28. April 2024

Interview mit dem Künstler Radu-Anton Maier zu seinem 90. Geburtstag / Von Hans-Werner Schuster

Der am 28. April 1934 in Klausenburg geborene Radu-Anton Maier ist einer der bedeutendsten siebenbürgisch-sächsischen Künstler und eine „Koryphäe der ,explosiven Generation‘“ Rumäniens. Als Maler und Grafiker hat er sich nach der 1967 erfolgten Ausreise auch in Deutschland und international einen Namen gemacht. In Museen, öffentlichen und privaten Sammlungen findet man seine Werke, die in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt sowie in einer Künstlermonographie, einem Kunstband, in Kalendern und Periodica veröffentlicht worden sind. Der vielfach Geehrte hat in Fürstenfeldbruck, wo er auch lebt, 2010 die Galerie RADUART eröffnet, in der er wiederholt Künstler aus Siebenbürgen ausstellt. Er betreibt sie gemeinsam mit seiner Gattin Svetlana Maier.
Lieber Radu, wir kennen uns schon (m)ein halbes Leben lang. 1989 war die Künstlermonografie „Radu-Anton Maier. Disziplin – Meditation – Lyrismus“ von Titu Popescu und weiteren Autoren die erste Publikation, die ich redigiert habe. Danach habe ich deinen Werdegang verfolgt, in einige deiner Ausstellungen eingeführt und deine Werke in Ausstellungen gezeigt, zuletzt 2018 beim Heimattag in Dinkelsbühl in der Retrospektive „RADUtopia“. Du überraschst mich immer wieder: mit neuen Zyklen, neuen Techniken und erweitertem Betätigungsfeld. Auch dein 90. Geburtstag überrascht mich, so wie schon dein 60., 70. und 80., Altersstufen, die einfach nicht zu deiner Vitalität und Schaffenskraft passen. Wie hältst du dich so gut, wie bewahrst du dir deine Neugier und Schaffenskraft?

Lieber Schusti, meine Kunst hat uns immer wieder vereint, und unsere Diskussionen haben meine Phantasie angeregt. Wie in alten Zeiten versuche ich, meiner Traditionslinie treu zu bleiben, während ich gleichzeitig neue Wege erkunde. Meine Neugier scheint nicht nachzulassen, wie die „Studienreisen“ der letzten Jahre zeigen. Sie führten nicht so weit weg, wie in früheren Jahren, und waren auch nur von kurzer Dauer – pandemiebedingt. Ich habe meine Aufmerksamkeit den Wäldern nebenan und den verzweigten Wasserläufen der Amper und ihrer Nebenflüsse gewidmet und mich intensiv damit auseinandergesetzt. Aus dieser Erfahrung heraus sind Landschaftsbilder entstanden, vorwiegend Baummotive, in denen mitunter die weibliche Anatomie anklingt. Denn meine Schaffenskraft speist sich zu einem großen Teil aus meiner Phantasie. Wie diese spielen aber auch Glaube und Religiosität eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren habe ich mich verstärkt damit, mit der menschlichen Existenz und dem Sakralen auseinandergesetzt. Dies ist einer der Gründe, warum mein 90. Geburtstag in diesem Jahr in einer Kirche gefeiert wird.

Auf die Geburtstagsfeier werde ich später eingehen. Zuerst will ich noch zurückblicken. 1952 hast du an der Kunstakademie „Ion Andreescu“ in Klausenburg begonnen, Malerei und Grafik zu studieren, und 1957 hattest du deine erste Einzelausstellung – in Leningrad. In über 70 Jahren künstlerischen Schaffens gab es neben Höhen auch Tiefen. Welche waren prägend?

Meine Bilder sind Spiegelungen meiner Höhen und Tiefen und Ergebnisse einer ständigen Auseinandersetzung mit mir und mit den Materialien, die mir zur Verfügung stehen, um das auszudrücken, was in mir wächst und mich bewegt. Zu den Höhepunkten zählt zweifellos das Stipendium an der italienischen Akademie der Künste „Pietro Vanucci“ in Perugia, das mir 1963 den persönlichen Kontakt zur europäischen Kunstszene ermöglichte und meinen bis dato eingeschränkten Horizont weitete. Zu den Tiefen gehören die in Rumänien gemachten Erfahrungen während der Zeit der sozialistischen Diktatur. Trotz aller Einschränkungen habe ich die Möglichkeit gefunden, meinen Weg zu gehen, neue Formen und Darstellungsmöglichkeiten zu entdecken und sogar einige unangenehme Wahrheiten auszudrücken. Den absoluten Tiefpunkt erlebte ich ausgerechnet in der Tauwetterperiode nach 1965. Mein 42 qm großes Fresko im Klausenburger Kulturzentrum „Cinema Republica“ wurde nicht nur als antiproletarisch und dekadent kritisiert, sondern gänzlich zerstört. Noch im gleichen Jahr 1967 verließ ich Rumänien und ließ mich in München nieder.

