16. Februar 2024

Georg Aescht wurde in Berlin mit dem rumänischen Kulturverdienstorden ausgezeichnet

Georg Aescht wurde am 25. Januar anlässlich des Tages der Rumänischen Kultur in der Botschaft von Rumänien in Berlin mit dem Verdienstorden im Rang eines Ritters, Kategorie A – Literatur, geehrt. Eine Schülerin aus Klausenburger Zeiten erinnert sich …
Adriana Stănescu, Botschafterin von Rumänien ...
Adriana Stănescu, Botschafterin von Rumänien in der Bundesrepublik Deutschland, mit Georg Aescht bei der Feierlichkeit in Berlin. Foto: Diana Păun/ Botschaft von Rumänien in Berlin
Dem, was Edith Konradt (Siebenbürgische Zeitung vom 16. Oktober 2023, S. 6, siehe auch SbZ Online vom 29. September 2023) anlässlich seines 70. Geburtstag über ihn schrieb, ist kaum etwas hinzuzufügen. Ja, Georg Aescht ist ein „Ausbund an Eloquenz, Esprit und Elan“. Und ja, er ist in der Nähe jener Stadt geboren, in der – den Titel des von ihm übersetzten Romans von Ioana Pârvulescu abwandelnd – „die Hunde in drei Sprachen bellen“. Ja, er ist ein „sprachversierter Bücherfreund“, der schon während seines Philologie-Studiums an der Babeș-Bolyai-Universität Klausenburg seine Hochschullehrer – allen voran Michael Markel und Peter Motzan – mit seiner Fabulierkunst und Assoziationslust in Erstaunen versetzte. Und ja, als Übersetzer, Literaturkritiker, Redakteur und Moderator ist er „Vermittler zwischen den unterschiedlichen Kulturen und Literaturen“. Dafür ist er zusammen mit anderen Wissenschaftlern, Forschern, Musikern und Kulturschaffenden am 25. Januar anlässlich des Tages der Rumänischen Kultur in der Botschaft von Rumänien in Berlin mit dem Verdienstorden im Rang eines Ritters, Kategorie A – Literatur ausgezeichnet worden.

Die Liste seiner Übersetzungen aus dem Rumänischen ins Deutsche lässt die Frage aufkommen: Wie viele Leben hat er denn, dieser Georg Aescht? Dass einer sich mit Gellu Naum, Alexandru Papilian, Alexandru Vona, Andrei Pleșu, Mihail Sebastian, Lucian Boia, Norman Manea, Filip Florian, Gabriela Adameșteanu, Liviu Rebreanu, Nicolae Breban sowie mit vielen anderen anspruchsvollen Autoren und eigensinnigen Charakteren in nur einem einzigen Leben abgibt, scheint fast unmöglich zu sein. – Derzeit befasst er sich mit Ana Blandiana, einer rumänischen Dichterin, die, selbst wenn sie Prosa schreibt, Poesie im Kopf hat. Ist sie überhaupt einem anderen Kulturkreis vermittelbar, ist sie in eine andere Sprache übersetzbar? Für Georg Aescht schon, schließlich ist ihm der Spruch „Traduttore, traditore“ (Übersetzer, Verräter) durch Mark und Bein gegangen. Wie ein Archäologe gräbt er sich in die tiefsten Schichten eines Textes hinein, um etwas zu Tage zu fördern, das selbst den Urheber verblüfft. Auf diesen interpretatorischen Vorsprung lassen sich Brillanz und Kongenialität seiner Übersetzungen zurückführen.

