11. Februar 2022

Das Selbstverständliche tun, als Lehrer und als Forscher: Konrad Klein zum Siebzigsten

„Ich bin dafür, Konrad Klein fest in die Redaktion der SbZ zu integrieren. Seine Artikel gehören allesamt, ausnahmslos, zu dem Besten, was die Zeitung hat. Ich hoffe stark, sie werden dereinst in einem Band herausgegeben, denn so viel Empathie, so viel Kulturgeschichte, so viel übernationales Interesse findet man heutzutage nirgends in jener Landschaft, die sich siebenbürgische Historiographie nennt. Ich lerne aus jedem seiner Artikel unglaublich viel dazu und bin für jeden seiner Beiträge unendlich dankbar.“ Das schrieb ein Kommentator auf SbZ-Online unter dem Eindruck der eindrücklichen Geschichte über „Sisi von Halmagen“ am 7. Dezember 2014 (https://www.siebenbuerger.de/zeitung/artikel/kultur/15060-sisi-von-halmagen.html).
Deutschlehrer Konrad Klein mit Schülerinnen ...
Deutschlehrer Konrad Klein mit Schülerinnen seiner 9f, wenige Monate vor der Verabschiedung in den Ruhestand (2018). „Unsere Klasse hat viel mit Ihnen gelacht und erlebt, deswegen finde ich es sehr schade, dass wir Sie nächstes Jahr nicht mehr haben.“ (Eintrag aus einem Erinnerungsalbum der Klasse für ihren scheidenden Lehrer). Handyfoto: privat
Dem Historiker, der die folgenden Zeilen schreibt, blutet einerseits das Herz ob des Stabes, der in diesem Kommentar über seine Zunft gebrochen wird. Doch er muss zugeben, dass die Aussagen über Konrad Kleins Artikel ins Schwarze treffen: Diese gehen vom Bild, meist von der Fotografie aus und zeigen dann durch umfangreichen Einbezug von vermeintlich unwichtigen Details im Kleinen auf, was im Großen übersehen oder in einem Gesamtbild untergeht, zum Schaden der Bildhaftigkeit einer Darstellung. Ob er für die Siebenbürgische Zeitung über Helmut von Arz, Edmund Höfer, Oskar Pastior sen., Ernst Honigberger, Johann Untch, Peter Jacobi als Fotograf, Paul Schuster, Ricarda Terschak, Emo Schuschnig, Lothar Günther-Buchheim, Erich Haas oder über die Bildnisse von Vlad Țepeș alias Dracula schreibt, oder längere Beiträge über die Brüder Emil und Josef Fischer, Georg Bleibtreu oder Theodor Glatz und die Frühzeit der Fotografie in Siebenbürgen für die Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde (ZfSL) verfasst, stets werden Daten, Fakten und Einschätzungen sorgfältig recherchiert und ansprechend wiedergegeben. Sogar in einem „Lexikon siebenbürgisch-deutscher Architekten um 1900“ (ZfSL 43, 2020, S. 132-187), das sich eigentlich nur auf das Wesentliche konzentrieren soll, kann er es nicht lassen, seine Ausführungen anschaulich um Details und Anekdoten anzureichern, dabei aus dem vollen Leben in früheren Zeiten schöpfend. Wenn ein Buch über "Hermannstadt. Fakten, Bilder, Worte" (herausgegeben von Dagmar Zink Dusil, 2017) publiziert wird (insgesamt 457 Seiten), dann muss der „Abriss der Filmgeschichte“ („Zwischen Hollywood und Hermannstadt“, S. 282-362) mit nicht weniger als 80 Seiten der längste und ausführlichste, aber auch einer des lesenswertesten sein. Für die jüngst erschienene Monographie über den Architekten "Fritz Balthes" (herausgegeben von Gerhild Rudolf und Hermann Fabini, 2021) hat er gleich zwei Kabinettstücke beigetragen: über das Schönberger Gemeindewirtshaus samt Exkurs über die Anfänge der Jugendstilkarten in Siebenbürgen sowie Bilder aus dem kurzen Leben von Balthes, mit dem Motto „Ich habe keine Zeit, glücklich zu sein“.
Zeitzeugenbefragung ist Klein sehr wichtig. Hier ...
Zeitzeugenbefragung ist Klein sehr wichtig. Hier mit Rolf Reiser (r.) beim Betrachten historischer Aufnahmen aus der „Volksgruppenzeit“ (2018). Reiser galt als einer der besten Kenner der NS-Zeit in Rumänien. Foto: privat
Die Würze in der Kürze ist nicht sein Ding, aber die Würze ist es, auf die es ankommt!

