25. Oktober 2007
Verdienter Literaturwissenschaftler: Michael Markel wird 70
Am 7. Oktober erfüllte der siebenbürgisch-deutsche Hochschullehrer und Literaturwissenschaftler Michael Markel, der zwischen 1962 und 1992 am Germanistischen Lehrstuhl der Klausenburger Universität äußerst verdienstvoll gewirkt und mit seinen Publikationen den rumäniendeutschen Literaturbetrieb dreier Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt hat, sein 70. Lebensjahr. Der Autor und Herausgeber wichtiger Veröffentlichungen zu Literaturgeschichte und -kritik lebt heute als Ruheständler in Nürnberg.
In einem Aufsatz, den Markel im Oktober 1997 in der renommierten deutschen Literaturzeitschrift „Akzente“ über den im Vorjahr unerwartet verstorbenen und mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichneten Sprachkünstler Oskar Pastior veröffentlichte, gestand der Literaturwissenschaftler mit Bezug auf eine Äußerung des Lyrikers, es veranlassten ihn dessen „Texte in gebundener und ungebundener Rede“, hinter den „Verschnürungen“, die bei Pastior mit dem aufgerufenen Wortmaterial einhergehen, immer wieder „Ordnungsmuster“ aufzuspüren, obwohl er stets aufs Neue, wie jeder andere Leser auch, erkennen müsse, dass solches Unterfangen zumindest „voreilig“, wenn nicht schwierig sei.
Es war sicher kein Zufall, dass der kundige Exeget diese Äußerung an den Anfang seiner belangvollen Ausführungen zu den Transsilvanismen bei Pastior stellte, hat er doch ein Leben und Wirken lang nach „Ordnungsmustern“ gesucht, solche gefunden und gestiftet: als Hochschulpädagoge, als Literaturwissenschaftler, als Verfasser von Lehrbüchern für die deutschen Gymnasien Siebenbürgens, und das alles in totalitären Zeiten „verordneter Unordnung“, um ein Brecht-Wort zu bemühen, genauer: in Zeiten geistiger und moralischer Unordnung unter den Zwängen verordneter Scheinordnung. Dazu befähigt hat den Bauernsohn aus Deutschweißkirch zweifellos das feste familiäre Ordnungsgefüge, in das er hineingeboren wurde und in dem er zunächst aufwuchs, doch das Ihrige haben sicher von 1953 bis 1957 auch die Jahre an der Schäßburger Bergschule getan, wo den Lernenden eine Lebenseinstellung vermittelt wurde, in der gesellschaftliche und individuelle Sinnfindung eine nicht geringe Rolle zu spielen hatten. Das anschließende Studium der Germanistik und Rumänistik an der Klausenburger Universität schloss Markel 1962 mit derart vorzüglichen Ergebnissen ab, dass er nahtlos an den dortigen Germanistischen Lehrstuhl berufen wurde, dessen Leitung ihm schließlich über mehrere Jahre oblag. Nicht wenige, inzwischen auch im binnendeutschen Sprachraum längst etablierte Literaten und Kritiker waren seine Studenten, und dazu unzählige werdende Deutschlehrer, die vom Klausenburger Germanistiklehrstuhl aus in die deutschsprachigen Schulen und Gymnasien Rumäniens eine für das damalige Ostblockland neue Weise der Literaturbetrachtung trugen, die nichts mehr gemein hatte mit dem dogmatischen Regelsystem des „sozialistischen Realismus“, das dem Literaturbetrieb in den Jahren eines verlängerten Stalinismus aufgezwungen worden war.
Wichtig für die Durchsetzung dieser neuen Art von Literaturrezeption waren zusätzlich die Lehrbücher und Textsammlungen für das Fach Deutsch an den muttersprachlichen Gymnasien des Landes, die Markel ab Anfang der 1970er Jahre als Koordinator und Mitverfasser herausgab. Und dass die dort enthaltenen „Ordnungsmuster“ nicht lediglich auf den Schulbetrieb beschränkt blieben, dazu trug auch seine „Literaturfibel“ bei, die von 1972 bis 1973 in zwanzig Folgen im Feuilletonteil der Kronstädter Wochenzeitung „Karpatenrundschau“ abgedruckt wurde.
Grundsätzlich ging es dabei darum, den vorwiegend außerliterarischen Wertekanon der offiziell sanktionierten Beurteilung von Erzeugnissen der Dichtkunst durch eine strukturale Werkästhetik zu ersetzen, die frei war von den marxistisch-leninistischen Dogmen einer engstirnigen, tagespolitisch bestimmten Beckmesserei. In welchem Maße das Wirkung gezeigt hat, belegen im Endeffekt die lesenswerten Produkte der rumäniendeutschen Lyriker und Prosaschriftsteller der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Und es wird zusätzlich belegt, und zwar in grotesk politpolizeilicher Spiegelung, von Entdeckungen jüngeren Datums in der Berliner Birtler-Behörde, die nämlich dokumentieren, dass sich die DDR-Stasi bemüßigt fand, die Aktivitäten Markels und seiner Klausenburger Kollegen in ihren Akten als regimeschädlich zu verzeichnen.
