26. Februar 2023

Sein Haus glich einem Museum: Zum Tod des Rechtsanwalts und Kunstsammlers Dr. Karlheinz Forek

„Wann kommen Sie mich mal wieder besuchen?“ Mit stets der gleichen, schnörkellos-direkten Frage lud mich Karlheinz Forek die letzten Jahre wiederholt nach Holzkirchen ein. Hier hatte er sein Haus in der Wilhelm-Leibl-Straße 14 – gibt es einen schöneren Straßennamen für einen Kunstfreund? –, und hier war jeder willkommen, der sein Interesse an allem Siebenbürgischen teilte, speziell aber an Kunst und Geschichte.
Dr. Karlheinz Forek mit seiner Frau Gertrud und ...
Dr. Karlheinz Forek mit seiner Frau Gertrud und den altrömischen Grablöwen am Eingang seines Hauses in Holzkirchen (Mai 2022); auf dem Dach der Kirche in Densus¸ gibt es ein ähnliches Löwenpaar. Durch eine Krebserkrankung war Forek damals schon schwer angeschlagen, verlor aber darüber – ganz Löwe auch er – kein einziges Wort.
Forek, ein gebürtiger Mühlbacher, kannte Gott und die Welt und jede sächsische Familie in seinem geliebten Heimatstädtchen, in dem einst seine Karriere als jüngster Bezirkskirchenkurator begann. Er war gut vernetzt mit Ost und West, auch wenn dem Herrn Justitiar der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern die mediale Gegenwart ein Graus war, wie er freimütig einräumte („Ich bin 20 Jahre zu früh geboren“). Ironischerweise gelang gerade ihm durch seine gleich im Januar 1990 eingeleiteten Hilfeleistungen, das Landeskonsistorium in Hermannstadt einer grundlegenden verwaltungstechnischen Modernisierung zu unterziehen. Auch die Ökumene unter Miteinbeziehung der orthodoxen Kirche (Studentenaustausch u.a.m.) war ihm stets Herzenssache.

Ich kenne wenige Häuser von Siebenbürger Sachsen, die so sehr mit Kunst und Antiquitäten gefüllt sind wie das von Forek – meist Hochkarätiges vom Keller bis zum Dachgeschoss, nicht zu vergessen die vielen Bücher und Kataloge. Bereits am Hauseingang wurde der Besucher von zwei freundlichen Löwen begrüßt, Originalskulpturen aus der Römerzeit. Gefunden hatte sie der Großvater mütterlicherseits – ein Bruder des bekannten Unternehmers Ferdinand Baumann – in einem Feld zwischen Mühlbach und Petersdorf. Als ihr Herrchen 1963 auswanderte, mussten die beiden in der Sikulorumgasse 72 noch weitere 13 Jahre auf ihre Ausreise warten. Als ich sie vor zwei Wochen wiedersah, blickten sie todtraurig vor sich hin. Zumindest ihr Herz war sicher nicht aus Stein.

Wurde noch vom bis heute bedeutendsten ...
Wurde noch vom bis heute bedeutendsten siebenbürgischen Kunsthistoriker und Pfarrer Dr. Victor Roth getauft, was bekanntlich nicht ohne Folgen blieb: Dr. Karlheinz Forek, aufgenommen im Mai 2022. Foto: Konrad Klein
Noch ein Wort zum Haus, das mit seinen kunstreich verschachtelten sieben Ebenen nicht irgendein Einfamilienhaus ist, sondern ein Bau des Forek zuletzt auch freundschaftlich verbundenen Architekten Werner Wirsing, manchen vielleicht als der Erbauer des Olympischen Dorfes ein Begriff. In dem 1981 bezogenen Haus hatte es Forek geschafft, über 300 Bilder, Plastiken, Ton- und Glaskrüge sowie weitere Kunstobjekte in den verschiedenen Räumen und Treppenaufgängen unterzubringen. Ein Hauch von Kabinett und Privatmuseum schwebte bereits beim Eintreten ins Gästezimmer mit seinen eng neben- und übereinander hängenden Gemälden. Der Raum enthielt ausschließlich Arbeiten des Münchner Impressionisten Julius Seyler und eine Reihe atmosphärisch reizvoller Seestücke von Alfred Bachmann.

