10. Juli 2021

Herausragender Einsatz für die Siebenbürger Sachsen: Trauer um Pfarrer i.R. Kurt Egon Franchy

Kurt Egon Franchy, der sich vielseitig als Bistritzer Stadtpfarrer, Vorsitzender des Hilfskomitees, des Adele Zay Vereins, der Mureșanu- und Eisenburger-Stiftung, als langjähriger Sprecher der Heimatortsgemeinschaft Bistritz-Nösen um die Gemeinschaft verdient gemacht hat, ist am 7. Juli 2021 im Alter von 86 Jahren in Wiehl-Hillerscheid gestorben. Die Trauerfeier findet am 14. Juli, 11.00 Uhr, in der evangelischen Kirche in Drabenderhöhe statt, die Beerdigung anschließend auf dem Friedhof in Drabenderhöhe.
Pfarrer i.R. Kurt Egon Franchy (5.5.1935 - ...
Pfarrer i.R. Kurt Egon Franchy (5.5.1935 - 7.7.2021). Foto: privat
Kurt Egon Franchy wurde am 5. Mai 1935 als erstes von vier Kindern von Wilhelmine, geborene Benischek, und Viktor Franchy geboren. Die ersten zehn Lebensjahre waren eine glückliche Zeit mit den Eltern und Großeltern in Bukarest, Bistritz und Großwardein. Der Zweite Weltkrieg und die daraus erfolgte Evakuierung der Nordsiebenbürger Sachsen im Herbst 1944 sollte das Leben dieses aufgeweckten Jungen nachhaltig verändern. Schon auf der Flucht musste der knapp Zehnjährige zur Beschaffung von Lebensmitteln Verantwortung übernehmen. Dieses Verantwortungsgefühl für seine Familie und später für die Allgemeinheit sollte sein ganzes Leben prägen. Das Kriegsende überraschte seine Großeltern mütterlicherseits, seine hochschwangere Mutter und seine beiden Geschwister im sowjetischen Besatzungsgebiet. Die angeordnete Rückführung nach Siebenbürgen sollte auf abenteuerliche, zum Teil lebensbedrohende Weise geschehen. Der Vater geriet 1945 in amerikanische Gefangenschaft und wurde somit von seiner Familie auf Jahre getrennt. Erst 1956 konnte die Familie wieder vereint werden. In der Zwischenzeit war Kurt Egon erwachsen.

Um die Familie mit den inzwischen vier Kindern zu entlasten, wurde Kurt Egon 1945 von der Schwester der Mutter, deren Mann in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit deportiert war, zu ihr nach Bukarest genommen. Dort reifte er zum Jugendlichen, ja zum reifen Mann heran. Lebenslang hat ihn diese Trennung von der Mutter und den Geschwistern, obwohl er in den Ferien immer wieder auch nach Bistritz kam, schwer belastet. Zugleich erinnerte er sich an seine Bukarester Zeit mit Liebe an Lehrerinnen und Lehrer sowie Freunde und Freundinnen gerne zurück, ja es blieben lebenslange Freundschaften.

Es war eine Zeit großer wirtschaftlicher Entbehrungen, der Bedrängnis und der materiellen Armut. Diese im Alltag greifbare Not, die Sorge um das tägliche Brot, von schicker, moderner Kleidung ganz zu schweigen, machten aus dem ursprünglich fröhlichen Kind einen ernsthaften Jugendlichen, der seine Zukunft im christlichen Glauben sah.

Als Theologiestudent lernte er Renate Bell, die älteste Tochter des Zeidner Stadtpfarrers Richard Bell, kennen und lieben. Eine Liebe, die lebenslang währen sollte. Als Vikar und Pfarrer in Nordsiebenbürgen sah er die Nöte der zwangsweise nach der Flucht zurückgekehrten Landsleute und versuchte, vielen mit Wort und Tat zu helfen. In Wallendorf bei Bistritz wurden seine zwei Töchter Ortrun und Agnes geboren. Mit der Ernte aus dem Pfarrgarten sorgte die kleine Wallendorfer Familie auch für die Bistritzer Großfamilie.