Mit zu den Gründen dieses besonderen Interesses, mit dem der Apparat des Herrn Mielke den Klausenburger Lehrstuhl bedachte, gehörte auch die in seinen Augen „separatistische“ Hinwendung der dortigen Germanisten zu Fragen der siebenbürgisch-deutschen Kultur und Literatur. Daran hatte gerade auch Markel einen wichtigen Anteil. Über mehrere Jahre las er vor seinen Studenten über das rumäniendeutsche und siebenbürgische Schrifttum, war 1971 und 1982 Herausgeber sowie Mitautor zweier Studienbände zur Geschichte der deutschen Literatur Siebenbürgens und trat als Verfasser grundlegender Aufsätze in mehreren einschlägigen Sammelbänden hervor, die sowohl in Rumänien als auch in Deutschland erschienen sind. Zudem hat er in kritischen Textausgaben und Anthologien für eine zeitgemäße Rezeption des siebenbürgisch-deutschen Literaturerbes gewirkt: Unter anderem brachte er 1972 im Bukarester Kriterion Verlag einen Band mit „Ausgewählten Schriften“ der Anna Schuller-Schullerus heraus, 1976 ebendort als kommentierten Neudruck Heinrich Schusters 1905 erschienenen Roman „Martin Alzner“ und 1973 im Klausenburger Dacia Verlag die vielgelesene Sammlung „Es sang ein klein Waldvögelein“ mit siebenbürgischen Volksliedern sächsisch und deutsch. Hier berührten oder überschnitten sich seine Forschungen offensichtlich auch mit denen seiner Ehefrau, der Volkskundlerin Hanni Markel, mit der es sicher zu gegenseitig produktiver geistiger Anregung gekommen ist.
Nach der Aussiedlung im Jahre 1992 hat Markel neben einer aufwendigen Lehrtätigkeit als Honorardozent für Deutsch an der Volkshochschule in Landshut sowie im Rahmen des Katholischen Jugendsozialwerks ebendort die Beschäftigung mit der deutschen Literatur und dem Kulturerbe seines Herkunftslandes nahtlos fortgesetzt. Davon zeugen nicht nur die erfolgreiche Teilnahme an Fachtagungen sowie daran anschließende Veröffentlichungen etwa zum Werk des gebürtigen Siebenbürgers Oskar Pastior, Resultat mehrjähriger und intensiver Auseinandersetzung mit dessen „Hunnenlatein“, sondern auch mehrere Aufsätze zum dialektalen Sprachschatz und den Überlieferungen im Brauchtum seiner engeren Heimat, seines Geburtsortes Deutschweißkirch.
Markels wissenschaftliche Unternehmungen kennzeichnen eine vorurteilsfreie Annäherung an den jeweiligen Gegenstand, die gründliche, ja akribische Beobachtung und sorgfältige Bewertung von dessen Erscheinungsbild, in deren Folge das ausdeutende Resultat stets präzise und schlüssig formuliert wird. Es sind in der Tat „Ordnungsmuster“, die er zu wiederholten Malen als Forscher und Lehrender abgeliefert hat. Man wünscht sich, dass solches noch oft geschehe.
Es war sicher kein Zufall, dass der kundige Exeget diese Äußerung an den Anfang seiner belangvollen Ausführungen zu den Transsilvanismen bei Pastior stellte, hat er doch ein Leben und Wirken lang nach „Ordnungsmustern“ gesucht, solche gefunden und gestiftet: als Hochschulpädagoge, als Literaturwissenschaftler, als Verfasser von Lehrbüchern für die deutschen Gymnasien Siebenbürgens, und das alles in totalitären Zeiten „verordneter Unordnung“, um ein Brecht-Wort zu bemühen, genauer: in Zeiten geistiger und moralischer Unordnung unter den Zwängen verordneter Scheinordnung. Dazu befähigt hat den Bauernsohn aus Deutschweißkirch zweifellos das feste familiäre Ordnungsgefüge, in das er hineingeboren wurde und in dem er zunächst aufwuchs, doch das Ihrige haben sicher von 1953 bis 1957 auch die Jahre an der Schäßburger Bergschule getan, wo den Lernenden eine Lebenseinstellung vermittelt wurde, in der gesellschaftliche und individuelle Sinnfindung eine nicht geringe Rolle zu spielen hatten. Das anschließende Studium der Germanistik und Rumänistik an der Klausenburger Universität schloss Markel 1962 mit derart vorzüglichen Ergebnissen ab, dass er nahtlos an den dortigen Germanistischen Lehrstuhl berufen wurde, dessen Leitung ihm schließlich über mehrere Jahre oblag. Nicht wenige, inzwischen auch im binnendeutschen Sprachraum längst etablierte Literaten und Kritiker waren seine Studenten, und dazu unzählige werdende Deutschlehrer, die vom Klausenburger Germanistiklehrstuhl aus in die deutschsprachigen Schulen und Gymnasien Rumäniens eine für das damalige Ostblockland neue Weise der Literaturbetrachtung trugen, die nichts mehr gemein hatte mit dem dogmatischen Regelsystem des „sozialistischen Realismus“, das dem Literaturbetrieb in den Jahren eines verlängerten Stalinismus aufgezwungen worden war.