Zu den Höhen gehört auch die Teilnahme an der Großen Kunstausstellung in München in den Jahren 1975-1982 sowie die Teilnahme an weiteren herausragenden nationalen und internationalen Ausstellungen, oder die Tatsache, dass mich 1983 die New Yorker Lincoln Gallery präsentiert hat, und nicht zuletzt die Galerie RADUART, in der ich zeitgenössische Kunst ausstelle, Begegnungen und Gespräche mit meinem Publikum erlebe und auch meinen Schöpfungsort gefunden habe.
Radu-Anton Maier in der Galerie RADUART vor ...
Radu-Anton Maier in der Galerie RADUART vor seinen Werken „Venezianische Quintessenz“, Mischtechnik auf Leinwand, 81 x 81 cm, 2023 (rechts) und „Biegsames Kreuz“, Mischtechnik auf Leinwand, 100 x 100 cm, 2022. Foto: Hans-Werner Schuster
Unterschiedliche Techniken und Stile beherrschst du meisterhaft und bewegst dich souverän zwischen ihnen, was es schwer macht, dich kunsthistorisch zu verorten. Welche Technik bevorzugst du, und welchem Stil, welcher Schule, fühlst du dich am ehesten zugehörig?

Als Schüler von Aurel Ciupe und Theodor Harșia ist die Realität Ausgangspunkt meiner Werke. In der Auseinandersetzung mit der Realität versuche ich ihr so nahe wie nur möglich zu kommen, distanziere mich aber gleichzeitig von ihr, indem ich sie in eine neue Realität überführe – ein Phänomen, das nicht nur meine Werke, sondern auch meine gesamte Kunstphilosophie beeinflusst.

Die Zeichnung ist für mich als Skizze oder Vorstudie zu Gemälden unerlässlich. Etliche davon betrachte ich inzwischen als eigenständige Werke. Graphischer Techniken wie z.B. der Radierung bediene ich mich, um bestimmte Sujets zu vervielfältigen. Am liebsten male ich – al fresco allerdings nur bis 1967. Von der Virtuosität eines Caspar David Friedrich, Lyonel Feininger, William Turner oder Salvador Dalí bin ich fasziniert und eifere ihnen nach. Aber ich folge ihnen nicht blind, genauso wenig wie einem bestimmten Stil, sondern symbiotisch und immer mit einer persönlichen Note, die meinen Werken einen starken Wiedererkennungswert verleiht. Eine Symbiose gehen bei mir auch Öl-, Acryl- und Temperamalerei ein, wobei die Airbrush (ein kompaktes Farbsprühgerät, das mit Luftdruck arbeitet; Hans-Werner Schuster) bis heute mein bevorzugtes Werkzeug geblieben ist.

Meine Arbeiten bewegen sich im Rahmen einer Kunstform, die ich als Meta-Realität und Meta-Sprache mit einem eigenen Instrumentarium definieren würde.

Du bist wiederholt geehrt worden. Welche Auszeichnung war dir am Wichtigsten und warum?

Das ist schwer zu sagen. Die Ernennung zum Ehrenbürger Klausenburgs 1999 war Ehrung wie auch seelische Wiedervereinigung mit meinem Geburtsort und -land. Die Ehrengabe des BdV Bayern (Bund der Vertriebenen) wurde mir für meine künstlerische und kulturelle Lebensleistung verliehen – 2006! Die Krönung war wohl der rumänische Kultur-Verdienstorden im Rang eines Kommandeurs. Er wurde mir 2022 verliehen als „Anerkennung und Würdigung seiner bedeutenden und prestigeträchtigen Karriere in der bildenden Kunst und für seinen großen Beitrag zur Förderung des Images Rumäniens in Deutschland“.

Für viele Künstler war Corona ein tiefer Einschnitt. Du hast die Zeit genutzt, um Ende 2021 im Klausenburger Verlag Tribuna einen großformatigen, dreisprachigen Kunstband herauszugeben. Die Monographie, die du schon lange verdient hast, ist es nicht geworden. Was ist es dann, und was hast du damit bezweckt?

