17. November 2005

Und sie fährt doch: 100 Jahre Hermannstädter "Elektrische" Straßenbahn

In der Rezension des neuen Stadtführers von Hermannstadt aus dem "Hora"-Verlag, veröffentlicht in der Siebenbürgischen Zeitung vom 15. September 2005, hieß es, die "Elektrische" fahre nicht mehr. Der Autor des Stadtführers, Anselm Roth, hat sich erkundigt und erfahren, dass nach zeitweiliger Einstellung, die Straßenbahn doch weiter zwischen Friedhof und Rasinari fährt.
Vor 100 Jahren, am 8. September 1905, wurde die elektrischen Stadtbahn auf Schienen in Hermannstadt auf der Strecke Bahnhofsplatz- Erlenpark eröffnet. Während in Wien seit 1865 die Pferdestraßenbahnen unterwegs waren und 1883 durch die "Dampftramvay" abgelöst wurden, die wiederum ab 1897 von den "Elektrischen" ersetzt wurden, fuhr in München am 23. Juni 1895 erstmals die elektrische Trambahn vom Färbergraben zum Isartalbahnhof.

Der Gründer des Hermannstädter Elektrizitätswerkes, Dr. Carl Wolff, hielt bei der Ersten Elektrischen Ausstellung am 6. Juli 1893 in Hermannstadt einen grundlegenden Vortrag über "Die Elektrische Bahn. Hermannstadt- Junger Wald - Resinar" und zeigte den Nachholbedarf im öffentlichen Nahverkehr der Stadt auf. Vergleichsweise führte er an, dass in "Temesvár" und Arad zu der Zeit bereits Pferdeeisenbahnen und in Kronstadt eine Dampf-Straßenbahn in Betrieb waren.

Postkarte vom 28.10.1908: Straßenbahn mit Motorwagen in der oberen Heltauergasse Richtung Bretterpromenade (heute Bulevard-Hotel) am Hermannsplatz.
Postkarte vom 28.10.1908: Straßenbahn mit Motorwagen in der oberen Heltauergasse Richtung Bretterpromenade (heute Bulevard-Hotel) am Hermannsplatz.

Zuerst versuchte man es ab 3. August 1904 mit vier Stück geleiselosen elektrischen Omnibussen, geliefert von der "Allgemeinen Elektrizitätsgesellschaft", AEG, Berlin, die jedoch ihren Betrieb nach kurzer Zeit wegen Mängeln und Pannen einstellen mussten und gegen neue Schienen-Triebwagen umgetauscht wurden.

Die ursprünglich 2 388 Meter lange Trasse vom Bahnhof hinauf zum Großen Ring hatte vorbei am Ursulinenkloster eine Steigung von zuerst 9 Prozent und abgeflacht auf 7 Prozent zu überwinden und führte bis zur Promenade am Erlenpark. In einem Motorwagen gab es 16 Sitz- und 14 Stehplätze, zwei Führerkabinen mit je einem Elektromotor für Hin- und Rückfahrt. Später kamen angehängte Beiwagen hinzu.

Diese im 6-Minuten-Takt verkehrende Stadtbahn wurde von der Bevölkerung als bequemes Verkehrsmittel in steigendem Maße beansprucht und darum bald erweitert. Am 15 Mai 1910 erfolgte die Erweiterung vom Erlenpark bis zum Zentralfriedhof über die Kadettenschule und den "Stern", später bis zum Jungen-Wald-Wirtshaus und nach dem 2. Weltkrieg bis nach Rasinari. In der Unterstadt wurde eine erste Trasse vom Bahnhof zum Bauholzplatz (heute Zibinsmarkt) und später bis nach Neppendorf zum dortigen Bahnhof ausgebaut.

Und sie fährt doch: Die Elektrische im Jahr 2005. Foto: Anselm Roth
Und sie fährt doch: Die Elektrische im Jahr 2005. Foto: Anselm Roth

Bedingt durch den raschen Wandel, den Hermannstadt ab der siebziger Jahre erfuhr, musste diese ehrwürdige, verdienstvolle, zuverlässige und sehr billige Stadtbahn den Großraumbussen stufenweise weichen. Verdienstvolle Männer wie Dr. Carl Wolff, Sigmund Dachler und andere Verantwortungsträger verhalfen der "Elektrischen" zu einem großen Erfolg, den wir bis in die jüngsten Tage miterleben durften und dürfen.

Walter Klemm

(gedruckte Ausgabe: Siebenbürgische Zeitung, Folge 18 vom 15. November 2005, Seite 8)

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