29. August 2010

Mundartlieder von Georg Meyndt neu aufgenommen

Die Siebenbürgische Kantorei hat Lieder von Georg Meyndt auf CD eingespielt. Vor zwei Jahren erschienen die volkstümlichen Mundartlieder des siebenbürgischen Dorfnotars, Volkssängers und Laienmusikers Georg Meyndt (1852-1903) in einer von Heinz Acker besorgten Neuausgabe im Johannis-Reeg-Verlag Heilbronn (siehe dazu SbZ-Online-Artikel: Georg Meyndt: "Kut, mer sängen int").
Acker hat die zuerst von Carl Reich notierten und 1914 im zweistimmigen Satz herausgegebenen Lieder Meyndts (seit langem vergriffen) für vierstimmigen und dreistimmigen gemischten Chor bzw. Sologesang oder Duett mit Klavierbegleitung bearbeitet. Dadurch machte er Meyndts Lieder, die über ein Jahrhundert lang in Siebenbürgen neben den Liedern von Hermann Kirchner, Carl Reich, Hans Mild, Fritz Schuller, Heinrich Bretz, Anna Schuller-Schullerus, Grete Lienert-Zultner u. a. wie Volkslieder in allen Bevölkerungsschichten gesungen wurden – und noch, wenn auch nur gelegentlich, gesungen werden –, wieder in ihrer Gesamtheit zugänglich.

Die Siebenbürgische Kantorei, die heute repräsentative Chorvereinigung der Siebenbürger Sachsen in Deutschland, hat prompt zugegriffen und Meyndts Lieder in ihr Repertoire aufgenommen. Andere siebenbürgisch-sächsischen Chöre in Deutschland und Österreich mögen folgen, vielleicht auch die wenigen verbliebenen deutschsprachigen Chorgemeinschaften in Siebenbürgen oder auch Banater Chöre. Volkslieder erklingen ja heute im gesamten deutschen Sprachraum nicht mehr wie früher im „Volk“ und in den Jugendverbänden spontan, aus dem Augenblick und einem persönlichen emotionalen Impuls heraus, bei bestimmten Anlässen, bei Geselligkeit, Unterhaltung, Fest und Feier, beim Wandern und auf Fahrten, sondern in wenigen organisierten und institutionalisierten Formen des Singens, in einschlägigen Kreisen, Gesellschaften und Instituten, in „spezialisierten“ Musiziergruppen und Laienchören. Einige berühmte Chöre wie der Thomaner- und der Kreuzchor, die Regensburger Domspatzen, der Windsbacher und der Tölzer Knabenchor nehmen sich auch des tradierten Volkslieds an und haben zahlreiche Lieder auf Tonträger eingespielt. Gelegentlich tauchen hier sogar zwei siebenbürgische Lieder auf: „Es saß ein klein wild Vögelein“ und „Im Holderstrauch“. Mit der Einspielung von Meyndt-Liedern auf CD befindet sich die Siebenbürgische Kantorei, die im Allgemeinen das kunstmusikalische Repertoire pflegt, demnach in guter Gesellschaft. Durch die Einrichtung und die Sätze von Acker berührt ein Hauch von Kunstmusik diese Lieder, wenn nicht schon die Kompositionen selbst – wie alle ästhetisch hochwertigen Volkslieder, wovon es eine ganze Reihe gibt – klassische Orientierung dokumentieren und beachtliche musikalische Wertigkeit ausstrahlen.

Die Gesamtleitung der auf vorliegender CD vereinigten musikalischen Darbietungen lag in Händen von Heinz Acker. Was Acker anpackt, ist immer gut durchdacht, professionell gestaltet, hat künstlerischen Rang und bestmögliches vortragstechnisches Niveau. Das lässt sich übrigens auch an seinem Einsatz im Rahmen der letzten Löwensteiner Musikwochen der Gesellschaft für deutsche Musik im südöstlichen Europa und deren Konzertdarbietungen in Weinsberg und Öhringen deutlich ablesen. Alle von Acker einstudierten Chöre haben bedeutend und unüberhörbar an Vortragsmöglichkeiten, an dynamischen Feinheiten, Nuancierung, Artikulation, Phrasierung, Intonation, Homogenität gewonnen.

Die solistischen Beiträge von Johanna Böhme (Sopran) sind schlichtweg herzerfrischend: Man freut sich nicht nur über die helle, schlanke, reine und geschmeidige Stimme, sondern auch über den warmen, innigen, liebevollen, zu Herzen gehenden, aber nie sentimental wirkenden Vortrag. Der schöne Bariton von Christoph Reich hat manchmal Mühe, sich gegen die Klavierbegleitung durchzusetzen. Diese aber, von einer Organistin und Cembalistin ausgeführt, ist, was man von den Meistern der Orgel nicht erwartet und nicht gewohnt ist, von frappierender „pianistischer“ Tonschönheit und Ausdrucksfrische. Man wird sich – wenn man es nicht schon weiß – Ilse Maria Reich künftig auch als herausragende Pianistin oder zumindest als exzellente Klavierbegleiterin ins Bewusstsein bringen müssen.

Das ausführliche, ansprechend gestaltete Beiheft (neudeutsch Booklet) deckt biographische und historische Fragen ab. Hier sind auch nicht nur alle Liedtexte in siebenbürgisch-sächsischer Mundart abgedruckt, sondern erfreulicherweise auch Übertragungen ins Hochdeutsche. Damit ist an künftige Generationen oder an Einheimische gedacht, die voraussichtlich weder im Dialekt singen noch die in der Mundart vorgetragenen Liedtexte verstehen werden. Auf der in Rede stehenden CD werden die Originaltexte gesungen. Über das aufnehmende Tonstudio ist nichts zu erfahren. Wir lesen lediglich: „Studioaufnahme Bad Herrenalb, Januar 2010“ und den Namen des Tonmeisters: Michael Acker. Herausgeber ist der Musiknotenverlag Latzina Karlsruhe „im Auftrag und mit Unterstützung des Hilfskomitees der Siebenbürger Sachsen und evang. Banater Schwaben“.

Karl Teutsch

Schlagwörter: Mundart, Lieder, Kantorei, Chor Siebenbürgische Kantorei

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