Petersdorf bei Mühlbach - Informationen

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Zur Geschichte des Ortes

Geschichte. - Die erste urkundliche Erwähnung von 1309 steht in Zusammenhang mit einem Zehntprozess des Mühlbacher Kapitels gegen das Weißenburger Domkapitel, an dem sich auch der Pleban (Pfarrer) Michael von "villa Petri" beteiligt. Die bedeutendste Persönlichkeit, die Petersdorf hervorgebracht hat, ist Gräf Henning, der sich für die Rechte der sächsischen Siedler einsetzte. Er fiel in offener Feldschlacht 1324 bei Reps.
Am 26. November 1464/65 schenkt König Mathias unter Missachtung der Rechtsverhältnisse auf dem Königsboden Stadt und Stuhl Mühlbach, wozu auch Petersdorf gehört, dem siebenbürgischen Woiwoden Johann Pongratz und dessen Bruder Andreas. Erst 1477 wird das alte Rechtsverhältnis wiederhergestellt.
1531 belagern Truppen des Johann Zapolya die Kirchenburg, sie fällt am 21. April in die Hände Stefan Bathoris, des Woiwoden Zapolyas. 1561-63 wird wegen eines Landstriches zwischen Petersdorf und Reichau ein Prozess geführt, der zu Gunsten der Petersdorfer ausgeht. 1599-1600 hat das Dorf durch Truppen Michael des Tapferen schwer zu leiden, 1683 verwüsten die Tataren das Dorf und brennen das Pfarrhaus nieder. 1704 brennen die Kurutzen einen Großteil des Ortes nieder und rauben die Kirchenkasse aus. 1765 werden bei einer Feuersbrunst viele Wirtschaftsgebäude vernichtet. 1848 kündet ein gewisser "Zerbes" durch Blasen von der Ringmauer herunter den Beginn der Revolution an. 1850 beginnt der Bau eines Gemeinderathauses, 1906 wird der Grundstein des evangelischen Gemeindesaales gelegt und im gleichen Jahr werden Pfarrhaus, Schule, die Lehrerwohnung und der Gemeindesaal elektrifiziert.
Am 1. August 1914 erfolgt die Mobilmachung, die eingezogenen Männer nehmen an einem Abschiedsgottesdienst teil. Nach Eintritt Rumäniens in den Krieg (18.8.1916) flüchtet ein Großteil der Gemeinde nach Karlsburg. Am 3.12.1918 besetzten rumänische Truppen Petersdorf. 37 Burschen und Männer sind Opfer des ersten Weltkrieges. 1934 wird der rumänisch-orthodoxe Gemeindesaal gebaut, 1935 werden die doppelsprachigen Straßenschilder durch rumänische ersetzt. Von 1935-1939 spalten heftige innenpolitische Auseinandersetzungen (Fabrizianer und DVR) die Gemeinde. 1939 wird in der Nähe des Dorfes eine Militärgarnison eingerichtet. Zu Pfingsten 1943 melden sich 281 sächsische Männer aufgrund eines Abkommens zwischen Rumänien und dem Deutschen Reich zu den Einheiten der deutschen Wehrmacht und Waffen-SS. 1944 ist Michael Thut letzter sächsischer Richter (Bürgermeister) in Petersdorf. Im Januar 1945 werden 329 Frauen und Männer zur "Wiederaufbauarbeit" nach Russland deportiert. 112 Opfer dieses Krieges und seiner Folgen sind zu beklagen.
Im März 1945 werden die Sachsen enteignet. 1948 wird in Petersdorf eine Staatsfarm gegründet, deren Sitz das evangelische Pfarrhaus wird. 1968 wird das Dorf in die Stadt Mühlbach eingemeindet. Beginnend mit den siebziger Jahren setzt auch in Petersdorf die Auswanderung nach Deutschland ein, die nach dem Sturz Ceauşescus zum Massenexodus wird (1989/90). 1991 wird das Deutsche Demokratische Ortsforum und, bedingt durch das neue Bodengesetz, der sächsische Landwirtschaftsverein "Concordia" gegründet.

Bevölkerungsentwicklung. - 1500 zählt Petersdorf 43 Wirte. 1532 sind es 42, 1599 - 64, 1673 - 40 Wirte. 1763 hat die Gemeinde 296 Seelen, 1802 sind es 552, 1882 - 836 und 1890 bereits 1 201 Seelen. 1939 werden in der Gemeinde 1 593 evangelische Seelen und 1 051 andere gezält. 1989 waren es 820 Sachsen gegenüber 4 000 anderen. Zurzeit zählt die evangelische Kirchengemeinde etwa 250 Gemeindeglieder.
1752-54 werden Protestanten aus der Steiermark angesiedelt und 1763 einige preußische Kriegsgefangene. 1770-1772 lassen sich zwölf Familien aus dem Hanauer Ländchen in Petersdorf nieder, 1846/47 wandern 79 evangelische Seelen aus Württemberg ein, 54 davon wandern aber 1850 bereits wieder ab. Mit der Übernahme der Papierfabrik durch die "Neusiedler AG für Papierfabrikation in Wien" (1873) kommen viele Familien aus der k.u.k. Monarchie nach Petersdorf. Durch Heirat gehen sie in der sächsischen Bevölkerung auf. Nach dem 1. und vor allem nach dem 2. Weltkrieg nimmt die rumänische Bevölkerung sprunghaft zu.

