Kontinuitätstheorie versus Migrationstheorie

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sibihans
schrieb am 28.02.2011, 22:02 Uhr
eine wahrscheinlich vorbildliche Autonome Region.

War siebenbürgen auch bis 1867.
harz3
schrieb am 28.02.2011, 22:10 Uhr
Im ländlichen Bereich überwiegen die Tiroler, in den Städten (Bozen, Meran) stellen sie noch höchstens bis zu 30% der Bevölkerung.
Die "vorbildliche" Autonomie ergab sich erst nach langen Jahren von Knatsch bis hin zu Bombenanschlägen, bei der Masten und Ortsschilder gesprengt wurden. Dabei starb ein italienischer Familienvater. Einer der "Väter" dieser Anschläge ging dafür ins Exil und soll freiwillig in Nordtirol im Wald als Köhler gelebt haben. Seine Tochter Eva Klotz, politisch tätig, war mit einem Siebenbürger verheiratet.
Hier das Neueste: http://www.suedtiroler-freiheit.com/
Popescu
schrieb am 28.02.2011, 22:20 Uhr
Offensichtlich ist in Südtirol auch nicht alles Gold was glänzt (Nein zu Diskriminierungen und Kommentare).
Aber meine Frage ist immer noch: Muss man in Südtirol Italienisch in der Schule lernen?
harz3
schrieb am 28.02.2011, 22:22 Uhr
"Muss man in Südtirol Italienisch in der Schule lernen?"
Aber natürlich.
Popescu
schrieb am 28.02.2011, 22:43 Uhr (am 28.02.2011, 23:04 Uhr geändert).
Dann wäre ein Punkt geklärt. Ein Zweiter (und aus meiner Sicht Letzter) wäre, welche Geschichte wird in deutschen und welche in italienischen Schulen Südtirols unterichtet? Dieselbe, oder eine von Rom und eine von Wien "vorgegebene"? Gibt es ev. eine Kommission in der man sich auf eine zu unterichtende Geschichte einigt? Die entspricht natürlich auch nicht der Wahrheit, denn es gibt grundsätzlich keine WAHRE Geschichte.
seberg
schrieb am 28.02.2011, 23:09 Uhr (am 28.02.2011, 23:12 Uhr geändert).
Andersrum wird ein Schuh daraus: jede Geschichte hat ihre Wahrheit - wenn man sie zu lesen versteht...
walter-georg
schrieb am 01.03.2011, 06:10 Uhr
@ Popescu: Weshalb pe ocolite: Nennen wir das Kind doch beim Namen: Sie wollen - ich auch -, dass in jedem Land die Kinder schon im frühen Alter die Landessprache erlernen sollen sowie die Geschichte in der Version des jeweiligen Landes. Ist doch o.k.
bankban
schrieb am 01.03.2011, 07:20 Uhr (am 01.03.2011, 07:26 Uhr geändert).
"Sie wollen - ich auch -, dass in jedem Land die Kinder schon im frühen Alter die Landessprache erlernen sollen sowie die Geschichte in der Version des jeweiligen Landes. Ist doch o.k."

Meinst du mit Landessprache die Sprache, die im im jeweiligen Gebiet überwiegend gesprochen wird? Dann wäre ich mit dir einverstanden, wenn dann im Szeklerland auch die rumänischen Kinder das Ungarische lernen.

Mit der "Geschichte in der Version des jeweiligen Landes" hätte ich schon meine Probleme. Wissen wir doch, dass es nicht "die" Geschichte Deutschlands, Ungarns oder Rumäniens gibt. Denn überall gibt es Kontroversen. Und zudem: selbst in Deutschland, wo es relativ wenige umstrittene Fragen gibt, etwa unterschiedliche Lehrer unterschiedliche historische Sichtweisen ihren Schülern vermitteln, die das dann auch unterschiedlich aufnehmen, weil ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit, des Vermittelten, unterschiedlich von statten geht (= Konstruktivismus). Hinzu kommen dann die verschiedenen Lehrpläne und Lehrbücher mit ihrer unterschiedlichen Schwerpunktsetzung und Materialauswahl. Wenn es nun selbst in Dtl. das so kompliziert ist, wie soll es dann etwa in Rumänien "die Version" geben, wo doch der eine Lehrer an die Kontinuitätstheorie glaubt und der andere an die Migrationstheorie? Und dazu kommen die weiteren Baustellen: Mihai Viteazu, Horea, 1848, 1918, 23.8.1944 usw. So...und dann habe ich von den Lehrern der Minderheiten gar nicht gesprochen, die natürlich zusätzlich zur eigenen persönlichen Wahrnehmung und Schwerpunktsetzung innerhalb des Lehrplanes noch die spezifische Minderheitensicht auf die Geschichte mitbringen und vermitteln (wollen). Du siehst, von der einheitlich einzigen Version bleibt nicht viel übrig.

