16. April 2012

Musikalisch ein Individualist

Das musikalische Ereignis der letzten Märzwoche war in Hermannstadt die Erstaufführung der „Orchestermusik mit Klavier“ von Rudolf Wagner-Régeny. Den Solopart übernahm Peter Szaunig, die Stabführung des Orchesters der Staatsphilharmonie der Dirigent Ilarion Ionescu-Galați.
Umrahmt war das Klavierkonzert von „Peace for everyone“ („Frieden für alle“) für Schlagzeug-Quartett, einem inspirierten Stück des derzeitigen Leiters der Arader Philharmonie Alin Vacean, und von der imposant interpretierten ersten Sinfonie von Johannes Brahms – Ilarion Ionescu-Galați bestätigte noch einmal sein hohes professionelles Ansehen.

Wagner-Régeny (1903, Sächsisch Regen – 1969, Berlin) hatte die Arbeit an seinem ­Klavierkonzert vor 77 Jahren in Hermannstadt abgeschlossen. Er war es auch, der 1936 in Dresden, als Solist unter Karl Böhm, die Uraufführung spielte. Die vorhergehenden Sommermonate in der siebenbürgischen Heimat hatten ihm seine Kindheit in Erinnerung gebracht. In seinem Tagebuch hielt er fest: „In Berlin kann man einsam sein! Hierzulande lebt man horizontal. Die Häuser sind beispiellos offen ...“
Ilarion Ionescu-Galați (links) und Peter ...
Ilarion Ionescu-Galați (links) und Peter Szaunig nach der Aufführung der „Orchestermusik mit Klavier“ in Hermannstadt. Foto: Christine Chiriac
Die „Orchestermusik mit Klavier“ ist in diszipliniertem Kammerstil ganz ohne Pathos verfasst und setzt ihren Schwerpunkt auf die Polyrhythmik, welche die Koordination von Solist und Orchester zum wahren Prüfstein macht. Die asketische Klarheit und die für das 20. Jahrhundert typische Tonsprache sind zugleich mit Leben gefüllt und bleiben dem breiten Konzertpublikum zugänglich. Die Anweisungen, die zu Beginn der vier Sätze stehen – „Heftig gehämmert“, „Einfach, zart“, „Freimütig, frisch“ und „Anmutig bewegt“ – geben den Ton für die Musik an und fassen den vielschichtigen Inhalt des Werks treffend zusammen. Intensiv unterhält sich das Klavier mit dem Schlagzeug, um im zweiten Satz nachdenklich und sensibel zu werden. Die Choral-Harmonien werden von den Tasten zu den Bläsern, dann zu den Streichern übertragen und „erobern“ nach und nach das gesamte Orchester. Exotisch klingende, überlagerte Rhythmen im dritten Satz und helle Klänge im Finale runden die Komposition ab. Das Klavier bleibt bis zum Schluss im Orchester perfekt integriert. In der Wiedergabe der Musik hätte man sich eine größere dynamische Spannweite gewünscht – vielleicht hätte dies jedoch die beabsichtigte Zurückhaltung des Komponisten überfordert. Peter Szaunig ergänzte die Aufführung mit seiner eigenen Komposition „Hommage à Wagner-Régeny“ – ein Zwölfton-Thema, ein Fugato, dann Passacaglia-Variationen, völlig im Einklang mit der Musik des Konzerts und einfühlsam gespielt.

Peter Szaunig ist gebürtiger Kronstädter, hat in Bukarest studiert und ist seit den siebziger Jahren in Deutschland als Musiklehrer, Musikwissenschaftler, Komponist und Konzertpianist tätig. Durch Konzerte, Aufnahmen, Vorträge und Rezensionen macht er die Werke deutscher Komponisten aus Südosteuropa bekannt – mit dem Gesamtwerk von Rudolf Wagner-Régeny setzt er sich besonders gründlich auseinander. „Wagner-Régeny war in der Tat eine ganz herausragende Persönlichkeit“, sagt Szaunig. „Er ist mit anderen Musikern aus dieser Gegend kaum zu vergleichen und kann auch nicht eindeutig einer Musikrichtung zugeordnet werden. Musikalisch war er ein Individualist.“ Auch wenn er heute – leider – weniger erwähnt wird, steht sein Name in den Lexika des 20. Jahrhunderts neben Carl Orff und Werner Egk. Opern wie „Der Günstling“, „Die Bürger von Calais“ oder „Johanna Balk“ waren schon in den dreißiger Jahren große Publikumserfolge. Hinzu kommen Oratorien, Kantaten, Lieder, Orchesterwerke, Kammer- und Klaviermusik sowie eine pädagogische Tätigkeit, die ganze Generationen von Komponisten prägte.

Christine Chiriac

Schlagwörter: Konzert, Hermannstadt, Uraufführung

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Neueste Kommentare

  • 16.04.2012, 07:44 Uhr von bankban: Danke für den Artikel und den Hinweis auf eine hochinteressante, einmalige Karriere über Grenzen ... [weiter]

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