Kirche und Kirchenburg. - Die alte Kirche (sie stand am linken Ufer des Mühlbachflusses) wird in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts als frühgotische, dreischiffige Basilika erbaut. Nach kriegerischen Überfällen und Erdbeben muss sie immer wieder instandgesetzt werden (1532, 1582, 1673, 1681). Der erste evangelische Pfarrer von Petersdorf ist Vitus Dalmen, der 1552 stirbt. Statt der alten, baufälligen Kirche wird 1805 eine neue, im klassizistischen Stil errichtet und am ersten Adventssonntag eingeweiht. Die alte Kirche war von einem ovalen Mauerring umgeben. Im Innneren des Rings befindet sich der "alte" und außerhalb der "neue" Friedhof. Das alte Pfarrhaus stand in der Nähe der Kirchenburg. 1605 wird ein Haus in der "Langgasse" als Pfarrhaus übernommen, 1864 abgerissen und in seiner heutigen Form neu aufgebaut wurde. Das 1948 zum Sitz der Staatsfarm umfunktionierte und für enteignet erklärte Pfarrhaus gelangt erst 1969 - nach langjährigen Prozessen - wieder in den Besitz der Kirchengemeinde. Am zweiten Adventssonntag 1975 wird eine elektrische Läutanlage, ein Geschenk der Familie Karl und Maria Richter sowie Maria Buchner (aus München), in Betrieb genommen. 1980 wird das Kirchengebäude gründlich renoviert und im Oktober durch Bischof Albert Klein eingeweiht. Durch nachbarschaftlichen Einsatz wird der Pfarrkeller 1989 zu einem Gemeinderaum umgebaut. 2005 wurde der 200. Geburtstag in der abermals renovierten Kirche mit Gästen aus dem In- und Ausland gefeiert.

Schulwesen. - 1500 wird erstmals ein "Scholasticus" erwähnt. 1763 besuchen 51 Kinder die Schule, 1802 sind es 107. Im Jahre 1845 wird die neue Schule eingeweiht. 1875 besuchen 139 Kinder die Schule, es unterrichten drei Lehrer in drei Klassen. 1888 wird die Schule auf sechs Klassenräume erweitert. Ab 1902 sind vier Lehrer tätig. 1935 wird der deutsche Kindergarten eingeweiht. Auch die neue rumänische Staatsschule wird in diesem Jahr ihrer Bestimmung übergeben. Im Schuljahr 1938/1939 müssen 113 Kinder wegen den erwähnten politischen Auseinandersetzungen in der Gemeinde die rumänische Schule besuchen, 1939/40 sind es noch 62 Kinder.
1941 wird die Schule dem Schulamt der Deutschen Volksgruppe übergeben. Die Kirche übernimmt die Schule wieder nach dem 23. August 1944 und behält sie bis zur Schulreform von 1948. In den 50-er Jahren kann noch von einer "deutschen Schule" gesprochen werden, danach existiert sie als deutsche Abteilung innerhalb der rumänischen Staatsschule weiter. Viele rumänische Kinder besuchten und besuchen noch die deutschen Klassen.

Kultur und Vereine. - 1718-1770 werden drei Nachbarschaften genannt. Ihre Anzahl vergrößert sich durch den Bevölkerungszuwachs. Ab 1954 wird das Nachbarschaftwesen neu geordnet. Es gab acht Nachbarschaften, heute sind es drei. Ausrichtung der Beerdigung, Gemeinschaftsarbeiten und karitative Aufgaben bestimmen ihre Tätigkeit. Zudem gibt es die Bruder- und Schwesterschaft für die konfirmierte Jugend. 1884 wird der Evangelische Frauenverein gegründet, der - in gewandelter Form - bis in die Gegenwart segensreich wirkt. 1902 wird der Raiffeisenverein, 1906 der Konsumverein gegründet. Im selben Jahr konstituiert sich ein Beerdigungsverein. Die 1879 gegründete Blaskapelle hat das Kulturleben der Gemeinde wesentlich geprägt. Sie gehörte zu den Besten des Unterwaldes. Auch die Kinderblaskapelle, in der Nachwuchsbläser herangezogen wurden, sei erwähnt. Theatergruppen, Singgemeinschaften und Tanzgruppen gestalteten mit ihren Darbietungen das gesellschaftliche und Kulturleben. Ein besonderes Ereignis war 1935 die Aufführung der Volksoper "Die Pfingstkrone" von Anna Schuller und Berta Bock. Auf sportlichem Gebiet waren die Sparten Fußball und Handball besonders beliebt.