Konrad Kleins Art der geschichtlichen Darstellung von kunst- und kulturhistorischen Sachverhalten ist einerseits seinen stupenden Detailkenntnissen geschuldet, die er nicht für sich behalten kann. Sie ist aber auch seinem leidenschaftlich ausgeübten Beruf des Lehrers zu verdanken, als welcher er gewirkt hat und eigentlich auch als Siebzigjähriger immer noch wirkt.

Denn Geschichte kann trocken vermittelt werden, was manch ein Historiker tut, um glaubwürdig und faktensicher zu erscheinen, sie kann (und muss!) aber auch lebendig dargestellt werden, um zu faszinieren! Dem Lehrer Konrad Klein gelingt der Spagat zwischen wissenschaftlich fundierter Darstellung und anekdotisch angereicherter Vermittlung.
Reportage in der Münchener „tz“ vom 9. März 1998 ...
Reportage in der Münchener „tz“ vom 9. März 1998 über die dramatischen Stunden auf der Klassenfahrt nach Rom. Sammlung Konrad Klein.
Natürlich kann man als Außenstehender nicht erfassen, wie beliebt und geschätzt der Lehrer war. Ein Blick auf ein Foto mit seinen Schülerinnen oder eine Geschichte, die es bis in den Focus geschafft hat, sagt aber dazu mehr als tausend Worte. „Dieser Lehrer rettete Daniel das Leben“, titelte die Münchener tageszeitung am 9. März 1998. Der Focus vom 19. März 1998 legte nach und widmete dem Meningokokken-Meningitis-Fall auf der Rückfahrt von einer Klassenfahrt nach Rom („Gefangen im Eurocity“) nicht weniger als zwei Seiten. Konrad Klein hatte wie selbstverständlich getan, was zu tun war, Zugpersonal und Behörden alarmiert, zusammen mit einer Kollegin alles Menschenmögliche getan, um seinen Schüler zu retten und dessen 21 Kolleginnen und Kollegen nach stundenlanger Verzögerung des EC „Michelangelo“ und anschließender Züge sicher nach Hause zu bringen. Solch ein entschlossenes Handeln bleibt Teil einer Schulgeschichte (der Gautinger Realschule), auch nach fast einem Vierteljahrhundert, zeigt aber vor allem, dass der Lehrer nicht nur Wissen vermitteln konnte, sondern auch stets für seine Schüler da war, wenn es denn sein musste. Er war und ist immer noch beliebt, was für einen Deutsch- und Religionslehrer nicht selbstverständlich ist, auch wenn es selbstverständlich sein sollte. Dreht man den Spieß um, kann man mit Werner Friedmann, dem Gründer der Deutschen Journalistenschule in München, sagen, dass ein bedeutender Journalist immer auch ein bedeutender Lehrer ist.