In der Corona-Pandemie habe ich die Zeit genutzt, um längst geplante Projekte zu Ende zu bringen. So entstand eine ganze Serie von Landschaftsmalereien und der Kunstband „Radu-Anton Maier. Meister der imaginären Welten“. Auf letzteren bin ich sehr stolz. In den Zeiten der räumlichen Distanz und eingeschränkter sozialer Kontakte haben wir den Band gewissermaßen als Ersatz für eine Retrospektivausstellung konzipiert. Auf 159 Seiten bietet er neben etlichen Informationen zu meinem Werk und meinem Leben eine repräsentative Auswahl meiner Arbeiten, die in den Jahren 2006-2021 entstanden sind. Sie sind als großformatige hochwertige Abbildungen in vier Themenbereichen zusammengefasst: Landschaften, Porträts, Akte und Blumen. Ein Restbestand ist zum Preis von 45 Euro inkl. Porto zu erwerben in der Galerie RADUART, Ledererstraße 12, 82256 Fürstenfeldbruck, Telefon: (0 81 41) 22 45 95, E-Mail: galerie[ät]raduart.com. Die von dir erwähnte Monographie befindet sich in einem Konzeptionsstadium – ein Projekt das uns in den nächsten Jahren sicherlich intensiv beschäftigen wird.

2022 und 2023 sind Kalender mit Werken von dir erschienen. Wann erscheinen Bände zu deinem Frühwerk sowie zu den Werken der Jahre 1990-2006?


Viele Werke aus den Anfangsjahren fehlen leider, und die vorhandenen Werke geben bloß eine lückenhafte Einsicht in mein frühes Schaffen. Die Suche und Forschungsarbeit wird fortgesetzt, und ich hoffe sehr, den Traum von weiteren Kunstbänden zu verwirklichen.

Und was planst du als Nächstes?

Eben erst sind meine Werke aus dem Münchner Künstlerhaus zurückgekehrt. Dort habe ich bis zum 7. April als Gast an der Jahresausstellung der „Münchener Künstlergenossenschaft königlich privilegiert 1868“ teilgenommen. Obwohl es eine schöne Erfahrung war, mit Anregungen, neuen Ideen und Verbindungen, befinde ich mich aktuell in einer passiven Schaffensphase. Einerseits ergänze ich auf kurzen Studienfahrten mein Inspirationsreservoir, andererseits bemühe ich mich darum, meine Skizzen in eine konstruktive Ordnung zu bringen und nach bereits existierenden Projekten zu sortieren. Erst danach wird die Arbeit an der Staffelei fortgesetzt, wobei ich mich von den großen Formaten ab und Mittel- oder Kleinformaten zuwenden werde. Auch die Archivierung der Werke, die in einem professionell gestalteten Online-Shop (raduart.com) präsentiert werden, ist ein ständiger Prozess, der uns auf Trab hält.

Zurück zu deinem 90. Geburtstag. So wie ich dich und Svetlana kenne, habt ihr sicherlich etwas geplant, nicht wahr?

Die Vorbereitungen laufen tatsächlich auf Hochtouren. Umgeben von einigen ausgewählten sakralen Bildern werde ich meinen 90. Geburtstag in der Rumänischen Griechisch-Katholischen Gemeinde von Pfarrer Dr. Ioan-Irineu Fărcaș in München feiern. Die Feier am Sonntag, dem 28. April, beginnt um 12.00 Uhr in der Mathildenstraße 10, gut erreichbar mit U1, U2, U3, U6, Tram 16, 18, Haltestelle Sendlinger Tor. Der Eintritt ist frei. Danach ehren mich am 27. Juni das Generalkonsulat von Rumänien in München in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Rumänischen Kulturgesellschaft „Apoziţia“ e.V. und Gesellschaft zur Förderung der Rumänischen Kultur und Tradition e.V. mit einer feierlichen Veranstaltung und mit einer Sonderausstellung, die im Juli in der Galerie RADUART fortgesetzt wird. Einzelheiten dazu folgen.

Ich werde dabei sein. Schon jetzt wünsche ich dir, auch im Namen der Redaktion, weiterhin Gesundheit, Schaffenskraft und -freude und danke für das Interview.

Schlagwörter: Radu-Anton Maier, Geburtstag, Künstler, Maler, Fürstenfeldbruck

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