Wirtschaft. - 1894 befinden sich 2 430 Joch Boden in Privatbesitz, davon 1 888 Joch in sächsischer Hand. Die Flurbereinigungs-Kommassation wird 1900 abgeschlossen. Der 1954 gegründeten LPG standen zwei sächsische Vorsitzende vor, Michael Thut und Lorenz Pfaff.
Das Mühlengewerbe wird bereits 1345 erwähnt. 1865 wird eine neue Mühle errichtet und 1883 zur Hälfte der Kirchengemeinde zugesprochen. Am 23. Juni 1946 wird sie enteignet.
Das wirtschaftliche und soziale Leben der Gemeinde wird wesentlich durch die Gründung einer Papierfabrik (1852 und 1856/58) und deren Übernahme durch die "Neusiedler AG Wien" (1873) geprägt. Nach ihrer Verstaatlichung (1948) wird die Anlage in den 60er Jahren stark vergrößert. Nach 1989 kämpfte die Fabrik jahrelang ums Überleben und wurde erst nach der Jahrtausendwende durch neue Beteiligungsverhältnisse stabilisiert.
Nach der Wende kam es aber auch zu weiteren Unternehmensgründungen in den Bereichen Holzverarbeitung, Papierdruck, Textilien und Pflasterbeläge.

Petersdorf heute. - Zum Jahresbeginn 2000 zählt die evangelische Gemeinde rund 250 Seelen. Sie wird kirchlich von Mühlbach aus betreut. Erwähnenswert ist der 1994 gegründete Diakonieverein. Die soziale Einrichtung "Essen auf Rädern" betreut etwa 30 alte, kranke und alleinstehende Gemeindeglieder. Der Diakonieverein wurde und wird aus Spenden der Gemeinde Michelau (Hessen), der Evangelischen Kirchengemeinde Linz Süd (Oberösterreich), Brixen (Südtirol), Griffen (Kärnten) und der HOG Petersdorf unterstützt und kann seine segensreiche Tätigkeit bis heute ausüben. Der hingebungsvolle Dienst von Krankenschwester Rosalie Hofer (Bayern) in der Gemeinde ist lobenswert.
Auch die Friedhofspflege, unterstützt durch die HOG, ist zu nennen.
Die rumänische und sächsische Bevölkerung errichteten ein gemeinsames Mahnmal für die Opfer der beiden Weltkriege vor dem Haupteingang der neuen rumänisch-orthodoxen Kirche. Das einzigartige Vorhaben steht richtungweisend für das Miteinander verschiedener Völker. 2001 wurde das Mahnmal feierlich eingeweiht.

G.Thomke

Monografien

  • Mathias und Brigitte Dengel (Hrsg.)

    Heimatbuch Petersdorf

    Schriftenreihe der Siebenbürgisch-Sächsischen Stiftung, Band 49. Bezugsadresse: Mathias Dengel, Walther-Hartmann-Str.15, 89522 Heidenheim oder ISBN 3-932043-28-6
  • Gerhard Sooß u.a.

    Petersdorf,

    eine Gemeinde in Siebenbürgen im Laufe der Jahrhunderte und seine Einwohner im täglichen Leben: 1160 - 1990, 830 Jahre. Vervielfältigtes Typos­kript.

Vollständige Literaturliste (Ortsmonografien, Belletristik etc.) anzeigen

HOG-Informationen / Geschichte

Um die Erfassung der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Petersdorfer waren besonders Egon Altenburger, Mathias Dengel und Prof. Gerhard Sooss bemüht. Seit 1984 wurden Heimattreffen organisiert, und zwar in Heidenheim an der Brenz, Dannenberg, Oberschleißheim und Ulrichstein. Zu den Sponsoren der Treffen gehörten Mathias Pfaff, Gerhard Anselm und Michael Gottschling. 1997, 2005 und 2009 gab es gelungene Treffen in der Heimatgemeinde. Spenden für die Weihnachtsbescherung, Friedhofsreinigung und den Diakonieverein sind vordergründige Anliegen der HOG.

Im Januar 1994 konstituierte sich eine Nachbarschaft im Raum Regensburg. 2002 wurde nach langjähriger Arbeit das Heimatbuch Petersdorf herausgegeben. Seit 1998 sind Informationen über Petersdorf auch im Internet unter der Adresse http://www.petersdorf.net abrufbar.

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