In anderen Räumen vertraut Sächsisches, etwa Karl Brandsch, Trude Schullerus und Hans Hermann, dazwischen wertvolle Künstlerpuppen aus der Sammlung seiner Schwester Marion Forek-Schmahl, die in Klausenburg Bildhauerei studiert hatte. Über ihre damaligen Lehrer Ion Mitrea und Romulus Ladea kam auch viel rumänische Kunst ins Haus, darunter Bilder von Mitrea und mehrere Bronzereliefs von Ladea. Und überall, verteilt über die Treppenaufgänge, kolorierte Lithographien, Stahl- und Kupferstiche aus Siebenbürgen, aber auch aus der neuen Heimat. Die künstlerischen Highlights waren indes, zumindest aus sächsischer Sicht, das hier erstmals veröffentlichte Selbstbildnis Hans Eders von 1944. Ebenso die psychologisch subtile Porträtstudie des Schriftstellers Otto Fritz Jickeli, dem Vater von Foreks Frau Gertrud „Trudi“ Jickeli (1928-2023); wobei das größte Wunder an dem Bild vielleicht ist, dass es überhaupt gemalt wurde – aus dem schlichten Grund, dass sich Jickeli nicht malen ließ, aber bei Helmut von Arz eine Ausnahme machte. Es war die Zeit, als er an seiner Familiensaga „Auf der großen Bach“ arbeitete, die dann 1957 erschien (später unter dem Titel „Siebenbürgisch-sächsische Familienchronik“).

Dr. Otto Fritz Jickeli, gemalt 1956 von Helmut ...
Dr. Otto Fritz Jickeli, gemalt 1956 von Helmut von Arz. Öl auf Leinwand, 86 x 68 cm. Ein Jahr später erschien Jickelis in der Hermannstädter Unterstadt spielender Roman „Auf der großen Bach“. Samml. Dr. Forek. Foto: Konrad Klein
Die Hochzeitsfeier des Ehepaars Forek fand übrigens im bekannten Jickelischen Haus neben dem Ratsturm statt, einem der geschichtsträchtigsten Häuser der Stadt. Es war die wohl letzte Hochzeit großen Stils in Hermannstadt, ehe Rumänien Volksrepublik wurde. Die Trauung am 20. September 1947 vollzog Bischof Friedrich Müller, dessen Frau Anna auch die Taufpatin der Braut war. Das vielleicht schönste Hochzeitsgeschenk überreichte Trude Schullerus den frisch Vermählten: ein Gemälde des erwähnten Hauses, gesehen vom Kleinen Ring, es hatte einen Ehrenplatz im „Sächsischen Zimmer“ in Holzkirchen. Es war ebendieses Haus Reispergasse/Avram Iancu 1-3, in dem sich einst der bekanntlich ebenfalls aus Mühlbach stammende Arzt und Schriftsteller Dr. Friedrich Krasser als praktischer Arzt niedergelassen hatte. Seine Tochter Valerie (Vally) war die Mutter von Hermann Oberth, während ihre Schwester Berta den Kaufmann und Naturforscher Dr. Carl Friedrich Jickeli, den Vater von Dr. Otto Fritz Jickeli, heiratete. Am 28. Juli 1948 wurde die Eisengroßhandlung nationalisiert und in Curtea de Fier bzw. später Ferometal umbenannt.
Das Hochzeitsgeschenk der Malerin Trude ...
Das Hochzeitsgeschenk der Malerin Trude Schullerus: das Jickelische Haus mit dem Ratsturm, gesehen vom Kleinen Ring (1947). Foto: Konrad Klein
Neben dem multiethnischen Künstlervölkchen, das in Foreks offenem Haus ein und aus ging und öfter auch tagelang blieb, waren immer wieder gern auch (Alt-)Bischof Dr. Christoph Klein, Reinhart Guib, Dr. Stefan Cosoroabă oder der Hauptanwalt des Landeskirche Friedrich Gunesch, um nur vier Namen aus dem kirchlichen Umfeld zu nennen. Manch anregendes Gespräch wurde hier geführt, denn Forek konnte zuhören, aber auch die Fragen stellen, auf die es ankam. So war er Anreger, Ideengeber und Ermöglicher in einer Person. Nicht zu vergessen die legendären Feiern und Feste der frühen Jahre im Partykeller, geschmückt mit Bildern des ungarischen Malers Walter Gábor, Pastellen von Pósa Ede und Arbeiten der Widmann-Schülerin Maria „Manyi“ Bodor, der langjährigen Hermannstädter Bühnenbildnerin, einer guten Freundin und zeitweiligen Berufskollegin von Forek-Schmahl.

