26. Mai 2015

"Herr Parkinson verwirrt den Körper und lässt den Kopf zuschauen"

In einem langen Selbstgespräch meldet sich der Banater Autor Richard Wagner wieder zu Wort, mitgenommen von einer unheilbaren Krankheit, aber nach wie vor klarsichtig, tiefgründig und selbstbewusst. Sein neues Buch „Herr Parkinson“ ist im April im Knaus-Verlag erschienen, wo bereits seine zusammen mit Thea Dorn verfasste Essaysammlung „Die deutsche Seele“ herausgebracht wurde.
Dieses schmale, aber nicht schmalbrüstige Buch ist in Ich-Form verfasst, wobei der Autor zu bedenken gibt, dass er nicht ganz mit dieser hier auftretenden Person gleichzusetzen ist und dass es, wie auch ansonsten in der Literatur, nur zufällige Ähnlichkeiten mit Echt-Personen gebe.

Dieses Ich erzählt nun die diversen Etappen seiner Krankheit, wobei letztere, Morbus Parkinson, als Herr Parkinson humanisiert, kräftig mitmischt. Es geht dabei um das erste Auftreten der Störung, als sich ein Bein selbstständig macht, um den ersten Besuch bei der Hausärztin, die ganz entrüstet eine Überweisung zum Neurologen ausstellt, um sich dann immer weiter in eine Krankheits- und Medikamentengeschichte, aber auch in eine Hoffnungsgeschichte zum Nachdenken zu entwickeln, wobei immer zu bedenken ist, dass es bei dieser Krankheit eigentlich gar keine Hoffnung gibt, und wenn, dann nur eine falsche, die aber auch hinwiederum eine Hoffnung sein kann.

Der Ich-Erzähler beschreibt, wie er mit dem ersten Medikament wieder Hoffnung schöpfte, dieses sich aber bald abnutzte und wie er immer mehr seine täglichen Gewohnheiten aufgeben musste. Dabei ist es weder eine langweilige Krankheitsgeschichte noch ein reiner Erfahrungsbericht. Erwähnt werden zwar der Entdecker der Krankheit und auch prominente Betroffene im Sinne eines Sachbuchs, Richard Wagner schöpft aber literarisches Potenzial aus. Er bezeichnet das Selbstgespräch zum Teil metaliterarisch als Vortrag, und dabei stellt es sich heraus, dass es vielleicht ein letzter Vortrag ist, der gar nicht gehalten wurde, er lässt ein weibliches Du auftauchen, wobei die Beziehungsgeschichte nur elegant angedeutet wird, und immer wieder lässt er Herrn Parkinson im Hinter-­ grund seinen Senf dazugeben.

Der Autor selber begann, nachdem er die Diagnose erfahren hatte, von seiner Krankheit als dem Herrn Parkinson zu sprechen. Nachher habe er aber in Foren festgestellt, dass etliche Kranke sie so bezeichnen und dass es nicht seine Erfindung sei. So kam es zu diesem, trotz der Schwere der Krankheit, neckischen Titel.

Oft sind es Postulate, die das Ich verkündet: „Es ist nicht das Zeitalter der Empörung, sondern das des Empörten“ (58), oft sind es Meditationen, die weit über die Krankheit hinausreichen: „Die Freiheit, die wir haben, ist rechtlich verankert, und wir können sie gegebenenfalls auch einklagen, aber längst nicht alles, was als straffrei gilt, ist moralisch akzeptiert. Auch heute nicht.“ (58)

Zutage kommt ein nachdenkliches Ich, das sich mit seiner Lage pragmatisch auseinandersetzt, kein bisschen larmoyant, sondern eher trotzig, aufbegehrend und realistisch. Und das bei aller Hoffnungslosigkeit seine Lebensfreude bewahrt hat: „Ich war plötzlich nicht bloß unheilbar krank, ich war auch unheilbar lebensfroh.“ (36)

Und so wirkt seine Schlussfolgerung tröstlich: „Eine unheilbare Krankheit … macht das Leben zunächst zur Strafe, sie lässt zwar nicht mit sich reden, man kann ihr aber doch einiges abtrotzen … Das Abgetrotzte muss sich für das Leben lohnen“ (S. 144). Man wünscht dem Autor, dass er weiterhin so wacker mit seiner Krankheit umgehen kann, und natürlich, dass ihm Herr Parkinson ein gütiger Begleiter sein möge.

Edith Ottschofski



Richard Wagner: „Herr Parkinson“, München, Knaus Verlag, 2015, gebunden, 144 Seiten, 16,99 Euro, ISBN 978-3-8135-0653-2
Herr Parkinson
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Schlagwörter: Rezension, Gesundheit, Banat

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