Wichtig für die Durchsetzung dieser neuen Art von Literaturrezeption waren zusätzlich die Lehrbücher und Textsammlungen für das Fach Deutsch an den muttersprachlichen Gymnasien des Landes, die Markel ab Anfang der 1970er Jahre als Koordinator und Mitverfasser herausgab. Und dass die dort enthaltenen „Ordnungsmuster“ nicht lediglich auf den Schulbetrieb beschränkt blieben, dazu trug auch seine „Literaturfibel“ bei, die von 1972 bis 1973 in zwanzig Folgen im Feuilletonteil der Kronstädter Wochenzeitung „Karpatenrundschau“ abgedruckt wurde.
Grundsätzlich ging es dabei darum, den vorwiegend außerliterarischen Wertekanon der offiziell sanktionierten Beurteilung von Erzeugnissen der Dichtkunst durch eine strukturale Werkästhetik zu ersetzen, die frei war von den marxistisch-leninistischen Dogmen einer engstirnigen, tagespolitisch bestimmten Beckmesserei. In welchem Maße das Wirkung gezeigt hat, belegen im Endeffekt die lesenswerten Produkte der rumäniendeutschen Lyriker und Prosaschriftsteller der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Und es wird zusätzlich belegt, und zwar in grotesk politpolizeilicher Spiegelung, von Entdeckungen jüngeren Datums in der Berliner Birtler-Behörde, die nämlich dokumentieren, dass sich die DDR-Stasi bemüßigt fand, die Aktivitäten Markels und seiner Klausenburger Kollegen in ihren Akten als regimeschädlich zu verzeichnen.
Mit zu den Gründen dieses besonderen Interesses, mit dem der Apparat des Herrn Mielke den Klausenburger Lehrstuhl bedachte, gehörte auch die in seinen Augen „separatistische“ Hinwendung der dortigen Germanisten zu Fragen der siebenbürgisch-deutschen Kultur und Literatur. Daran hatte gerade auch Markel einen wichtigen Anteil. Über mehrere Jahre las er vor seinen Studenten über das rumäniendeutsche und siebenbürgische Schrifttum, war 1971 und 1982 Herausgeber sowie Mitautor zweier Studienbände zur Geschichte der deutschen Literatur Siebenbürgens und trat als Verfasser grundlegender Aufsätze in mehreren einschlägigen Sammelbänden hervor, die sowohl in Rumänien als auch in Deutschland erschienen sind. Zudem hat er in kritischen Textausgaben und Anthologien für eine zeitgemäße Rezeption des siebenbürgisch-deutschen Literaturerbes gewirkt: Unter anderem brachte er 1972 im Bukarester Kriterion Verlag einen Band mit „Ausgewählten Schriften“ der Anna Schuller-Schullerus heraus, 1976 ebendort als kommentierten Neudruck Heinrich Schusters 1905 erschienenen Roman „Martin Alzner“ und 1973 im Klausenburger Dacia Verlag die vielgelesene Sammlung „Es sang ein klein Waldvögelein“ mit siebenbürgischen Volksliedern sächsisch und deutsch. Hier berührten oder überschnitten sich seine Forschungen offensichtlich auch mit denen seiner Ehefrau, der Volkskundlerin Hanni Markel, mit der es sicher zu gegenseitig produktiver geistiger Anregung gekommen ist.
Nach der Aussiedlung im Jahre 1992 hat Markel neben einer aufwendigen Lehrtätigkeit als Honorardozent für Deutsch an der Volkshochschule in Landshut sowie im Rahmen des Katholischen Jugendsozialwerks ebendort die Beschäftigung mit der deutschen Literatur und dem Kulturerbe seines Herkunftslandes nahtlos fortgesetzt. Davon zeugen nicht nur die erfolgreiche Teilnahme an Fachtagungen sowie daran anschließende Veröffentlichungen etwa zum Werk des gebürtigen Siebenbürgers Oskar Pastior, Resultat mehrjähriger und intensiver Auseinandersetzung mit dessen „Hunnenlatein“, sondern auch mehrere Aufsätze zum dialektalen Sprachschatz und den Überlieferungen im Brauchtum seiner engeren Heimat, seines Geburtsortes Deutschweißkirch.
Markels wissenschaftliche Unternehmungen kennzeichnen eine vorurteilsfreie Annäherung an den jeweiligen Gegenstand, die gründliche, ja akribische Beobachtung und sorgfältige Bewertung von dessen Erscheinungsbild, in deren Folge das ausdeutende Resultat stets präzise und schlüssig formuliert wird. Es sind in der Tat „Ordnungsmuster“, die er zu wiederholten Malen als Forscher und Lehrender abgeliefert hat. Man wünscht sich, dass solches noch oft geschehe.
Hannes Schuster
Schlagwörter: Germanistik, Literaturgeschichte
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