Weniger autoritär-doktrinäre Verkrampfung - Zulassung mehr locker-liberaler Pluralität und Parallelität ... dies wünsche ich mir von dir...
walter-georg
schrieb am 01.03.2011, 09:00 Uhr
Es wäre bestimmt wünschenswert, wenn die Kinder in Gebieten mit mehrheitlich Anderssprachigen auch - wenn auch nur als "Nebenfach" - deren Ausdrucksweisen erlernen würden. Es ist bekannt, dass dies ohne Probleme geschehen kann, denn die Heranwachsenden haben in den meisten Fällen keine Vorurteile. Die könnten auf diese Weise nach meiner Überzeugung schneller abgebaut werden, denn so wäre es möglich, die jeweils Anderen auch besser zu verstehen, nicht nur sprachlich, sondern auch ihre Denkweise. Leider wird dies jedoch Wunschdenken bleiben; zu hoch sind die Barrieren im Seklerland. Bin da einige Male durchgefahren und habe mich mit denen, die Rumänisch sprechen konnten/wollten, unterhalten, nicht jedoch, bevor ich ihnen mitgeteilt hatte, dass ich deutscher Herkunft sei. Ansonsten hätten sich meine Chancen gegen Null bewegt...

In Sachen Unterricht muss ich dir leider heftigst widersprechen! Das chaotische föderative Bildungssystem in Deutschland führt nicht nur zu kaum überwindbaren Hürden in vielen Bereichen, nein, es fördert auch Neidgefühle, die in Hass umschlagen können. Ich vertrete in vielen Hinsichten dezentrale Ideen, nicht aber in Sachen Bildung. Es sollte schon aufgezeigt werden, was zu unterrichten ist, damit man sich nach einer Vorgabe orientieren kann. Natürlich ist es dann jedem überlassen, Schwerpunkte zu setzen. Deine Auffassung würde glatt zu Anarchie führen und das wollen wir doch beide nicht, oder?
Ich halte dir zugute, dass du dich im Lehramt nicht so gut auskennst, also verstehe ich auch deine theoretischen Ansätze, die jedoch mit einer zukunftsorientierten Praxis nichts zutun haben.
bankban
schrieb am 01.03.2011, 09:07 Uhr (am 01.03.2011, 09:24 Uhr geändert).
Dass du mir widersprichst, wundert mich nicht. Ich möchte dich nur bitten und ermahnen, den Didaktikstand der 70er Jahre zu verlassen und dir auch neuere, moderne und aktuelle Methoden zu Gemüte zu führen. Als erste Anregung: http://de.wikipedia.org/wiki/Konstruktivistische_Didaktik

Da du ja Politik machst, hier ein paar Handreichungen zur aktuellen Praxis des Sozialkundeunterrichts, wie sie offensichtlich den jungen Lehrern vermittelt wird:
"1. Überwältigungsverbot: Es verbietet sich, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne
erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der "Gewinnung eines selbständigen Urteils" zu
hindern. Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen politischer Bildung und Indoktrination.
Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und
der - rundum akzeptierten - Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.
2. Kontroversität: Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers
erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Anzustreben ist jedoch in jedem Fall ein „vernünftiger Konsens“, wertgebunden im Sinne des Grundgesetzes."
(Quelle: http://www.studienseminar-koblenz.de//medien/fachseminare/SK/03%20Didaktik%20und%20Methodik/Didaktische%20Positionen%20und%20Ans%E4tze.pdf)


