4. Februar 2024

Tagung im Heiligenhof in Bad Kissingen: Europäische Perspektiven: Die Republik Moldau

Am letzten Novemberwochenende (24.-26. November 2023) fand unter der Leitung von Gustav Binder in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“ in Bad Kissingen ein interdisziplinäres Seminar zur Geschichte und Gegenwart der Republik Moldau statt. Der besondere Schwerpunkt lag auf den europäischen Perspektiven dieses südosteuropäischen Landes, das durch den Angriffskrieg Russlands auf die benachbarte Ukraine in den Fokus der aktuellen europäischen Politik gelangt ist. Die Historische Kommission des Bessarabiendeutschen Vereins beteiligte sich als Kooperationspartnerin der Tagung, ebenso Dr. Heinke Fabritius als zuständige Kulturreferentin der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien sowie die Deutsch-Rumänische Gesellschaft (Berlin).
Den Auftakt der Veranstaltung machte am 24. November die Berliner Filmemacherin Ksenia Ciuvaseva mit dem Film „Tracing Tango Echo Tango“ – ein Film, der in die 1990er-Jahre eintaucht und die äußere und vor allem auch die innere Verlorenheit vieler Menschen in den ehemaligen Sowjetrepubliken nach dem Kollaps der Sowjetunion in eindringliche exemplarische Bilder fasst. Bilder, die das Schicksal von Piloten in jenen Jahren nachzeichnen, die sich mit ihren nicht mehr konkurrenzfähigen Flugzeugen aus sowjetischer Produktion als „Busch-Piloten“ in Afrika verdingen mussten, um so irgendwie ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familien bestreiten zu können.

Der nächste Tag begann mit einem (wegen Erkrankung online gehaltenen) Vortrag von PD Dr. Svetlana Suveica (Regensburg), die einen einleitenden Überblick über die Geschichte der Moldau vom Fürstentum zur Republik gab, der vom Spätmittelalter bis in die Gegenwart reichte. Dr. Hans Rudolf Wahl (Bremen) referierte sodann über „die erste Unabhängigkeit der Moldau“, über Bessarabien am Ende des Ersten Weltkrieges 1917/18 und die langfristigen Folgen des Umbruchs jener Monate, der das Land zwischen Dnjestr und Pruth zu einem Teil Rumäniens werden ließ.

PD Dr. Mariana Hausleitner (Berlin) thematisierte sodann die „Nationalitätenpolitik in Bessarabien 1918-1945“. In der Zwischenkriegszeit zeitigte eine zunehmend nationalistisch geprägte, zentralstaatliche Politik in Rumänien wachsende Konflikte, die insbesondere auch in den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen begründet lagen. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt kam das Gebiet 1940 zunächst kurzfristig zur Sowjetunion, wurde dann während des Zweiten Weltkriegs von der deutschen Wehrmacht sowie den verbündeten rumänischen Truppen besetzt und am Ende dieses Krieges erneut von der Sowjetunion annektiert. Die Umsiedlung der Bessarabiendeutschen fällt in diesen historischen Zusammenhang. Deportationen in sowjetische Straflager sowie insbesondere der Holocaust waren die Tiefpunkte der Herrschaft der Diktaturen jener Zeit über Bessarabien, die bis heute fortwirkende Folgen für die Bevölkerung des Landes hatten. Der Völkermord an der jüdischen Bevölkerung und den Roma Bessarabiens war dabei ein durchaus eigenständiges Unterfangen des rumänischen Diktators Ion Antonescu.

Dr. Cornelia Schlarb (Marburg) berichtete über „die Hauptstadt Kischinew und ihre Deutschen“ und begab sich dabei insbesondere auf eine kirchengeschichtliche „Spurensuche in der evangelisch-lutherischen Gemeinde 1825 bis 2023“, erinnerte aber ebenso an die stadtgeschichtlich zentrale Rolle des Bürgermeisters Karl Schmidt, der dieses Amt von 1877 bis 1903 innehatte.

Dr. Björn Opfer-Klinger (Leipzig) widmete sich sodann der ganz eigenen, von Brüchen und Kontinuitäten gezeichneten Geschichte des Budschak, also jenes Gebietes im Süden Bessarabiens, das nicht Teil der heutigen Republik Moldau wurde, sondern der Ukraine und in dem die Mehrheit der Bessarabiendeutschen lebte.

Dr. Dietmar Müller (ebenfalls Leipzig) gab einen Überblick über die wechselhafte Geschichte der russisch-rumänischen Beziehungen seit der rumänischen Staatsgründung zwischen 1859 und 1866 und der Gegenwart. Diese Beziehungen setzten stets den politischen Rahmen für das Geschick Bessarabiens und der Republik Moldau – von der Großmächte-Politik des 19. Jahrhunderts über die Zwischenkriegszeit, die Zeit des Zweiten Weltkrieges und der kommunistischen Diktaturen bis hin zur post-kommunistischen Ära nach 1989/ 1991.

Der dritte und letzte Tag der Veranstaltung begann mit einem sprachgeschichtlich orientierten Vortrag von PD Dr. Günter Koch (Passau) über die „Sprachpolitik und sprachliche Varietäten der Bessarabiendeutschen bis zur Umsiedlung 1940“, wobei insbesondere der Bedeutung der tradierten dialektalen Einflüsse für die Umgangssprache nachgespürt wurde.

Dr. Josef Sallanz (Berlin) zeichnete abschließend „die politischen Entwicklungen in der Republik Moldau“ nach der Erlangung der Unabhängigkeit 1991 detailliert nach und gab einen sehr instruktiven Überblick über den aktuellen Stand der politischen Entwicklung im Lande sowie mögliche Zukunftsszenarien.

Die Beiträge dieser Tagung sollen in einem Sammelband veröffentlicht werden, der derzeit in Vorbereitung ist.

Hans Rudolf Wahl

Schlagwörter: Tagung, Bad Kissingen, Moldau

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