Hans Eders vergleichsweise spätes Selbstbildnis ...
Hans Eders vergleichsweise spätes Selbstbildnis von 1944 zählt zu den wertvollsten Ölbildern der Sammlung Dr. Forek. Öl auf Leinwand, 75 x 67 cm.
Eine Frage, die Forek nicht nur als Mann der Kirche beschäftigte und mit der er die Kirchenleitung wiederholt konfrontierte, war, warum in der Bildnisgalerie der Superintendenten im Hermannstädter Bischofshaus ein Porträt von „NS-Bischof“ Wilhelm Staedel fehle. Totschweigen und Verdrängen war seine Sache nicht. In einem Nachruf auf die Fabrikantentochter Inge-Maya Rieger erwähnte ich, dass sie 1948 zusammen mit ihrem Kommilitonen Forek in Klausenburg durch den Kommunisten und späteren Direktor der Brukenthalschule Hermann Schmidt als „copii de exploatatori“ (Ausbeuterkinder) gemeldet wurden. Foreks Vater konnte nur mit großer Mühe die Studientaxe von 200.000 Lei aufbringen, während Rieger ihr Studium abbrechen musste. Als Forek den Artikel las (SbZ vom 15. Juni 2020, S. 12, siehe auch SbZ Online vom 18. Juni 2020), rief er sogleich an und begrüßte, dass auch diese Dinge endlich mal beim Namen genannt wurden.

Das Haus in der Leibl-Straße erlebte freilich auch dunkle Stunden. Bedrückend muss es für Karlheinz Forek gewesen sein, als er seine über alles geliebte Schwester Marion Forek-Schmahl (1935-2011) mit einer schweren Alzheimererkrankung bei sich aufnahm. Drei Jahre lang kümmerte er sich um die einst so temperamentvolle Puppenkünstlerin. Sie hatte eine legendäre Puppensammlung zusammengetragen und als langjährige Geschäftsführerin des Bayerischen Kunstgewerbevereins durch Ausstellungen u.a.m. viel für die Künstlerpuppe geworben. 1990 brachte sie den Bildband „Kunstobjekt Puppe“ heraus. Ein informatives Porträt der Künstlerin ist in Hans Meschendörfers Büchlein „Münchner in Siebenbürgen, Siebenbürger in München“ (1996) nachzulesen.
Hans Hermann: Winterlandschaft, o. J. Radierung, ...
Hans Hermann: Winterlandschaft, o. J. Radierung, 5,7 x 9,6 cm. Samml. Dr. Forek
Erwähnt werden sollte an dieser Stelle auch der Maler, Sammler und Ingenieur Klaus Forek (1925-2005), Vetter von Marion und Karlheinz Forek. Er hatte bereits früh in Mühlbach Förderung und Anregung durch die Maler Karl Brandsch und Hans Eder, einem Freund der Familie, erfahren (aus dieser Zeit stammt das nebenstehende Selbstbildnis). Kriegsbedingt brach er sein Studium an der Wiener Kunstakademie 1944 ab. Nach einem Intermezzo als Lehrer an der Schule für Bauwesen und der Heirat mit Renate Fischer 1954 fuhr er in den 1960er Jahren mit seinem Schwager, dem bekannten Auktionator Dr. Jürgen Fischer (geb. 1942), über die siebenbürgischen Dörfer, um Antiquitäten anzukaufen. Dabei steckte er diesen mit seiner Sammlerleidenschaft nachhaltig an und vermittelte ihm auch Vieles an Fachwissen. Sein damaliger Beruf als Qualitätsingenieur im Bauwesen fand ein jähes Ende, als er im Zusammenhang mit dem Bilderraub im Brukenthalmuseum von 1968 Anfang der 1970er für drei Jahre inhaftiert wurde – unschuldig, wie sich später herausstellte. 1975 ließ man ihn mit seiner Familie auswandern – unter der Bedingung, über das erlittene Unrecht zu schweigen.

Hier schließt sich der Kreis, denn ausgerechnet beim Auktionshaus Fischer in Heilbronn, einem der führenden Glasauktionshäuser Europas, kommt nun auch ein Teil der einst liebevoll von Karlheinz Forek gesammelten Kunstschätze unter den Hammer. Vielleicht nur halb so schlimm, denn durch sein Wirken hatte er auch viele Schätze im Himmel gesammelt.

Konrad Klein

PS. Während ich diese Zeilen verfasste, erreichte mich die Nachricht, dass Gertrud Forek am 5. Februar im Krankenhaus in Agatharied einem Herzinfarkt erlegen ist. Am 31. Januar noch hatte ich die geistig ungemein frische und positiv gestimmte Witwe des Verstorbenen besucht. Zur Vita und den Verdiensten von Karlheinz Forek siehe auch Dr. Berthold Köbers Nachruf „Für den Dienst der Kirche am Menschen gelebt“ in der Beilage „Kirche und Heimat“ dieser Ausgabe. – K.K.

Schlagwörter: Kunstsammler, Rechtsanwalt, Nachruf, Mühlbach, Hermannstadt

Bewerten:

51 Bewertungen: ++

Noch keine Kommmentare zum Artikel.

Zum Kommentieren loggen Sie sich bitte in dem LogIn-Feld oben ein oder registrieren Sie sich. Die Kommentarfunktion ist nur für registrierte Premiumbenutzer (Verbandsmitglieder) freigeschaltet.