4. November 2013

Hans Bergels israelische Reisenotizen

Der Verfasser großer zeitgeschichtlicher Romane wie „Die Wiederkehr der Wölfe“, der Novellenbände „Am Vorabend des Taifuns“ und „Die Wildgans. Geschichten aus Siebenbürgen“ etc., Hans Bergel, präsentiert seinen Lesern mit dem neuesten Buch eine bibliophile Kostbarkeit: „Von Palmen, Wüsten und Basaren. Reisenotizen aus Israel“. Die Aufzeichnungen stammen von 2006, als sich Bergel zum wiederholten Male in Israel aufhielt. Sie umfassen keine hundert Seiten, sind aber nach Ideenfülle und Reichtum der Beobachtungen ungemein ergiebig, in klarer, ausgewogener Sprache niedergeschrieben.
Die täglichen Notizen umfassen die Zeitspanne 24. April bis 11. Mai. Was das stilvoll gestaltete Buch an Mitteilungen und Gedanken enthält, wiegt das Vielfache der relativ kurzen Zeitspanne. Beispiele: die Schilderung der Negevwüste, des riesigen Ramónkraters oder die Skizzierung des „neuen Christenmessias“ in Jerusalems berühmter Basarzeile, die Wanderungen durch die Macchia der westjudäischen Berge sowie die Begegnungen mit israelischen Künstlern und Autorenkollegen – köstlich, was Bergel über seine Literaturlesung im Jerusalemer Goethe-Institut festhält etc. Alles konzentriert in bruchloser, geschliffener Sprachdisziplin, gelegentlich tiefgründig, spöttisch. Aus der Unbefangenheit, mit der Bergel aber auch ins Gespräch mit dem Panzergeneral Aaron kommt – bei dem er gemeinsam mit seiner Frau wohnt – und sich mit Paul Celans letzter Vertrauten, Ilana Shmueli, oder der Malerin Yvonne Livay unterhält und mit der Buchautorin Eva Avi-Yonnah über Kain und Abel austauscht, spricht nicht nur der Weltgewandte, sondern auch der in einer Vielvölkerregion Geborene und Aufgewachsene, dem der Kontakt mit anderen Nationen und Kulturen von Kind an soziale Selbstverständlichkeit ist.
Knapp, präzise die Ausführungen zu Geografie und Flora – die Landschaftsschilderung. Da gibt es beglückende Passagen. Der kunstinteressierte Siebenbürger horcht auf: Einer der bedeutenden israelischen Maler der wilden, harten Wadi- und Wüstenlandschaften war der Kronstädter Oswald Adler (1912-2008), dessen Familie sich dem deutschen Bürgertum der Stadt zugehörig fühlte. Bergel hielt sich einige Male in seinem Atelier in Tel Aviv auf, korrespondierte mit ihm und publizierte eine grundlegende Studie über ihn („Aus Pannonien über Afrika in die Judäische Wüste.“ In: Bukowiner Spuren. Aachen, 2002). Ebenso besuchte er im schönen Petah Tikve den aus der Nordmoldau stammenden Epiker Alexander Spiegelblatt. Die Beschreibung dieses Besuchs bereitet besonderen Lesegenuss.

Das Buch ist keine jener politischen Schriften, die uns „Kenner“ der Materie als leere Worthülsen anbieten. Indem es aber unpolemisch auf historische Wurzeln aktueller Streitfragen in der Region hinweist und sogar heikelste Fragen unumwunden ausspricht, werden derzeitige Emotionen, Spannungen und Konflikte klar. Es ist vielmehr ein Zeugnis kenntnisreicher und sensibler Neugierde auf die uralten Kulturen eines geschichtsträchtigen Baumes. Ein Buch der Freude auch des Wiedersehens mit einem Freund – einem der zwei letzten deutschschreibenden Autoren Israels: dem angesehenen Lyriker Manfred Winkler (*1923), den Bergel seit 1956 kennt. (Siehe den Band „,... wir setzen das Gespräch fort‘. Briefwechsel eines Juden aus der Bukowina mit einem Deutschen aus Siebenbürgen.“ Verlag Frank & Timme, Berlin 2012. „Ein einmaliges Dokument der südosteuropäischen Literatur.“) Die Reisenotizen sind gespickt mit kurzen, einprägsamen Wiedergaben der Gespräche Winkler-Bergel über Literatur, Raketenangriffe aus dem Libanon, die innere Zerrissenheit des Judentums, den geistigen Zustand Europas und der Deutschen, mit Anmerkungen über Fahrten durch das Land. Etc. Einer ihrer Glanzpunkte ist die Schilderung des großen Jerusalemer Basars. Da ist ein Feuerwerk beobachterischer und sprachlicher Brillanz gezündet. Anschaulichkeit der Bilder, Ironie und Selbstironie, Gedankenblitze und Sachinformation finden zu einer Pointe, die auch hier wie überall an gegebener Stelle in philosophisch getönter Doppelsinnigkeit erscheint. Das Buch sei denjenigen empfohlen, die Freude an guter Prosa und an fremden Welten haben. Fotos des Autors vermitteln zusätzliche Eindrücke.

Arthur Hofmann




Hans Bergel: „Von Palmen, Wüsten und Basaren. Reisenotizen aus Israel“. Edition Noack & Block, Berlin, Harteinband, Fotos, 86 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3-86813-019-5, erhältlich im Buchhandel.
Von Palmen, Wüsten und Basaren
Hans Bergel
Von Palmen, Wüsten und Basaren: Reisenotizen aus Israel

Edition Noack & Block
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Schlagwörter: Bergel, Buchvorstellung

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