "Unsere Eltern ließen uns den Wägen hinterherlaufen, keiner brach jemals in Panik aus, weil er Angst hatte, sein Kind würde entführt." Ein schönes Wochenende wünscht der Fäberer [Dieser Beitrag wurde von faeberer am 16.07.2004 editiert.] IP: gespeichert |
lori Mitglied Beiträge: 1089 Von:D 90766 Fürth Registriert: Okt 2002
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erstellt am 17.07.2004 um 21:03 Uhr
Hallo Allerseits,Danke an den faeber für die Aufklärung bzgl. "Rroma". Ich bin einem Vorurteil aufgesessen, denn was ic in meinem letzten Beitrag geschrieben hatte ist gängige offensichtlich falsche Meinung in Rumänien. Entschuldigung! Ich möchte mich noch an die Kritker dieser Foren wenden: es ist doch wohl nicht nur dummes Geschwätz was da betrieben wird. Wünschenswert wäre es natürlich, daß auch bei anderen Themen der Informaionscharakter und mehr Sachlicheit vorherrschen würde! Gruß Lori
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pedimed Mitglied Beiträge: 154 Von:Bayern,80336 München Registriert: Jun 2003
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erstellt am 19.07.2004 um 13:59 Uhr
@faeberer Hallo in Westreuropa! Ein Siebenbürger der anfangs des letzten Jahrhunderts in den USA auf Umschau war und dann wieder heimkehrte hatte von dort die Straßenfegerkollonnen in seiner Heimat als Manager zum Leben gebracht.Daraus wurden auch die Entsorger der Plumpskloos in Betrieb gesetzt,mit Erfolg.Da für solche Arbeiten noch keine Leute zur Verfügung standen,so wurden auch einheimische Z ange- sprochen,die diese Arbeiten auch in der kommunistischen Zeit als Ihr privileg im Griff behielten.Erstens war es ein geregeltes Einkommen und der Drang anderer auf diese Arbeit war nicht all zu groß.Ob es heute noch der Fall ist weiß ich nicht,da ich seit fast 30 Jahren nicht mehr dort war.In meinem dortigen Betrieb war auch ein Z ein Arbeitskollege von mir,und als ihn ein Parteifunktionär umschrieben ansprach,gab er Ihm lautstark,dass es jeder im Raum hören konnte die Antwort: eu sunt tigan. Auf deutsch: ich bin ein Z. Dass die Deutschländer einen Z optisch ohne die entsprechende Kleidung und den Wohnwagen nicht erkennen können und sie daher als Südländer apostrophieren ist mir auch bekannt.Ich schau den Leuten in die Augen,und da ich seinerzeit ja genug Kollegen und Mitarbeiter hatte,die dieser Volksgruppe angehörten,reicht es mir zur Identifikation. Der Beitrag ist mal wieder etwas länger geworden als bei mir üblich,dager tschüss und nfU pedimedIP: gespeichert |
riokardo Mitglied Beiträge: 885 Von:D 73614 Schorndorf Registriert: Mrz 2004
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erstellt am 22.07.2004 um 02:05 Uhr
Ja guten Abend Herr Faeberer warum regen Sie sich denn so auf über einen harmlosen Satz der Frau Traiser, die ja hiermit sicher niemanden beleidigen oder herabwürdigen will? Hühner sind nun mal ziemlich dumme Vögel und warum in Gottes Namen dürfte so ein dummes Huhn nicht jemandem zufliegen, der gerade Hunger hat? Was ist Schlimmes daran? Und was die Bezeichnung "Zigeuner betrifft, ich habe mit vielen Zigeunern gesprochen, die ausdrücklich verlangen so und nicht anders bezeichnet zu werden. Wenn Sie persönlich dies nicht wollen, wird das sicher jeder respektieren, aber sie können sich da nicht hinstellen und etwas im Namen von Leuten verlangen, die Sie gar nicht damit beauftragt haben, sprechen Sie doch nur für Ihre Person und nicht für Millionen Leute, Sie haben kein Recht dazu, auch wenn Sie vorgeben Chef eines Clans zu sein. Und wenn Sie Frau Traiser wegen eines harmlosen Satzes "für das, was die Roma noch erdulden müssen" wie Sie es so pathetisch nennen, verantwortlich machen, so schiessen Sie aber gewaltig übers Ziel hinaus mein Lieber, Sie kriminalisieren hier so ohne weiteres einen Menschen öffentlich. Ich würde an Ihrer Stelle etwas sorgsamer mit Schuldzuweisungen und Vorwürfen umgehn, nicht nur Zigeuner haben Gefühle, die man durch unbedachte Äusserungen verletzen kann, andere Leute auch! Wünsche noch einen schönen Tag!IP: gespeichert |