Doch was Georg Aescht für mich sowie für Hunderte von Klausenburgerinnen und Klausenburgern ist: der beste Deutschlehrer aller Zeiten! Als er 1984 nach Deutschland auswanderte, flossen in der deutschen Abteilung des George-Coșbuc-Lyzeums viele Tränen. Bei mir flossen sie schon zwei Jahre vorher, da ich auf Wunsch meiner Eltern nach der 8. Klasse die Schule wechselte und nach Hermannstadt ins Exil ging (das Exilanten-Gefühl ließ mit der Zeit nach). – Wie er es verstand, für uns, kleine Fratzen, Texte kurz und knapp auszulegen! (Das mögen die Kenner seines publizistischen Werkes, das eher barock anmutet, kaum glauben.) Wir waren so beeindruckt von seiner „Peter Schlemihl“-Interpretation, dass wir ihn „Genosse Adelbert“ nannten. Vermutlich hätte sich von Chamisso über einen solch „wundersamen“ Doppelgänger gefreut. Der „Schatten“ war unser großes Thema. Was oder wer uns beschattete, fragten sich damals nicht wenige. Den einen großen „Schatten“, den das Land erst Ende 1989 loswurde, hätte man wahrlich allzu gerne verkauft, schließlich führte er dazu, dass wir unseren „Genossen Adelbert“ verloren. Heute mag zwar dieser Spitzname verwunderlich klingen, doch in jenen Zeiten verdichtete sich die geballte Zuneigung Hunderter von Kinderseelen in „Genosse Adelbert“ und es gelang ihr, die abstoßende Konnotation des Titels zu reinigen, ja zu läutern: „Genosse“ wurde zum engelsgleichen Attribut. Er beflügelte uns.

1989 hatte unser Deutschlehrer längst ein anderes Zuhause gefunden. Von dort, aus Bonn, kam er am 25. Januar 2024 mit seiner ihn seit nunmehr 50 Jahren begleitenden Frau Evemarie zur Preisverleihung nach Berlin und nahm seinen Orden entgegen – nicht ohne in alter Manier die Literatur zu würdigen. Seine auf Rumänisch gehaltene Dankesrede war eine Hommage an die Großen der rumänischen Geistesgeschichte. Nicht stumm wie ein Schwan („mut ca o lebădă“, Lucian Blaga), sondern beflügelt wie Mihai Eminescus „Luceafărul“, der Abendstern, dem bekanntlich vor lauter Enthusiasmus Flügel in den Himmel wachsen („Creșteau/ În cer a lui aripe“), erinnerte sich Georg Aescht an seinen eigenen Geburtsort Zeiden, einen anderen rumänischen Schriftsteller zitierend: „Nu știu alţii cum sunt, dar eu, când mă gândesc la locul nașterii mele (… ), parcă-mi saltă și acum inima de bucurie! Și (…) de parcă era toată lumea a mea!“ Mit Ion Creangăs „Humulești“ gewann er die Herzen des Publikums. Dass sich dieses Gefühl, die Welt gehöre einem und man könne sie vor Glück umarmen, bei der harten Archäologentätigkeit nicht immer einstellt, nehme ich einem Übersetzer sofort ab. Mit dem nervtötenden und zeitraubenden Begleitphänomen wie dem Aufspüren eines wohlgesinnten Verlages muss er sich schließlich auch noch befassen. Doch am 25. Januar erlebte ich Georg Aescht wie in alten Zeiten: Mit wenigen Sätzen und in seiner verschmitzten Art begeisterte er das Publikum. Ich fühlte mich in eine andere Epoche versetzt. Nur der tosende Applaus verhinderte es, dass ich nicht ganz in meinen Erinnerungen versank.

Gratulation dem Lehrer, dessen Deutschstunden ein Lichtblick in düsteren Zeiten waren! Seine frei erfundenen Monstersätze à la Thomas Mann, mit denen er uns bei der Syntax des Satzgefüges quälte, haben wir ihm schon damals verziehen. Auch die „Kontrollarbeiten“ mochten wir nicht, aber ihn, unseren „Genossen Adelbert“, mochten wir sehr! Die Mutter einer meiner rumänischen Klassenkolleginnen kam damals auf meine Mutter zu und fragte sie: „Îl cunoașteţi cumva pe profesorul Aescht? Daniela se dă peste cap pentru dânsul!“ (Kennen Sie zufällig den Lehrer Aescht? Meine Tochter überschlägt sich vor Begeisterung für ihn!) Nicht nur Daniela überschlug sich …

Ingeborg Szöllösi

Schlagwörter: Aescht, Auszeichnung, Berlin, Literatur, Botschafterin

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