1965 wurde Kurt Egon zum Stadtpfarrer von Bistritz gewählt, wo er bis 1978 seinen Dienst an der durch die begonnene Familienzusammenführung, d.h. durch Auswanderungen nach Deutschland, immer kleiner werdende Gemeinde versah. Zuletzt auch als letzter Dechant von Nordsiebenbürgen. Zu dem umstrittenen Thema Auswanderung der Sachsen aus Nordsiebenbürgen sowie von Pfarrern überhaupt hat Kurt Egon Franchy oft klare Stellung bezogen und immer die richtigen Worte dafür gefunden (nicht zuletzt auch in seinem Beitrag „Warum seid ihr gegangen“, Seite 130 ff, in „Wir Nösner 2020“).

1978 bekam er die Freigabe der Evangelischen Landeskirche aus Rumänien und konnte nach seiner Aussiedlung seiner Berufung folgend, als Pfarrer in der siebenbürgischen Siedlung in Drabenderhöhe bis zu seiner Pensionierung tätig sein. Sein Lebensende verbrachte er, stets durch zahlreiche Ehrenämter umfassend beschäftigt, in Hillerscheid in der unmittelbaren Nähe von Drabenderhöhe. Über seine unermüdliche Ehrentätigkeit als Vorsitzender des Hilfskomitees, des Adele Zay Vereins, als Vorsitzender der Mureșanu- und Eisenburger-Stiftung wird an anderer Stelle berichtet.

Eine besondere Bedeutung kommt Kurt Egon als Sprecher der Bistritzer und Nordsiebenbürgischen Ortsgemeinschaft zu. Zahlreiche Treffen der Bistritzer in Dinkelsbühl und Wels erfolgten unter seiner Regie, ebenso die Organisation des Versands von Hilfsgütern für Landsleute in Siebenbürgen.

Als Vorsitzender der Nachfolgegesellschaft des 1944 geflüchteten Bistritzer evangelischen Presbyteriums sah er seine Aufgabe in der dauerhaften Sicherung des mit auf die Flucht genommenen Kirchenguts (Tauf- und Sterbematrikeln, Protokolle des Bistritzer Presbyteriums, Sammlung der Schulprogramme, Vasa Sacra und anatolische Teppiche).

Dr. Carl Molitoris, der 1944 amtierende Stadtpfarrer und Generaldechant, unter dessen Regie diese Kirchengüter zunächst nach Österreich und später nach Deutschland verbracht wurden, hat Kurt Egon Franchy auf die Bewahrung dieses wertvollen Kulturgutes eingeschworen. Unter seinem Vorsitz hat die Nachfolgegesellschaft in dieser schwierigen Materie alles getan, um im Sinne der Retter des Kulturguts dies an verschiedenen Orten unter fachlicher Aufsicht zu sichern. Kurt Franchy ist es nach zähen Verhandlungen zusammen mit der Evangelischen Landeskirche aus Hermannstadt 2016 gelungen, einen Leihvertrag für 75 Jahre mit dem Germanischen Nationalmuseum Nürnberg für das dort deponierte Bistritzer Kirchengut abzuschließen.

Kurt Egon Franchy starb am 7. Juli 2021 im Alter von 86 Jahren in Wiehl-Hillerscheid. Er hat sich in seinem Leben viel und erfolgreich für seine Landsleute eingesetzt. Was ihn besonders auszeichnete, waren der Wille und die Tatkraft, unserer Gemeinschaft zu dienen, sie zusammenzuführen und zusammenzuhalten. Aus seinem tiefen Verständnis von notwendigen klaren Schritten in bewegten Zeiten hat er mit seinen Mitstreitern Entscheidendes für das Wohl unserer vielfältigen siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft geleistet. Wir werden ihm stets mit Dankbarkeit und Liebe gedenken. Unser Mitgefühl gilt in besonderem Maße den trauernden Familienangehörigen.

Horst Göbbel Vorsitzender der Nachfolgegesellschaft
Hans Georg Franchy, Vorsitzender der HOG Bistritz-Nösen e.V.

Schlagwörter: Verbandsleben, Nachruf, Kirche, Pfarrer, Bistritz, Nordsiebenbürgen, Drabenderhöhe, Altenheim, HOG, HOG Bistritz-Nösen, Franchy

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