faeberer Mitglied Beiträge: 7 Von: Registriert: Jul 2004
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erstellt am 24.07.2004 um 15:28 Uhr
Sehr geehrter Herr RiokardoIch habe mir reiflich überlegt, ob ich Ihr Posting überhaupt beantworten soll. Nach der respektvollen und höflichen Diskussion hier würde ich es allerdings bedauern, wenn ein solches Pamphlet das Schlusswort bilden würde. Ich erhebe nicht den Anspruch, immer und überall das letzte Wort zu haben. Gerne erwarte ich deshalb erspriesslichere Postings von dritter Seite ;-) Sicher kann man die Äusserung von Frau Traiser, die immerhin als Zeitungsartikel verbreitet wurde und damit einen andern Stellenwert hat als unsere Diskussion hier, als naiv oder dümmlich abtun. Als Angehöriger der Mehrheitsgesellschaft fällt es auch leicht, anzunehmen, dass niemand beleidigt oder herabgewürdigt werden sollte. Für die betroffenen Personen selbst sieht die Wirklichkeit in 99,9% der Fälle anders aus. Wenn solche Stereotypen (und darum handelt es sich zweifelsfrei, egal was Frau Traiser gesehen hat oder gesehen zu haben glaubt) unkommentiert perpetuiert werden, werden die Vorurteile und Clichès, von denen auch bei Ihnen trotz angeblicher persönlicher Kenntnis eine ganze Menge durchschimmert, an die nächsten Generationen weitergegeben. Auch ich spiele gerne mit solchen Bildern. Wer von uns beiden ist der bessere Wahrsager? Wer von uns kann zweifelsfrei vorhersehen, dass nie wieder Pogrome gegen "Zigeuner" stattfinden, weder hier noch dort...?? Genau deshalb kann ich "Histörchen", die ich am Stammtisch vielleicht sauer lächelnd überhören würde, in der Presse nicht unkommentiert lassen. Wie schon im ersten Beitrag ausgeführt, ist ja jedermann klar, dass Frau Traiser nicht für die Geschichte unserer Völker verantwortlich ist. Hingegen haben "Tausende von Traisers" ohne etwas Böses zu denken den Grundstein für den Zigeunerhass der Nazis gelegt. In diesem Sinne sind die Traisers, Meiers, Müllers von heute für ihre Worte verantwortlich. Das selbe "Geschwätz", das in einem Feuilleton der Jahrhundertwende als "buntes Bild aus dem Sippenleben der Zigeuner" belächelt und bestaunt wurde, darf 100 Jahre und ein schreckliches Jahrzehnt später nicht unreflektiert wiederholt werden. Sonst ist der Vorwurf, nichts aus der Geschichte gelernt zu haben, der kleinste berechtigte Anwurf an die Schreiberin. Denn nicht diese wird "kriminalisiert", wie Sie in hübsch-bekannter Verkehrung der Tatsachen unterstellen, sondern eben die Opfer ihrer Schreiberei! Dass Sie mir unterstellen, ich würde "selbsternannt im Namen von Millionen sprechen, ohne dazu berechtigt zu sein" zeigt mir allerdings nur, wie oberflächlich oder bewusst indifferent Sie die ganze Diskussion hier mitgelesen haben. Als Einwohner Deutschlands dürfte in den letzten Jahren auch Ihnen nicht entgangen sein, dass die "political correctness" Ihres Landes zurm Thema "Namensgebung der Zigeuner" eine eindeutige Meinung hat, die ich weiter oben kritisch reflektiere. Dass die offizielle Deutsche Lehrmeinung jedoch näher beim auch weltweit mittlerweile anerkannten Konsens steht als Ihre persönliche Meinung zeigt u.a. die Webseite , die den Text der Microsoft® Encarta® Enzyklopädie Professional 2003. © 1993-2002 zitiert. Sie wollen doch wohl nicht allen Ernstes Bill Gates und seine Imperium in die linksextreme Spinner-Ecke stellen? Ein schönes Wochenende wünscht der Fäberer IP: gespeichert | |