Demnach wird konstruktivistische Didaktik sehr wohl eingesetzt und zwar "zukunftsorientiert" und in der "Praxis" (schließlich geht es da im obigen Link um die Lehrerausbildung). Zur Begründung, warum die Didaktik konstruktivistisch sein soll, finde ich diese Ausführungen sehr einleuchtend:
"Die konstruktivistischen Ansätze gehen nach Neubert, Reich & Voß (o.J.) davon aus, dass Lernen ein konstruktiver Prozess ist und behaupten, dass jeder Lerner auf der Grundlage seines "Experience" lernt, dabei eigene Werte, Überzeugungen, Muster und Vorerfahrungen einsetzt. Lernen als Konstruktion kritisiert die Illusionen des Aneignungs- und Abbildungs-Lernens, denn jeder Lernende konstruiert sein Lernen, sein Wissen und die dabei erzeugten Wirklichkeiten, wobei er hierbei allerdings kulturell nicht völlig frei ist, sondern immer auch an die Konventionen seiner Zeit gebunden. Die größte Bedrohung für das Lernen ist es für diesen Ansatz, dass der Lerner nicht hinreichend eigenständig konstruieren darf. Interaktionen mit anderen sind dafür ausschlaggebend, wie das Lernen angenommen, weitergeführt, entwickelt wird. Dabei ist es entscheidend, inwieweit es dem Lernenden gelingt, eine eigene Perspektive auf sein Lernen einzunehmen, indem er sich motiviert, sein Lernen selbst organisiert, sich seiner Muster und Schematisierungen bewusst wird und diese handlungsorientiert entwickelt. Auch eine fremde Perspektive einzunehmen, sich "von außen" zu betrachten, um Lücken, Fehlstellen, Schwierigkeiten des eigenen Lernens zu beobachten und neue, kreative Wege zu erschließen, um das Lernverhalten zu verändern, wird dabei notwendig sein. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen geht der Konstruktivismus davon aus, dass das Wissen nicht außen den Dingen innewohnt und dann in den Lernenden transportiert wird, sondern im Lernenden existiert. Dies deckt sich auch mit neueren Kognitionsforschungen, mit Ergebnissen der Hirnforschung und der "Biologie der Kognition"..."
(Quelle: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/LerntheorienKonstruktive.shtml)
Serban
schrieb am 01.03.2011, 09:23 Uhr
Servus,
Wir sollten die Geschichte Rumaeniens mit der Geschichte der Rumaenen nicht verwechseln. In Rumaenien wurde gleich nach der Wende die Geschichte der Rumaenen bevorzugt. Man koennte die Geschichte des jeweiligen Landes vermitteln, die eigentlich eine summa summarum aller lokalen Geschichten, ohne Leitfaden, sein sollte (falls moeglich). Ergo: Geschichte des Gebietes, nicht des Volkes. Das wuerde aber aus Rumaenien den Vorreiter dieser Auffassung in Europa machen. Alle Schulbuecher europaweit sind ethnisch fokusiert.

Gruss,
Andrei
bankban
schrieb am 01.03.2011, 09:27 Uhr
"Alle Schulbuecher europaweit sind ethnisch fokusiert."

Bis auf die bilingualen Lehrbücher und jene, die etwa die deutsch-französische oder die deutsch-polnische Geschichte zusammen behandeln, dabei Kontroversen benennen und nicht aussparen...
seberg
schrieb am 01.03.2011, 09:38 Uhr (am 01.03.2011, 09:40 Uhr geändert).
Man koennte die Geschichte des jeweiligen Landes vermitteln, die eigentlich eine summa summarum aller lokalen Geschichten

Wenn ich diesen Gedanken weiter führe und ihn auf die Spitze treibe, würde ich sagen, die Geschichte des jeweiligen Landes muss man als die "Summe" der einzelnen Geschichten aller Menschen des Landes sehen - aber möglichst ohne endgültige Summe unter dem Strich. Erst dann wären wir jeden "Kollektivismus" mit all seinen Übeln los.
Von einer solchen dynamischen, flexiblen Auffassung von Geschichte sind wir freilich überall noch weit entfernt.
Serban
schrieb am 01.03.2011, 09:56 Uhr
@seberg: sicher. Ich wuerde es so machen, ist es aber in einer absehbarer Zukunft auch moeglich ? Kollege Bankban, ich wuerde gerne Naeheres ueber die bilingualen Lehrbuecher erfahren: wieviele Schulen erhalten solche Buecher, wievielen Kindern wird dieses Lehrstoff vermittelt usw. Ich hab' so ein dummes Gefuehl dass es Schaufensterbuecher sind...
pavel_chinezul
schrieb am 01.03.2011, 10:08 Uhr
Interaktionen mit anderen sind dafür ausschlaggebend, wie das Lernen angenommen, weitergeführt, entwickelt wird.

Das finde ich besonders erwähnenswert, weil es, wie ich meine, ein starkes Argument, gegen das zu frühe "sortieren" der Schüler auf die weiterführenden Schulen, spricht!

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