Konrad Klein mit einem Denkmal von Kaiserin ...
Konrad Klein mit einem Denkmal von Kaiserin Elisabeth (Sisi) auf dem Friedhof in der Gemeinde Halmagen, das die Bilderstürme im neuen rumänischen Staat und speziell im Kommunismus in einem Versteck überlebt hatte. Die spannende Geschichte des Denkmals zeichnete Klein in der SbZ vom 1.12.2014 nach. Foto: privat
Konrad Klein hat 39 Jahre an verschiedenen Schulen im Starnberger Raum gearbeitet und ist im August 2018 in den Ruhestand gegangen. Er war gerne Lehrer und hat, seinen Schülern und Kollegen (und sich selbst) zuliebe, ein halbes Jahr länger gearbeitet als für die Pensionierung erforderlich; als beratender Lehrer bei der Schülerzeitung und Leiter einer Foto-AG – die jeweils mehrere, teils erste Preise erhielten, ist er vielen auch als „Außerschulischer“ in bleibender Erinnerung.

Als Fotograf hat er sich im Laufe von Jahrzehnten zum siebenbürgisch-sächsischen Bildchronisten entwickelt, indem er zahlreiche Persönlichkeiten und Ereignisse für die Nachwelt festhielt. Als Sammler hat er ein großes Bild- und Fotoarchiv aufgebaut, dessen Fundus er großzügig für Illustrationen wichtiger Werke zur Verfügung stellt, oft stundenlang die passendste suchend, zum Beispiel den kulturgeschichtlich wertvollen Bildanhang zu Adolf Schullerus‘ Briefwechsel, den Monica Vlaicu 2018 herausgegeben hat (58 informativ beschriftete Abbildungen). Hilfreich arbeitet er auch an der vierbändigen Geschichte der „Hohen Rinne“ bei Hermannstadt mit, die der Klausenburger Nuklearmediziner, Philatelist und SKV-Historiker Mircea Dragoteanu herausgibt.
Nicht nur an Siebenbürgischem interessiert: Hier ...
Nicht nur an Siebenbürgischem interessiert: Hier mit Erich von Däniken nach dessen Vortrag in Starnberg im November 2017. Foto: privat
Konrad Kleins Leben und Wirken für Siebenbürgen wurde schon anlässlich seines 60. Geburtstags in dieser Zeitung (Siebenbürgische Zeitung vom 20. Februar 2012, siehe auch SbZ Online vom 22. Februar 2012) ausführlich nachgezeichnet. Als ein Motto dafür kann man „Das Selbstverständliche tun“ auswählen. Selbstverständlich für seine Schülerinnen und Schüler da sein, im Alltag wie in außergewöhnlichen Situationen. Selbstverständlich für seine Leserinnen und Leser, denen er Geschichtswissen bekömmlich, aber nachhaltig vermittelt. Selbstverständlich für die vielen, denen er Bildmaterial aus der siebenbürgischen Kultur und Geschichte selbstlos zur Verfügung stellt.
Heimattag 2017 in Dinkelsbühl: Konrad Klein (l.) ...
Heimattag 2017 in Dinkelsbühl: Konrad Klein (l.) mit Nina May und deren Mann, dem Fotografen George Dumitriu. May ist seit Herbst 2020 Chefredakteurin der ADZ.
Billy Wilders launige Maxime „Du sollst nicht langweilen“ hat auch Konrad Klein beim Schreiben verinnerlicht, denn „das Leben ist langweilig genug“ (KK). Sein Leben ist – so denke ich – nie langweilig gewesen, sein Wirken als Lehrer und vor allem seine Publikationen sind es ebenso wenig. Er war und ist an Menschen interessiert, und die Menschen, ob Schüler oder Leser, an ihm. Das wird in seinem bevorstehenden Lebensjahrzehnt nicht anders sein.

Konrad Gündisch

Schlagwörter: Kultur, Fotografie, Hermannstadt, Kulturgeschichte, Fotogeschichte, Konrad Klein, Konrad Gündisch

Bewerten:

78 Bewertungen: ++

Neueste Kommentare

  • 16.02.2022, 15:56 Uhr von konradguen: Danke, lieber Grieche ;-) [weiter]
  • 11.02.2022, 10:25 Uhr von Äschilos: Schön geschrieben, lieber Konny ! [weiter]

Artikel wurde 2 mal kommentiert.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.