27. April 2006

Berührende Gedenkveranstaltung

Die Kreisgruppe Stuttgart veranstaltete am 18. März im Haus der Heimat eine denkwürdige Feier anlässlich der Deportationen vor 60 Jahren. Zu der Mitgliederversammlung wurden als Ehrengäste diejenigen Landsleute eingeladen, die durch Deportation, Kriegsdienst oder Gefangenschaft ihre siebenbürgische Heimat verlassen mussten.
Der Feier lag die hoch zu schätzende Idee zu Grunde, das unmenschliche Schicksal der Betroffenen durch Ehrungen, Wortmeldungen und Erlebnisberichte dem Vergessen und Verdrängen zu entreißen. Vorsitzender Friedrich Wilhelm Reip begrüßte sehr herzlich die so zahlreich Anwesenden und bat die Ehrengäste zu einem Gruppenfoto. Dann wurde es recht feierlich bei der musikalischen Einleitung mit „Sarabande“ von Tartini, dargeboten von Nadine Birhelmer (Violine), Schülerin der Musikschule Gerlingen, begleitet von Uta Jakob-Birthelmer (Klavier), Lehrerin an derselben Schule. Der Chor unter der Leitung von Gernot Wagner sang „Tebe poem“.

In der Andacht erinnerte Pfarrer Helmut von Hochmeister an die tragischen Ereignisse von Deportation, Vertreibung, von Leiden und Not als eine gewaltsame Veränderung, bis hin zur Verdrängung des Glaubens. Dankbar sollte man sein, hier im Mutterland eine offene Tür gefunden zu haben, mit der Möglichkeit zu einem Neuanfang aus eigener Kraft.

Der Chor sang das Silcherlied „Morgen muss ich fort von hier“ Nun überreichte der Vorsitzende eine Urkunde an die Betroffenen. Sie war von Gerhild und Hans Reip ansprechend gestaltet: im Hintergrund eine Landkarte mit etlichen Deportierten-Lagern, im Vordergrund ein Heimatbild. Der Chor fügte sich hier ein mit dem Lied „Oculi nostri“. Kulturreferentin Gerhild Reip führte ins Thema der Feier ein: Verlust der Heimat durch Deportation, zusammengestellt aus den vielen Rückantworten der Betroffenen. Diese hatten außerdem viele Originale oder Kopien der Kulturreferentin für eine kleine Ausstellung zur Verfügung gestellt und kamen nun als Zeitzeugen selber zu Wort.
Ehemalige Russlanddeportierte bei der Veranstaltung der Kreisgruppe Stuttgart, sitzend von links: Johanna Zakel, Friederike Zay, Johanna Heinrich, Katharina Kramer, Sara Kinn; 2. Reihe von links: Martha Boltres, Maria Scholtner, Agnetha Leister, Gerda Rosenthal, Sara Ludwig, Hilda-Maria Horwath, Katharina Gref, Gerda Juliane Wagner; 3. Reihe von links: Georg Stamp, Guido Depner, Wilhelm Binder, Friedrich Lamnek, Walter Andreas Boltres, Otto Depner.
Ehemalige Russlanddeportierte bei der Veranstaltung der Kreisgruppe Stuttgart, sitzend von links: Johanna Zakel, Friederike Zay, Johanna Heinrich, Katharina Kramer, Sara Kinn; 2. Reihe von links: Martha Boltres, Maria Scholtner, Agnetha Leister, Gerda Rosenthal, Sara Ludwig, Hilda-Maria Horwath, Katharina Gref, Gerda Juliane Wagner; 3. Reihe von links: Georg Stamp, Guido Depner, Wilhelm Binder, Friedrich Lamnek, Walter Andreas Boltres, Otto Depner.


Guido Depner berichtete mit bewegter Stimme von seiner fünfjährigen Deportation sowie seiner drei Jahre und drei Monate währenden „Arbeits-Militärdienstzeit“ in der Heimat. Dankbar denkt er an die in Deutschland empfangene Integrationshilfe. Andreas Boltres hatte alles sorgfältig notiert für eine Lesung seiner Erlebnisse. Er äußerte seinen Dank für die Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch Kritik: er werde das Gefühl nicht los, dass man hier am liebsten alles verdrängen würde.

Eine weitere, wunderbare musikalische Einlage von Patrick Birthelmer (Oboe) und Rebecca Ade (Klavier), beide Schüler der Musikschule in Gerlingen und qualifiziert für den Landeswettbewerb in Aalen, bot eine kleine Atempause.

Friedrich Lamnek schilderte seine erschütternden Erlebnisse aus der Deportationszeit, ohne Groll. Aus dem Fundus der schriftlichen Antworten las Frau Reip vor. Daraus ging hervor, wie sehr die lange Fahrt in die Deportation im Viehwaggon, auf engem Raum und mit nur notdürftig vorhandener Heizung und Sanitäranlagen die äußeren und inneren Kräfte beanspruchte. Besonders belastend angesichts des kärglichen Daseins dort, bei ständigem Heimweh, fortwährendem Hungergefühl und mangelnder Wärme in den Wohnbaracken, war das Ausgegrenztsein hinter Stacheldraht. Es wurde aber auch von positiven Erlebnissen berichtet. Otto Depner betrachtete alles aus einem anderen Blickwinkel, schilderte seine Erlebnisse, angefangen mit der hoffnungsvollen Ausreise 1942 aus Siebenbürgen, über Kriegseinsatz, Verwundung und Gefangenschaft bis hin zu den Schwierigkeiten beim Neuanfang im von Flüchtlingen überlaufenen Nachkriegsdeutschland. Frau Reip konnte letztendlich feststellen, dass die Deportierten oft ihre Misere gemeistert hatten. Mit einer „Gavotte“ von Schostakowitsch für Violine und Klavier, dargeboten von Nadine und Uta, schloss die eindrucksvolle Feier.

Nach kurzer Pause begann die Mitgliederversammlung, an der leider nur ein kleiner Teil der derzeit 599 Kreisgruppenmitgliedern teilnahm. Vorsitzender Friedrich Wilhelm Reip berichtete über die in 2005 geleistete Arbeit, die Veranstaltungen im Jahresprogramm. Es folgten die Berichte der Referenten. Die Kassenführung von Anna Fleischer war von den Rechnungsprüferinnen nicht zu beanstanden. Otto Depner erläuterte die Öffentlichkeitsarbeit. Zum Kulturreferat und stellvertretend auch zum Jugendreferat berichtete Frau Reip Erfreuliches über die abgelaufenen Veranstaltungen. Über die Mitarbeit hinter den Kulissen berichtete Frauenreferentin Waltraud Kloss. Martin Schuller bat in einer Wortmeldung um eine stärkere Einbindung seiner SKS-Gottesdienste, was noch geprüft werden soll. Frau Wultschner sprach dem Vorstand Dank aus für die geleistete Arbeit. Nach knapp einer Stunde schloss die Versammlung und die Aufräumarbeiten konnten beginnen.

Dp


Schlagwörter: Gedenken, Deportation

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