12. Dezember 2015

Dürer und Siebenbürgen

Adina Nanu, Professorin an der Bukarester Kunstakademie und am Institut für Theater- und Filmkunst Bukarest, hat bereits 1957 eine Dürer-Monografie im Bukarester Meridiane Verlag herausgegeben. 1976 folgte beim Albatros-Verlag Bukarest ihr Buch „Auf Dürers Spuren“, das nun, überarbeitet, in deutscher Übersetzung vorliegt und neben der kunsthistorischen Erfassung von Dürers Werk in seiner zeitgeschichtlichen und heutigen Rezeption auch seine Beziehungen zu Siebenbürgen einer genaueren Betrachtung unterzieht.
Die sieben Buchseiten umfassenden Angaben zur Bibliografie machen deutlich, wie umfassend das Werk Dürers wissenschaftlich aufgearbeitet ist und dass es, auf den ersten Blick, kaum noch auf zusätzliche Auslegungen angewiesen scheint. Zum anderen wird die Meisterschaft von Dürers Bildkunst Kunstfreunde und -kenner immer wieder aufs Neue herausfordern, das Werk zeitnah zu reflektieren und anzunehmen. Adina Nanu nähert sich Dürer an, indem sie dessen siebenbürgische Herkunft herausstellt und den Blick auf sein Leben und Werk durch die Einbeziehung rumänischer, ungarischer und siebenbürgisch-sächsischer Autoren erweitert.

In zwanzig Abschnitten bietet sie, zeitgeschichtlich und werkbiografisch geordnet, einen immer wieder vom Detail ausgehenden Überblick zum Leben und Werk Dürers. Aufschlussreich interpretiert sie die Dualität des Bürgers und Künstlers, seine Positionierung in der Gesellschaft und seine Selbstfindung als Künstler im Zeitalter der Renaissance. Sie schreibt: „Dürer hat sich als selbstbewusster Renaissance-Mensch dargestellt, der seine Leidenschaft durch Besonnenheit beherrschte, um sich die eigenen Konflikte zu erklären.“ Reisen nach Italien, in die Niederlande sowie seine wache Anteilnahme an der Reformation Martin Luthers und am Bauernkrieg werden in Adina Nanus Buch in ihrer Auswirkung auf die Bildmotive und ihre Gestaltung untersucht.

Die Autorin belegt wiederholt die intensive Auseinandersetzung rumänischer Gelehrter mit dem Werk des Nürnberger Meisters. Sie zitiert den Schriftsteller Alexandru Odobescu, der in seinem 1874 erschienenen Werk „Pseudokinegetikos“ das „deutsche Genie“ bewundert und das Neue in Dürers Kunst hervorhebt: die durch das Denken aufgewühlte Empfindung, das Erleben der Renaissance als Abenteuer des eigenen Seins.

In diesem Zusammenhang stellt Odobescu auch die Frage nach dem Schönen, das er mit einem tieferen Gedanken umschreibt, „der bei der Konzeption führend war, ein ungewisser, geheimnisvoller Effekt, welcher durch die beabsichtigte Zusammensetzung so vieler naiv dargestellter Details erzeugt wurde“.

Der Frage nach der in Fachkreisen umstrittenen Herkunft der Familie Dürer geht Adina Nanu in ihrem Buch mit Beharrlichkeit nach. Dürers 1523-24 niedergeschriebene Familienchronik belegt, dass: „Albrecht Dürer der Älter ist aus seim Geschlecht geboren im Königreich zu hungern, nit fern von einem kleinen Städtlein, genannt Jula, acht Meilen wegs unter Wardein, aus einem Dörflein zunächst dabei gelegen, mit Namen Eytas …“. Allen bisherigen Nachforschungen ist es nicht gelungen, das von Dürer genannte Eytas einwandfrei zu lokalisieren. In den örtlichen Urkunden, insoweit solche vorliegen, finden sich keine verwertbaren Hinweise dazu. Mangels archivalischer Unterlagen wurden heraldische Motive sowie Ableitungen des Namens Dürer, Türer, Thyrer auf mögliche Hinweise zur Familie und dem wohl in kriegerischen Auseinandersetzungen spurlos untergegangenen Eytas untersucht. Der Name Dürer führte in der Suche auch zur Einbeziehung weiter entfernter Orte wie Thorenburg in Siebenbürgen oder Düren bei Aachen, das dem Auswanderungsgebiet der Siebenbürger Sachsen im 12. Jahrhundert zugerechnet wird. Begünstigt durch die in der Nähe gelegenen Goldvorkommen, hatten sich in und um die Stadt Großwardein zahlreiche Goldschmiede niedergelassen. In seiner Familienchronik vermerkt Albrecht Dürer: „Den ersten Sohn, Albrecht Dürer genannt, der ist mein lieber Vater gewest, der ist auch ein Goldschmied worden, ein künstlicher reiner Mann.“

Die kargen und zur zuverlässigen Ortung ungenauen Angaben zur Familie Dürer vor ihrer Nürnberger Zeit haben zu unterschiedlichen bis gegensätzlichen Auslegungen geführt, die unterschwellig fortdauern. Die Autorin verweist hier auf die Hypothese von Haan Lajos aus dem Jahre 1878, in der eine ungarische Abstammung der Familie Dürer vertreten wird. Adina Nanus Schlussfolgerung hingegen führt zu einer anderen Auslegung: „Seine Muttersprache wie auch die Kunst, die er am Anfang seiner Lehre von seinem Vater übermittelt bekam, waren deutsch“. Sie sieht die Familie Dürer als Nachkommen deutscher Siedler, die sich Mitte des 12. Jahrhunderts in Siebenbürgen niederließen und als Siebenbürger Sachsen einen positiven Einfluss in Siebenbürgen ausübten.

In ihrem Buch finden sich zahlreiche Hinweise zu den zwischen Siebenbürgen und Deutschland bestehenden nachhaltigen Querverbindungen, die sich, auf die Familie Dürer bezogen, genealogisch wie auch das künstlerische Werk betreffend belegen lassen. „Diese Erhaltung dauerhafter Beziehungen zwischen Siebenbürgen und den europäischen Kulturzentren“, vermerkt die Autorin, „stellt nichts Außergewöhnliches dar in einer Zeit intensiven Austausches der materiellen und geistigen Güter, welcher entfernte Regionen miteinander verband.“ Albrecht Dürer war in seinem Selbstverständnis ein Europäer mit Kontakten von Erasmus bis zum kaiserlichen Hof und zugleich mit einer unzweifelhaften siebenbürgischen Wurzel.

Franz Heinz

Adina Nanu: „Auf Dürers Spuren“. Aus dem Rumänischen von Valentina Lisov Schuster. Editura CD PRESS, Bukarest, 2015, 194 Seiten, ISBN 978-606-528-273-5

Schlagwörter: Rezension, Kunstgeschichte

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